KIS |
Konstanzer Inventar Sanktionsforschung |
Strafsanktionen
im deutschen Jugendstrafrecht
Ziel, Handhabung und Wirkungen
24 Thesen
Prof. Dr. Wolfgang Heinz
Universität Konstanz
Vortrag im
Rahmen der Tagung der IRZ-Stiftung
„Verbesserung und Diversifizierung des serbischen Jugendstrafrechts“
am 16. Oktober 2006 in Bonn
Erster
Teil: Jugendkriminologische Grundlagen
Zweiter Teil: Jugendstrafrechtliche Grundlagen
Dritter Teil: Das Sanktionensystem des deutschen
Jugendstrafrechts und die Sanktionierungspraxis
Weiterführende Literatur des Referenten
Gesetz über den Verkehr mit
Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz)
1. These: In allen westlichen Industriestaaten ist polizeilich registrierte Kriminalität gestiegen. So auch in Deutschland (vgl. Schaubild 1). Die stärksten Anstiege wurden in Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren verzeichnet; seitdem haben sich die Häufigkeitszahlen (pro 100.000 Einwohner) polizeilich registrierter Kriminalität auf hohem Niveau stabilisiert. Bestimmt wurde diese Entwicklung von Eigentums- und Vermögensdelikten, insbesondere von deren weniger schweren Formen, wie Ladendiebstahl. Derzeit entfallen auf Eigentums- und Vermögensdelikte rund 60% aller polizeilich registrierten Fälle (ohne Straßenverkehrsdelikte). Schwere Kriminalität ist in quantitativer Betrachtung selten. So entfallen derzeit z.B. auf schwere Formen der Gewaltkriminalität (gefährliche und schwere Körperverletzung, vorsätzliche Tötungsdelikte, Raub und räuberischer Erpressung) 3% der gesamten polizeilich registrierten Kriminalität (ohne Straßenverkehrsdelikte). Innerhalb der schweren Gewaltkriminalität wiederum haben deren schwerste Formen nicht zugenommen, im Gegenteil: Die Häufigkeitszahl der vorsätzlichen Tötungsdelikte ist geringer als noch vor 25 Jahren, dies gilt auch für Sexualmorde an Kindern.
2. These: Zu diesem Anstieg polizeilich registrierter Kriminalität haben junge Menschen, vor allem junge Männer, überproportional (im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil) beigetragen. Dies ist aber keine Besonderheit der Gegenwart. Junge Menschen weisen in jeder Gesellschaft und zu allen Zeiten eine deutlich höhere Belastung mit registrierter Kriminalität auf als Erwachsene (vgl. Schaubild 2). Dies hat – ebenfalls zu allen Zeiten – zu Besorgnis, zu Ängsten vor und zu Klagen über Jugendkriminalität geführt. Die wohl berühmteste Klage stammt von Shakespeare: „Ich wollte, es gäbe gar kein Alter zwischen zehn und dreiundzwanzig, oder die jungen Leute verschliefen die ganze Zeit: Denn dazwischen ist nichts, als den Dirnen Kinder schaffen, die Alten ärgern, stehlen, balgen.“[1]
3. These: Die kriminologische Forschung hat indes gezeigt, dass diese Klagen in dieser Form und Allgemeinheit nicht begründet sind. Wie Dunkelfeldforschungen (hier: Täterbefragungen) zeigen, sind im Jugendalter Verstöße gegen Strafrechtsnormen ubiquitär, kommen also bei fast jedem Jugendlichen vor (vgl. Schaubild 3). Dieser Befund wurde immer wieder bestätigt. Eine klare Trennung zwischen „den Guten“ und „den Bösen“ gibt es nur in der Fiktion, namentlich in drittklassigen Wildwestfilmen. Die in der Öffentlichkeit übliche Unterscheidung in Kriminelle und Nichtkriminelle muss aus kriminologischer Sicht ersetzt werden durch die Vorstellung eines Kontinuums, an dessen einem Ende die große Mehrzahl der Jugendlichen mit jugendtypischen, wenigen und leichten Delikten steht, an dessen anderem Ende sich relativ wenige Jugendliche mit vielen und / oder schweren Delikten befinden.
4. These: Oft wird befürchtet, Jugendkriminalität von heute sei die Erwachsenenkriminalität von morgen, Jugendkriminalität sei Einstieg in eine kriminelle Karriere. Dagegen hat die kriminologische Forschung gezeigt, dass die meisten Jugendlichen von selbst aufhören, Straftaten zu verüben. Delinquentes Verhalten bleibt für die weit überwiegende Zahl der Jugendlichen entweder ein nicht häufig (Episode) oder ein allenfalls in einem zeitlich begrenzten Lebensabschnitt gehäuft auftretendes Ereignis (passageres Phänomen) im Rahmen ihres Reifungs- und Anpassungsprozesses. Nur eine kleine Gruppe von um die 5% bis zu 10% der Tatverdächtigen/Verurteilten (sog. Mehrfach- oder Intensivtäter) fällt durch mehrfache Straftatbegehung oder durch eine länger anhaltende Dauer der Straffälligkeit auf.
5. These: Jugendkriminalität ist überwiegend wenig überlegte und geplante, zumeist durch Gelegenheiten ausgelöste, unprofessionelle Bagatellkriminalität. Je jünger die Tatverdächtigen sind, umso höher ist deshalb auch der Anteil der leichten Delinquenz (vgl. Schaubild 4). Im Unterschied zur Kriminalität junger Menschen ist das Deliktspektrum der Erwachsenen wesentlich breiter (vgl. Schaubild 5) und typischerweise auch schwerer (z.B. Drogen- und Waffenhandel, Korruption, Wirtschafts-, Umwelt- und Organisierte Kriminalität). Durch registrierte Wirtschaftskriminalität werden z.B. gleich hohe oder sogar höhere Schäden verursacht als durch die gesamte sonstige polizeilich erfasste Eigentums- oder Vermögenskriminalität (vgl. Schaubild 6). Wird deshalb nicht auf die Quantität der Deliktsbegehung, sondern auf die Deliktsschwere oder auf die Großgefährdungen der Sicherheit, etwa auf Umweltdelikte oder Organisierte Kriminalität, abgestellt, dann muss die Erwachsenenkriminalität im Mittelpunkt stehen. Schwere Gewaltkriminalität und schadensintensive Kriminalität ist typischerweise Erwachsenenkriminalität; Jugendkriminalität ist dagegen regelmäßig Bagatellkriminalität.
6. These: Unverändert gültig sind deshalb die folgenden Grundphänomene, die die Verbreitung und Entwicklung der Jugendkriminalität beschreiben:
· Ubiquität (weite Verbreitung),
· Episodenhaftigkeit (auf eine bestimmte Altersphase beschränkt bleibendes Vorkommen von Kriminalität)
· Spontanbewährung (weitestgehender Abbruch der Delinquenz ohne formelle Kontrollintervention) sowie der
· auf wenige Mehrfachtäter konzentrierte Intensität der Delinquenz im Sinne des Übergangs zu wiederholter schwerwiegender Delinquenz.
7. These: Die kriminologische Forschung hat ferner gezeigt, dass junge Menschen weit häufiger Opfer als Täter sind, vor allem, wenn es um schwerwiegende Gewalt- und Missbrauchsdelikte geht. Tatverdächtige und Opfer gehören überwiegend derselben Altersgruppe an (vgl. Schaubild 7). Unter Berücksichtigung auch der familiären Gewalt sind junge Menschen weitaus häufiger Gewaltopfer als Gewalttäter. Als potenzielle Opfer gerade schwerwiegender Gewaltdelikte bedürfen junge Menschen der besonderen Aufmerksamkeit und des Schutzes durch die Gesellschaft.
8. These: Jugendliche Delinquenten haben zu fast allen Zeiten eine andere strafrechtliche Behandlung erfahren als erwachsene Straftäter. Ein selbständiges, vom Erwachsenenstrafrecht sich unterscheidendes Sonderstrafrecht gibt es in fast allen Staaten aber erst seit dem 19. Jahrhundert. Für die Schaffung eines eigenständigen Jugend(straf)rechts waren mehrere Gründe maßgebend:
· Wenn es überhaupt eine Tätergruppe gibt, bei der die Resozialisierungschancen durch strafrechtliche Intervention aussichtsreich sind, dann ist es die der Jugendlichen. Wegen ihrer Erziehungsfähigkeit und Erziehungsbedürftigkeit sowie wegen ihrer im Vergleich zu den Erwachsenen größeren Formbarkeit und Beeinflussbarkeit ist bei ihnen das Ziel der Rückfallverhinderung durch eine den Eigenarten der jeweiligen Täterpersönlichkeit angepasste Sanktion noch am ehesten erreichbar.
· Junge Menschen sehen sich in modernen Gesellschaften besonderen Problemen gegenüber. Normensysteme werden immer komplexer; Verhaltenserwartungen unübersichtlicher; Botschaften und Beispiele aus Erwachsenenwelt und Politik teilweise auch widersprüchlicher und unglaubwürdiger. Die Schattenseiten gesellschaftlicher Modernisierung und Globalisierung, etwa in Form von Armutsentwicklung, Arbeits- und Perspektivlosigkeit gefährden junge Menschen besonders. Für viele junge Menschen hat sich der Übergang von der Jugendphase in die Erwachsenenrolle, wie etwa der Eintritt in das Berufsleben oder Gründung einer eigenen Familie, in das dritte Lebensjahrzehnt verschoben.
· Jungen Menschen fehlt häufig noch das volle Verständnis für die Bedeutung und die Tragweite des von ihnen verübten Rechtsbruchs und dessen Folgen, weshalb es Gerechtigkeitsvorstellungen widerspricht, sie strafrechtlich voll haften zu lassen und wie Erwachsene zu bestrafen. Bereits in den Vorüberlegungen zum Jugendgerichtsgesetz von 1923 wurde diese Einsicht formuliert: „… Straftaten Jugendlicher, auch wenn diese die vom Gesetze vorausgesetzte Einsicht besessen haben, (müssen) wesentlich milder beurteilt werden …, als die Taten Erwachsener. Was von Personen reiferen Alters begangen, sich als schweres Vergehen oder Verbrechen darstellt, kann bei unreifen Personen sich als geringfügige Verfehlung darstellen, deren strafrechtliche Verfolgung nicht geboten erscheint.“[2]
9. These: Das geltende deutsche Jugendstrafrecht ist Sonderstrafrecht für junge Täter, die zur Zeit ihrer Tat das 14., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben (vgl. Schaubild 8). Im Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht ist das Jugendstrafrecht Täterstrafrecht. Sein Ziel ist nicht Vergeltung der Tat oder Schuldausgleich (Tatstrafrecht). Ziel des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) ist vielmehr, den straffällig gewordenen jungen Menschen zu einem Leben ohne Straftaten anzuhalten und erforderlichenfalls zu befähigen (Rückfallverhütung). Die Bedeutung des Normlernens und – falls erforderlich – der Ausgleich von Sozialisationsdefiziten wird deshalb im JGG besonders hervorgehoben.
10.
These: Um
dieses Ziel der Rückfallverhütung zu erreichen, stellt das JGG nicht nur normverdeutlichende
Sanktionen zur Verfügung, sondern auch helfende, stützende und betreuende
Sanktionen (vgl. Schaubild 9).
Wo bereits die geeigneten und erforderlichen erzieherischen Maßnahmen, sei
es außerhalb des strafrechtlichen Verfahrens, sei es im Ermittlungsverfahren,
eingeleitet oder durchgeführt worden sind, sind Verurteilung und
Strafverfahren entbehrlich. Denn es geht nicht um Tatschuldvergeltung,
sondern um Rückfallprävention. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass
Strafsanktion und Strafverfahren sich unter Umständen erziehungsschädlich
auswirken können. Deshalb kommt Diversion, also der Vermeidung einer
förmlichen Verurteilung, im Jugendstrafverfahren nicht nur aus verfahrensökonomischen
Gründen, sondern vor allem aus spezialpräventiven Gründen besondere Bedeutung
zu.
11. These: Das Jugendstrafrecht hatte Schrittmacherfunktion für das Erwachsenenstrafrecht, das zunehmend auch präventive Gesichtspunkte bei der Strafzumessung berücksichtigte. Viele der inzwischen im Erwachsenenstrafrecht eingeführten Sanktionen wurden zunächst im Jugendstrafrecht erfolgreich erprobt. Dies gilt z.B. für Diversion, für Strafaussetzung zur Bewährung oder für den Täter-Opfer-Ausgleich. Die Bundesregierung hat hierzu in ihrem Ersten Periodischen Sicherheitsbericht erklärt:
·
„.. Das derzeitige Jugendstrafrecht
… (bietet) vielfältige Möglichkeiten, auf
delinquentes Verhalten junger Menschen angemessen zu reagieren. Die
breite Sanktions- und Reaktionsvielfalt ermöglicht dort, wo der Entwicklungsprozess des jungen Menschen es
erfordert, ein gezieltes und auf die Individualität des jeweiligen Täters zugeschnittenes Vorgehen. Um dem im
Jugendstrafrecht verankerten Erziehungsgedanken Rechnung zu tragen, ist eine
möglichst zeitnahe Reaktion von Polizei und Justiz sowie der Kinder- und
Jugendhilfe bei strafbarem Verhalten gefragt.
·
Gegenüber
traditionellen Sanktionen wie Geldauflage, Jugendarrest und Jugendstrafe
kommt dabei ambulanten Maßnahmen, die ausschließlich erzieherischen Charakter
haben, besondere Bedeutung zu. Hierzu gehört neben dem ..
Täter-Opfer-Ausgleich, der in besonderer Weise dazu geeignet ist, dem Täter Hintergründe und Folgen der Tat
unmittelbar vor Augen zu führen und diese intensiv aufzuarbeiten, zum
Beispiel der soziale Trainingskurs oder die Weisung, sich der Betreuung und
Aufsicht eines Betreuungshelfers zu unterstellen.
· In geeigneten Fällen können auch erzieherische Maßnahmen außerhalb des förmlichen Verfahrens als angemessene Reaktion genügen (Diversion). Ihnen gebührt bereits insoweit der Vorzug, als sie einerseits auf eine besonders zeitnahe Vermittlung der notwendigen Unrechtseinsicht gerichtet sind, darüber hinaus jedoch geeignet sind, die mit einem Hauptverfahren und einer förmlichen Verurteilung verbundenen Stigmatisierungsrisiken zu vermeiden.“[3]
12. These: In rechtstatsächlicher Betrachtung ist für das Jugendstrafrecht wie für das Erwachsenenstrafrecht kennzeichnend, dass
·
vermehrt von
Diversion Gebrauch gemacht wird, d.h. das Verfahren eingestellt wird, obwohl
aus Sicht von Staatsanwaltschaft oder Gericht zur Anklageerhebung oder zur
Verurteilung hinreichender Tatverdacht besteht.
·
Freiheitsstrafen
immer seltener verhängt werden, ambulante Sanktionen also an die Stelle von
stationären (Jugendstrafe, Jugendarrest) treten,
·
Freiheitsstrafen bis
zu 2 Jahren, soweit sie überhaupt noch verhängt werden, überwiegend nicht vollstreckt,
sondern in zunehmendem Maße zur Bewährung ausgesetzt werden.
13.
These: In
welchem Ausmaß sich die Sanktionierungspraxis geändert hat, zeigen die
folgenden Beispiele:
Diversion: Schaubild 10 zeigt, dass 1882 77% aller
durch Urteil verhängten Straften stationäre Sanktionen waren, 2004 waren es
noch 8%. Das wahre Ausmaß der Zurückdrängung stationärer Sanktionen wird
freilich erst dann deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass es 1882 keine
Diversionsmöglichkeiten gab. Wird deshalb auf die Gesamtheit aller entweder
divertierten oder verurteilten Personen abgestellt, dann dürfte der Anteil der
stationären Sanktionen derzeit sogar unter 4% liegen. Inzwischen wird nämlich
mehr als jedes zweite Strafverfahren aus Opportunitätsgründen gem. §§ 153,
153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG, § 31, 37a BtMG eingestellt (vgl. Schaubild 11); im Jugendstrafrecht
sogar mehr als zwei Drittel (vgl. Schaubild
12). Aber auch im allgemeinen Strafrecht ist der Gebrauch der
Opportunitätsvorschriften nicht mehr die Ausnahme; derzeit werden hier mehr als
50% aller – aus Sicht von Staatsanwaltschaft oder Gericht mit Strafsanktionen
ahndbaren - Verfahren eingestellt (vgl. Schaubild
13).
Ambulante Sanktionen: Im
Erwachsenenstrafrecht ist die Alternative zur verhängten Freiheitsstrafe vor
allem die Geldstrafe (vgl. Schaubild 10).
Das Jugendstrafrecht weist demgegenüber eine große Palette unterschiedlichster
Sanktionsmöglichkeiten auf, mit denen flexibel auf Lebenslagen und
Bedürfnisse junger Menschen reagiert werden kann. Dies spiegelt sich auch in
der Sanktionierungspraxis wider. Wie im allgemeinen Strafrecht, so sind auch
im Jugendstrafrecht stationäre, also mit Freiheitsentziehung verbundene
Sanktionen, zur Ausnahme geworden (vgl. Schaubild
14). Im Vordergrund stehen normverdeutlichende Sanktionen, insbesondere
Verwarnungen sowie Auflagen, wie z.B. die Auflage, gemeinnützige Arbeit zu
leisten oder einen Geldbetrag zu bezahlen. Auf Weisungen, die die
Lebensführung der straffälligen jungen Menschen regeln, entfielen 2004 rd. 7%
der schwersten Sanktionen (vgl. Schaubild
15).
Strafaussetzung zur Bewährung:
Schaubild 16 und 17 zeigen, dass und
wie sehr sowohl im Jugend- als auch im Erwachsenenstrafrecht von
Strafaussetzung zur Bewährung Gebrauch gemacht wird. 77% der im
Erwachsenenstrafrecht und 70% der im Jugendstrafrecht verhängten
aussetzungsfähigen Strafen, das sind Freiheits- bzw. Jugendstrafen von nicht
mehr als zwei Jahren Dauer, werden derzeit nicht vollstreckt, sondern zur
Bewährung ausgesetzt.
14. These: Der Gesetzgeber des Jugendgerichtsgesetzes von 1923 ging bei der Ausgestaltung des jugendstrafrechtlichen Sanktionensystems vor allem von drei Annahmen aus:
1. Freiheitsstrafen, insbesondere kurze Freiheitsstrafen, stiften mehr Schaden als Nutzen, sie begünstigen also eher den Rückfall als dass sie ihn verhindern,
2. Strafsanktion und Strafverfahren haben unter Umständen stigmatisierende, kriminalitätsfördernde Wirkungen,
3. nur durch eine schnelle Reaktion, wie sie durch Diversion eher ermöglicht wird als durch eine Verurteilung, kann der aus spezialpräventiven Gründen wichtige Bezug zwischen Tat und Reaktion erhalten bleiben.
15. These: Die den Zusammenhang von Rückfall und Bestrafung betreffenden Annahmen waren keine bloßen Vermutungen, sondern hatten eine empirische Grundlage: Gestützt auf erste Daten einer Rückfallstatistik zog bereits 1900 der deutsche Strafrechtslehrer Franz von Liszt folgende Schlussfolgerung hinsichtlich des damaligen tatvergeltenden Strafrechts: "Der Hang zum Verbrechen (wächst) auch bei den Jugendlichen mit jeder neuen Verurteilung. ... je härter die Vorstrafe nach Art und Maß gewesen ist, desto rascher der Rückfall erfolgt. ... Wenn ein Jugendlicher oder auch ein Erwachsener ein Verbrechen begeht und wir lassen ihn laufen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder ein Verbrechen begeht, geringer, als wenn wir ihn bestrafen. Ist das Gesagte richtig ..., so ist damit der völlige Zusammenbruch, der Bankerott unserer ganzen heutigen Strafrechtspflege in schlagendster Weise dargetan."[4]
16. Ob die damaligen Annahmen des Gesetzgebers auch heute noch empirischer Prüfung standhalten, ist inzwischen eingehend untersucht worden. Mit der 2003 veröffentlichten Rückfallstatistik liegen aktuelle Befunde vor für die Gesamtheit aller Personen, die im Jahr 1994 entweder ambulant sanktioniert oder aus einer stationären Sanktion entlassen worden sind. Hierbei handelt es sich um rund 950.000 Personen. Folgendes Ergebnis wurde festgestellt (vgl. Schaubild 18):
1. Entgegen Alltagsvorstellungen – einmal kriminell, immer kriminell – ist Rückfälligkeit die Ausnahme, nicht die Regel. Nur ein gutes Drittel aller Verurteilten wurde innerhalb von vier Jahren überhaupt erneut justiziell registriert.
2. Die Rückfallraten sind – ebenso wie die Kriminalitätsbelastung – altersabhängig recht ungleich verteilt. Junge Menschen weisen eine deutlich höhere Kriminalitätsbelastung auf als Erwachsene. Erwartungsgemäß sind deshalb auch die Rückfallraten junger Menschen deutlich höher als die von Erwachsenen.
3. Die Rückfallraten nehmen in der Tendenz mit der Schwere der Sanktion zu: Je härter die verhängte Sanktion, desto höher die Rückfallraten.
Die Ergebnisse der Rückfallstatistik besagen allerdings nicht notwendigerweise etwas über die kausale Wirkung von Sanktionen. Denn Personen, die z.B. mit einer freiheitsentziehenden Sanktion verurteilt worden sind, dürften möglicherweise einer Gruppe angehören, die ein höheres Rückfallrisiko aufweist als Personen, bei denen eine ambulante Sanktion verhängt worden ist. Die Rückfallstatistik zeigt vielmehr, ob und inwieweit Annahmen zur spezialpräventiven Wirkung von Sanktionen, die mit einer Sanktionierung verbunden werden, unter den realen Gegebenheiten zutreffend sind. Wer z.B. eine Jugendstrafe in der Annahme verhängt, den Verurteilten dadurch von weiteren Straftaten abhalten zu können, weiß nunmehr, dass diese Annahme mehr als 3 von 4 Fällen falsch ist, denn die tatsächlich ermittelte Rückfallrate nach vollzogener Jugendstrafe beträgt 77,8%. Ganz allgemein zeigt die Rückfallstatistik, dass härtere Sanktionen nicht geeignet sind, ein bei schwereren Delikten angenommenes höheres Rückfallrisiko auszugleichen.
17. These: Aufgabe der empirischen Sanktions- und Wirkungsforschung ist es zu untersuchen, ob und in welchem Maße die Rückfallwahrscheinlichkeit von Art und Höhe der Sanktion beeinflusst wird. Voraussetzung für den empirischen Nachweis einer kausalen Wirkung ist, dass sich die miteinander zu vergleichenden Gruppen wirklich nur in einem einzigen Punkt unterscheiden, dem der Sanktion. Nur wenn dies gelingt, kann der empirische Nachweis geführt werden, dass die Wirkung der Sanktion (und nicht etwaige Selektionseffekte) gemessen wird. Hierzu sind experimentelle oder quasi-experimentelle Ansätze erforderlich. Letztere sind vor allem dann möglich, wenn die Sanktionierungspraxis für gleichartige Fälle zeitlich oder regional uneinheitlich ist. Bei Untersuchungen, in denen erst durch den Forscher Vergleichsgruppen nach bestimmten, als rückfallfördernd angesehenen Kriterien gebildet werden, besteht immer der Einwand, dass relevante Kriterien nicht erfasst worden sind.
18. These: Zu den in Deutschland am intensivsten und besten untersuchten Sanktionsformen gehört Diversion. Hier liegen inzwischen eine ganze Reihe quasi-experimenteller Untersuchungen vor. Sämtliche dieser Studien zur Wirkung von Diversion im Vergleich zu den durch Urteil verhängten Strafen kamen übereinstimmend zum Ergebnis, dass die Verurteilung in spezialpräventiver Hinsicht einer Verfahrenseinstellung nicht überlegen ist. Es zeigte sich vielmehr, dass Rückfallraten weitgehend unabhängig davon waren, ob eingestellt oder verurteilt worden war (vgl. Schaubild 19). Dies belegt die auch sonst immer wieder beobachtete These von der Austauschbarkeit der Sanktionen im Bereich der leichten und mittelschweren Kriminalität (vgl. Schaubild 20 zu einer Schweizer Untersuchung). Mehr Strafen und härtere Strafen führen nicht zu weniger Rückfall.
19. These: 1969 wurden in Deutschland im Erwachsenen- und im Jugendstrafrecht die Obergrenzen der zur Bewährung aussetzbaren Freiheitsstrafen (von bisher 9 Monaten) bzw. Jugendstrafen (von bisher 12 Monaten) auf nunmehr einheitlich 24 Monate angehoben. Diese Erweiterung der Aussetzungsmöglichkeiten stellte ein natürliches Experiment dar. Bei einem erheblichen Teil der Straftäter, der früher zwingend zu einer vollstreckten Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt worden wäre, wurde seitdem die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Damit verbunden war die zunehmende Einbeziehung strafrechtlich bereits vorbelasteter Verurteilter in die Bewährungsunterstellungen. Dies hätte, wäre die These richtig, dass „milde“ Sanktionen zu einer Erhöhung der Rückfallraten führen, die Widerrufsraten ansteigen lassen müssen. Das Gegenteil war indes der Fall, denn die Bewährungsraten stiegen an (vgl. Schaubild 21 zum Jugendstrafrecht), und zwar auch bei den strafrechtlich vorbelasteten Probandengruppen (vgl. Schaubild 22 zum allgemeinen Strafrecht). Dies ist deshalb bemerkenswert, weil mit dem Merkmal der strafrechtlichen Vorbelastung eine Häufung weiterer sozialbiographischer Belastungsmerkmale verbunden ist, wie sie im Übrigen auch für die Strafvollzugspopulation charakteristisch ist.
20. These: Die „Austauschbarkeitsthese“ wurde durch Untersuchungen zu anderen Sanktionsformen immer wieder bestätigt: Im Bereich der leichten und mittelschweren Kriminalität haben unterschiedliche Sanktionen keine feststellbar differenzierende Wirkung auf die Legalbewährung; die Sanktionen sind vielmehr weitestgehend ohne messbare Konsequenzen auf die Rückfallraten austauschbar. Diese Ergebnisse sind folgenreich. Denn die Wahl der Sanktion muss stets dadurch gerechtfertigt werden, dass ein solcher Eingriff geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Nicht der Nachweis eines größeren Erfolgs weniger eingriffsintensiver Maßnahmen gegenüber den intensiveren Reaktionen ist zu erbringen, vielmehr bedürfen umgekehrt die eingriffsintensiveren Maßnahmen der Begründung ihrer präventiven Effizienz.
21.
These: Diese
Ergebnisse der deutschen Forschung fügen sich bruchlos ein in den allgemeinen
kriminologischen Wissensstand. Insbesondere die neueren US-amerikanischen
Sekundäranalysen haben gezeigt, dass von einer „tough on
crime“-Kriminalpolitik, die auf Strafschärfungen setzt, namentlich auf
freiheitsentziehende Sanktionen, keine positiven Effekte zu erwarten
sind. Programme, die auf spezialpräventive Abschreckung abzielen, sei es durch
kurzen Freiheitsentzug (shock probation), durch längere, mit militärischem
Drill verbundene Internierung (boot camps) oder in Form von Gefängnisbesuchsprogrammen
(scared straight) hatten nicht die erwünschten Effekte, die Rückfallraten der
Vergleichsgruppen waren nicht niedriger, in einer Reihe von Untersuchungen
sogar höher.
Deshalb kann als Stand der Sanktions- und Wirkungsforschung festgehalten
werden:
1. Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass - bei vergleichbaren Tat- und Tätergruppen – die Rückfallrate nach einer Verurteilung niedriger ist als nach einer Verfahrenseinstellung (Diversion).
2. Im Bereich der leichten und mittelschweren Kriminalität haben unterschiedliche Sanktionen keine differenzierende Wirkung auf die Legalbewährung; die Sanktionen sind vielmehr weitestgehend ohne messbare Konsequenzen auf die Rückfallraten austauschbar.
3. Es gibt keinen empirischen Beleg für die Annahme, durch härtere Sanktionen messbar bessere Legalbewährungsraten erzielen zu können. Wenn es eine Tendenz gibt, dann die, dass nach härteren Sanktionen die Rückfallrate bei vergleichbaren Tat- und Tätergruppen höher ist.
22.
These: Der Forschungsstand
spricht dafür, im Zweifel weniger, nicht mehr zu tun. Eine Kriminalpolitik,
die auf mehr, auf härtere und auf längere Strafen setzt, stiftet mehr Schaden
als Nutzen; sie ist ein Katastrophenrezept. Aus der "Austauschbarkeitsthese"
folgt, dass die Intensität von strafrechtlicher Übelszufügung zurückgenommen
werden kann, ohne damit einen messbaren Verlust an Prävention befürchten zu
müssen.
Kurz formuliert: "Nach kriminologischen Erkenntnissen
ist von Sanktionsverschärfungen weder unter spezial- noch unter generalpräventiven Gesichtspunkten eine Reduzierung von
Jugendkriminalität zu erwarten."[5].
Oder noch kürzer: "Milde zahlt sich aus.“[6]
23. These: Der deutsche Gesetzgeber hat 1990 die bisherigen Entwicklungen in der Praxis durch das 1. JGGÄndG[7] festgeschrieben. Prägnant wurden hierbei die der Reform zugrunde liegenden Einsichten formuliert:
· "Neuere kriminologische Forschungen haben erwiesen, dass Kriminalität im Jugendalter meist nicht Indiz für ein erzieherisches Defizit ist, sondern überwiegend als entwicklungsbedingte Auffälligkeit mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter abklingt und sich nicht wiederholt. Eine förmliche Verurteilung Jugendlicher ist daher in weitaus weniger Fällen geboten, als es der Gesetzgeber von 1953 noch für erforderlich erachtete.
· Untersuchungen zu der Frage, inwieweit der Verzicht auf eine formelle Sanktion zugunsten einer informellen Erledigung kriminalpolitisch von Bedeutung ist, haben - jedenfalls für den Bereich der leichten und mittleren Jugenddelinquenz - zu der Erkenntnis geführt, dass informellen Erledigungen als kostengünstigeren, schnelleren und humaneren Möglichkeiten der Bewältigung von Jugenddelinquenz auch kriminalpolitisch im Hinblick auf Prävention und Rückfallvermeidung höhere Effizienz zukommt.
· Es hat sich weiterhin gezeigt, dass die in der Praxis vielfältig erprobten neuen ambulanten Maßnahmen (Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich) die traditionellen Sanktionen (Geldbuße, Jugendarrest, Jugendstrafe) weitgehend ersetzen können, ohne dass sich damit die Rückfallgefahr erhöht.
· Schließlich ist seit langem bekannt, dass die stationären Sanktionen des Jugendstrafrechts (Jugendarrest und Jugendstrafe) sowie die Untersuchungshaft schädliche Nebenwirkungen für die jugendliche Entwicklung haben können."[8]
24.
Entgegen Forderungen nach einer Verschärfung des
Jugendstrafrechts, die vor allem in den letzten Jahren wieder vermehrt erhoben
worden sind, hat die Bundesregierung in ihrem Ersten Periodischen
Sicherheitsbericht von 2001 in Übereinstimmung mit den empirischen Befunden
festgehalten:
„Hinter der Forderung nach einer Ausweitung
und Verschärfung des Jugendstrafrechts steht insbesondere die Vorstellung,
hierdurch lasse sich der Jugendkriminalität wirksamer begegnen. Für diese
Annahme gibt es keine Belege aus der empirischen Sozialforschung. Vielmehr
bestehen Anhaltspunkte dafür, dass einer
erneuten Straffälligkeit durch nichtförmliche (Diversion) und ambulante
Maßnahmen wirksamer vorgebeugt werden kann, als dies durch traditionelle
(Geldauflage) und insbesondere stationäre Sanktionen (Jugendarrest,
Jugendstrafe) erreicht werden könnte. Da freiheitsentziehende Maßnahmen und
vor allem Untersuchungshaft die Entwicklung
von Jugendlichen nachhaltig zu beeinträchtigen vermögen, sollte hierauf nur
als ultima ratio zurückgegriffen werden.“[9]
Bekräftigt wird diese Auffassung auch im Zweiten Periodischen
Sicherheitsbericht: „Das geltende Jugendstrafrecht hat sich bewährt. Es bietet
ausreichende und angemessene Möglichkeiten zur flexiblen Verfahrensgestaltung
und zur differenzierten Reaktion und Sanktionierung bei Straftaten junger
Menschen. Deren Straftaten sind insgesamt weiterhin von leichterer bis
mittelschwerer Delinquenz geprägt. Die kriminologischen und empirischen
Erkenntnisse, die für die Ausgestaltung des Jugendkriminalrechts unter dem
Erziehungsgedanken maßgeblich waren, haben unverändert Gültigkeit.“[10] Die Bundesregierung befindet sich mit dieser
Haltung in voller Übereinstimmung mit der weit überwiegenden Mehrzahl der
Stimmen aus Fachverbänden,[11] Praxis[12] und Wissenschaft.[13]
Schaubild 1: Entwicklung
der Gesamthäufigkeitszahl polizeilich registrierter Fälle, Alte Länder mit Westberlin, 1991 und 1992
mit Gesamtberlin, seit 1993 Deutschland
Schaubild 7:: Täter-Opfer-Altersbeziehung
bei Opferdelikten* Baden-Württemberg
2004
Schaubild 9: Die
Rechtsfolgen der Jugendstraftat (materielles Jugendstrafrecht)
Schaubild 11: Informell und formell
Sanktionierte insgesamt. Alte Länder
einschl. Berlin
Schaubild 15: Schwerste
nach Jugendstrafrecht verhängte Sanktion 2004.
Alte Länder mit Berlin
Schaubild 1: Entwicklung der Gesamthäufigkeitszahl
polizeilich registrierter Fälle,
Alte Länder mit Westberlin, 1991 und 1992 mit Gesamtberlin, seit 1993 Deutschland
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 1:
Absolute Zahlen |
1965 |
1975 |
1985 |
1995 |
2005 |
Fälle insgesamt |
1.789.319 |
2.919.390 |
4.215.451 |
6.668.717 |
6.391.715 |
BtMG (Rauschgiftdelikte) (SZ 7300) |
1.003 |
29.805 |
60.941 |
158.477 |
276.740 |
Sachbeschädigung (SZ 6740) |
107.236 |
213.746 |
342.309 |
607.909 |
718.405 |
Diebstahl, Unterschlagung (SZ ****, 5300) |
1.076.646 |
1.942.587 |
2.677.018 |
3.916.046 |
2.830.981 |
Betrug (SZ 5100) |
177.343 |
209.841 |
372.196 |
623.182 |
949.921 |
Gewaltkriminalität (SZ 8920) |
45.889 |
80.699 |
102.967 |
170.170 |
212.832 |
Häufigkeitszahlen (pro
100.000 Einwohner) |
|||||
Fälle insgesamt |
3.030,7 |
4.721,5 |
6.908,8 |
8.178,6 |
7.747,5 |
BtMG (Rauschgiftdelikte) (SZ 7300) |
1,7 |
48,2 |
99,9 |
194,4 |
335,4 |
Sachbeschädigung (SZ 6740) |
181,6 |
345,7 |
561,0 |
745,5 |
870,8 |
Diebstahl, Unterschlagung (SZ ****, 5300) |
1.823,6 |
3.141,7 |
4.387,5 |
4.802,7 |
3.431,5 |
Betrug (SZ 5100) |
300,4 |
339,4 |
610,0 |
764,3 |
1.151,4 |
Gewaltkriminalität (SZ 8920) |
77,7 |
130,5 |
168,8 |
208,7 |
258,0 |
Legende:
SZ: Schlüsselzahl der PKS
Gesamthäufigkeitszahl
bzw. Häufigkeitszahl: Zahl
der polizeilich registrierten Fälle pro 100.000 Einwohner.
Datenquelle: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Polizeiliche Kriminalstatistik 1963 .. 2005.
Schaubild 2: Wegen Verbrechen und Vergehen* Verurteilte
nach Altersgruppen.
Verurteiltenbelastungsziffer (Verurteilte pro 100.000 Einwohner).
Deutsches Reich; Deutschland (alte Länder)**
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 2:
|
Verurteiltenbelastungsziffer |
|||||||
zusammen |
davon im Alter von ... bis
unter ... Jahren |
|||||||
14 – 18*** |
18 - 21 |
21 - 25 |
25 - 30 |
30 - 40 |
40 - 50 |
50 u.m. |
||
1900 |
1.166,9 |
724,0 |
2.366,0 |
1.715,8 |
1.678,2 |
1.399,2 |
1.048,1 |
448,5 |
1960 |
767,8 |
1.101,9 |
1.713,1 |
1.705,3 |
1.376,1 |
832,0 |
587,4 |
236,7 |
1970 |
701,2 |
1.445,9 |
1.755,0 |
1.721,9 |
1.201,0 |
833,8 |
468,6 |
161,7 |
1980 |
727,8 |
1 357,3 |
1 701,0 |
1 562,8 |
1 187,0 |
929,4 |
586,9 |
192,4 |
1990 |
681,6 |
947,6 |
1 410,1 |
1 509,4 |
1 215,9 |
924,8 |
660,9 |
196,1 |
2000 |
722,0 |
1 355,1 |
2 142,7 |
2 269,7 |
1 436,2 |
906,4 |
648,7 |
195,0 |
2004 |
814,6 |
1 397,0 |
2 416,3 |
2 623,1 |
1 757,4 |
1 037,7 |
727,9 |
220,8 |
Legende:
* Verbrechen und Vergehen:
ab 1960 ohne Vergehen im Straßenverkehr.
** Deutschland (alte Länder):
1960 ohne Saarland und Berlin;
1970, 1970, 1980, 1990 alte Länder mit Westberlin;
2000, 2004 alte Länder mit Gesamtberlin.
*** 1900: 12 bis unter 18 Jahre.
Datenquelle: Berechnung nach:
Statistik des Deutschen Reichs, NF, Bd. 139, Berlin 1902, Tabelle III;
Statistik des Deutschen Reichs, NF, Bd. 429, Kriminalstatistik für das Jahr 1930,
7 f.;
Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie A: Bevölkerung und Kultur, Reihe 9:
Rechtspflege II. Strafverfolgung 1960, 1970;
Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 10. Rechtspflege. Reihe 3:
Strafverfolgung 1980, 1990, 2000, 2004.
Schaubild 3: Selbstberichtete Delinquenz (Prävalenzraten
delinquenten Verhaltens in den letzten 12 Monaten) nach Geschlecht.
KFN-Schülerbefragung 2000 (Hamburg, Hannover, Leipzig, München, Friesland,
jeweils 9. Jahrgangsstufe; gewichtete Daten; gültige N=9.829)
Datenquelle: Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) – Schülerbefragung 2000 (unveröff. Daten - Mitteilung des KFN an den Verf.).
Schaubild 4: Relatives Gewicht der leichten Delinquenz nach Altersgruppen und Geschlecht. Deutschland 2005
Legende:
Leichte Delinquenz: Als Fälle
"leichter" Delinquenz wurden zusammengefasst: (vorsätzliche leichte)
Körperverletzung (§ 223 StGB), fahrlässige Körperverletzung § 229
StGB (nicht i. V. m. Verkehr), Ladendiebstahl, Erschleichen von Leistungen
(§ 265a StGB), Beleidigung (§§ 185-187, 189 StGB), Sachbeschädigung
(§§ 303-305a StGB).
Datenquelle: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Polizeiliche Kriminalstatistik 2005
Datenquelle: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Polizeiliche Kriminalstatistik 2005.
Auszüge aus dem Datenblatt zu Schaubild 6:
|
vollendete Fälle |
Schaden (in Euro) |
||
unter 5.000 |
mehr als 5000 |
insgesamt. |
||
Insgesamt für
Delikte mit Schadenserfassung |
3.604.016 |
3.447.370 |
156.637 |
8.418.108.447 |
Wirtschaftskriminalität |
77.235 |
51.236 |
25.999 |
4.210.733.577 |
alle sonstigen Eigentums-
u. Vermögensdelikte |
3.526.781 |
3.396.143 |
130.638 |
4.207.374.870 |
Anteile an |
voll. Fällen
insgesamt |
Fällen
innerhalb der Deliktsgruppe |
Gesamtschaden |
|
Wirtschaftskriminalität |
2,1 |
66,3 |
33,7 |
50,0 |
alle sonstigen Eigentums-
u. Vermögensdelikte |
97,9 |
96,3 |
3,7 |
50,0 |
Datenquelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2005, Tab. 7.
Schaubild
7:: Täter-Opfer-Altersbeziehung
bei Opferdelikten*
Baden-Württemberg 2004
Auszüge aus dem Datenblatt zu Schaubild 7:
Tatverdächtige nach Altersgruppen |
Opfer nach Altersgruppen |
Tatver-dächtige |
|||
bis unter 14
Jahre |
14 bis unter
21 Jahre |
21 bis unter 40
Jahre |
40 Jahre und
älter |
||
Tatverdächtige 40 und älter |
2.156 |
2.338 |
8.025 |
9.365 |
21.884 |
% von Opfer |
24,6 |
9,7 |
21,2 |
46,7 |
24,1 |
Tatverdächtige 21 bis unter 40 |
2.284 |
6.794 |
22.844 |
8.293 |
40.215 |
% von Opfer |
26,1 |
28,3 |
60,3 |
41,4 |
44,4 |
Tatverdächtige 14 bis unter 21 |
2.089 |
14.101 |
6.877 |
2.234 |
25.301 |
% von Opfer |
23,9 |
58,8 |
18,2 |
11,1 |
27,9 |
Tatverdächtige bis unter 14 |
2.220 |
756 |
138 |
157 |
3.271 |
% von Opfer |
25,4 |
3,2 |
0,4 |
0,8 |
3,6 |
Opfer
insgesamt |
8.749 |
23.989 |
37.884 |
20.049 |
90.671 |
% von Opfer |
100,0 |
100,0 |
100,0 |
100,0 |
100,0 |
* Bei folgenden Delikten werden
Angaben über das Opfer erfasst: Straftaten gegen das Leben (§§ 211-213, 216,
222 StGB), Körperverletzung (§§ 223-227, 229, 231, 340 StGB), Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung unter Gewaltanwendung oder Ausnutzen eines
Abhängigkeitsverhältnisses (§§ 174, 174a, 174b, 174c, 177, 178 StGB),
sexueller Missbrauch (§§ 176, 176a, 176b, 179,182, 183, 183a StGB), Förderung
sexueller Handlungen Minderjähriger oder der Prostitution (§§ 180, 180a StGB),
Menschenhandel (§§ 180b, 181 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB), Zuhälterei (§§ 181 Abs. 1,
Nr. 1, 181a StGB), Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf
Kraftfahrer (§§ 249-252, 255, 316a StGB), Straftaten gegen die persönliche
Freiheit (§§ 232-233a, 234, 235, 236, 239-239b, 240, 241, 316c StGB).
Datenquelle: Eigene
Sonderauswertung anhand der Daten für die Polizeilichen Kriminalstatistik
Baden-Württemberg 2004
Schaubild 8: Strafrechtliche Verantwortlichkeit, sachliche Zuständigkeit und Rechtsfolgen nach Altersgruppen
Altersgruppe |
Kinder |
Jugendliche |
Heranwachsende |
Erwachsene |
Strafrechtliche Verantwortlichkeit |
strafunmündig (§ 19 StGB) |
bedingt strafmündig gem. § 3 JGG (Konkurrenz zu
§§ 20, 21 StGB) |
generell strafrechtlich verantwortlich (Ausnahme:
§ 20 StGB) |
generell strafrechtlich verantwortlich (Ausnahme:
§ 20 StGB) |
sachliche Zuständigkeit |
·
Jugendamt ·
Familiengericht ·
Vormundschaftsgericht ·
daneben Polizei als
Gefahrenabwehrbehörde |
·
Jugendstaatsanwalt-schaft ·
Jugendgericht
(Ausnahmen: §§ 102, 103 Abs. 2 S. 2 JGG) |
·
Jugendstaatsanwalt-schaft ·
Jugendgericht
(Ausnahmen: §§ 102, 103 Abs. 2 S. 2 JGG i.V.m. § 112 S. 1 JGG) |
·
Erwachsenenstaats-anwaltschaft ·
Erwachsenengericht
(Ausnahme: § 103 Abs. 2 S. 1 JGG) |
Rechtsfolgen |
·
Hilfen bzw. Maßnahmen
nach KJHG ·
Schutzmaßnahmen nach
dem BGB (§§ 1631 Abs. 3, 1631b, 1666) ·
keine strafrechtlichen
oder strafprozessualen Maßnahmen |
·
Sanktionen nach dem
JGG, ·
Nebenfolgen gem.
§ 6 JGG, ·
Maßregeln der Besserung
und Sicherung gem. § 7 JGG |
·
Entscheidung über die
Anwendung der Sanktionen nach dem JGG oder dem StGB gem. § 105 JGG ·
Bei Anwendung von
allgemeinem Strafrecht Milderung gem. § 106 JGG |
·
Rechtsfolgen nach
allgemeinem Strafrecht |
Schaubild
10: Entwicklung der
Sanktionierungspraxis, aber ohne informelle Sanktionen
Deutsches Reich bzw. früheres Bundesgebiet 1882 ... 2004
Anteile bezogen auf nach allgemeinem und nach Jugendstrafrecht Verurteilte
Auszüge aus
dem Datenblatt zu Schaubild 10:
Jahr |
Verur-teilte |
Todesstrafe |
freiheitsentziehende Sanktionen |
Geldstrafe |
Sonstige |
||||||
unbedingt |
bedingt |
||||||||||
N |
N |
% |
N |
% |
N |
% |
N |
% |
N |
% |
|
1882 |
315.849 |
90 |
0,03 |
242.589 |
76,8 |
0 |
0,0 |
69.974 |
22,2 |
3.196 |
1,0 |
1900 |
456.479 |
38 |
0,01 |
263.866 |
57,8 |
0 |
0,0 |
181.195 |
39,7 |
11.380 |
2,5 |
1910 |
538.225 |
43 |
0,01 |
259.466 |
48,2 |
0 |
0,0 |
263.857 |
49,0 |
14.859 |
2,8 |
1920 |
608.563 |
113 |
0,02 |
353.244 |
58,0 |
0 |
0,0 |
231.728 |
38,1 |
23.478 |
3,9 |
1930 |
594.610 |
43 |
0,01 |
188.313 |
31,7 |
8.530 |
1,4 |
392.797 |
66,1 |
4.924 |
0,8 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
1950 |
296.356 |
0,0 |
0,0 |
115.950 |
39,1 |
0 |
0,0 |
172.575 |
58,2 |
7.831 |
2,6 |
1960 |
548.954 |
0,0 |
0,0 |
127.851 |
23,3 |
61.388 |
11,2 |
335.978 |
61,2 |
23.737 |
4,3 |
1970 |
643.285 |
0,0 |
0,0 |
73.099 |
11,4 |
53.024 |
8,2 |
464.818 |
72,3 |
52.344 |
8,1 |
1980 |
732.481 |
0,0 |
0,0 |
70.203 |
9,6 |
80.813 |
11,0 |
494.114 |
67,5 |
87.351 |
11,9 |
1990 |
692.363 |
0,0 |
0,0 |
49.921 |
7,2 |
77.743 |
11,2 |
512.343 |
74,0 |
52.356 |
7,6 |
2000 |
732.733 |
0,0 |
0,0 |
64.441 |
8,8 |
95.791 |
13,1 |
513.336 |
70,1 |
59.165 |
8,1 |
2004 |
775.802 |
0,0 |
0,0 |
64.822 |
8,4 |
102.629 |
13,2 |
540.209 |
69,6 |
68.142 |
8,8 |
Gebiet:
1882 bis 1939: jeweiliges Reichsgebiet;
ab 1950 bis 1960: Bundesgebiet ohne Saarland und Berlin (West); ab 1961
Bundesrepublik Deutschland nach dem Gebietsstand vor dem 3.10.1990; sie
schließen Berlin (West) ein.
Verurteilungen zu Strafen:
1882 bis 1936: Hauptstrafen (bei Doppelstrafen nur die jeweils schwerste
Strafe) wegen Verbrechen und Vergehen; 1937 bis 1939 insgesamt verhängte
Hauptstrafen (einschließlich Doppelstrafen). Von 1882 bis 1918 ohne die wegen
Wehrpflichtverletzung Verurteilten, von 1914 bis 1936 ohne die Verurteilten
wegen Verbrechen und Vergehen gegen die aus Anlaß des Krieges oder der
Übergangszeit erlassenen Strafvorschriften, von 1921 ab ohne die wegen
Verstößen gegen das Militärstrafgesetzbuch Verurteilten. Von 1934 ab auch ohne
die Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze, die zur
Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehörten. Von 1937 bis 1939 Verbrechen
und Vergehen überhaupt, aber ohne Verstöße gegen das Militärstrafgesetzbuch.
Ab 1950: Verbrechen und Vergehen gegen Bundes- und Landesgesetze.
Personen:
Bis 26.2.1923: 12 Jahre und älter, ab 27.3.1924: 14 Jahre und älter.
Sonstige (Sanktionen): 1882 bis 1924; Verweis
(gegenüber Jugendlichen); 1923 bis 1939: Absehen von Strafe gem. § 6 JGG
1923 zugunsten von Erziehungsmaßregeln und gem. § 9 Abs. 4 JGG 1923 in
besonders leichten Fällen.
Ab 1950: Ambulante Erziehungsmaßregeln und ambulante Zuchtmittel (jeweils als
schwerste Sanktion) nach Jugendstrafrecht (Erziehungsmaßregeln, jedoch ohne
Fürsorgeerziehung bzw. Heimerziehung; Zuchtmittel [bis 1953: Auferlegung
besonderer Pflichten gem. § 9 JGG a.F.], jedoch ohne Jugendarrest).
Freiheitsentziehende
Sanktionen zur Bewährung: 1923 bis 1936: Aussetzung
der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen gem. § 10 JGG
1923. 1937 bis 1939 wurde in der amtlichen Statistik die Aussetzung der
Freiheitsstrafe bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) nicht mehr ausgewiesen. Der
Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen ist deshalb um bis zu 2 Prozentpunkte
überschätzt.
Ab 1954: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Aussetzungen zur
Bewährung bei Gefängnis und Haft. Die gem. § 23 Abs. 1 StGB a.F. mögliche
Strafaussetzung bei Einschließungsstrafe von nicht mehr als 9 Monaten wurde in
der amtlichen Statistik überhaupt nicht, die Aussetzung von Strafarrest zur
Bewährung (§ 14 Wehrstrafgesetz - WStG) bis 1974 nicht nachgewiesen.
Quantitativ sind die nicht nachgewiesenen Aussetzungen bei Einschließung und
Strafarrest bedeutungslos. Seit 1970 Strafaussetzung zur Bewährung bei
Freiheitsstrafe sowie - seit 1975 - bei Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Strafaussetzung zur Bewährung bei
Jugendstrafe bis einschließlich 1 Jahr. Durch Art. 11 Nr. 6 des 1. StrRG 1969
wurde zum 1.4.1970 die Strafaussetzung zur Bewährung auch bei Jugendstrafen von
mehr als einem bis einschließlich zwei Jahren eingeführt. In der amtlichen
Statistik wurden diese "unter besonderen Umständen" möglichen
Aussetzungen erst seit 1975 ausgewiesen.
Freiheitsentziehende
Sanktionen unbedingt: 1882 bis 1939 Zuchthaus,
Gefängnis (soweit nicht zur Bewährung ausgesetzt), Festungshaft und Haft. 1921 bis 1933 einschließlich Arrest. 1937
bis 1939 sind die Quoten um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt, weil die Strafaussetzung
zur Bewährung bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) in der amtlichen Statistik nicht
mehr ausgewiesen wurde.
Ab 1950: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Zuchthaus, nicht zur
Bewährung ausgesetzte Gefängnisstrafe und Haft. Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953
auch Einschließung. Seit 1957 auch der durch das Wehrstrafgesetz vom 30.3.195
eingeführte Strafarrest (insgesamt). Seit dem 1. Strafrechtsreformgesetz vom
25.6.1969 nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe und (seit 1975)
unbedingter Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Bis 1953 Jugendgefängnis,
Jugendarrest und Fürsorgeerziehung, ab 1954 nicht zur Bewährung ausgesetzte
Jugendstrafe, Jugendarrest und Fürsorgeerziehung (ab 1991: Heimerziehung).
Quelle: Konstanzer Inventar Sanktionsforschung
<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Schaubild 11: Informell und formell Sanktionierte insgesamt.
Alte Länder einschl. Berlin
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 11:
|
1985 |
1990 |
1995 |
2000 |
2004 |
Informell Sanktionierte |
522.967 |
647.060 |
820.544 |
924.175 |
1.055.898 |
Einstellungen ohne Auflagen (§§ 153, 153b StPO, § 45 I, II
JGG, § 31a BtMG) durch StA oder Gericht |
250.081 |
350.999 |
511.626 |
606.395 |
720.219 |
Einstellungen mit Auflagen (§ 153a StPO, § 45 III, 47 JGG,
§ 37 BtMG) durch StA oder Gericht |
272.886 |
296.061 |
308.918 |
317.780 |
335.679 |
Formell Sanktionierte
insgesamt |
724.999 |
697.687 |
765.898 |
739.643 |
785.061 |
Formell Sanktionierte - Jugendstrafrecht |
120.928 |
78.463 |
78.172 |
95.669 |
107.752 |
Formell Sanktionierte – allgemeines Strafrecht |
604.071 |
619.224 |
687.726 |
643.974 |
677.309 |
Einstellungen mit Auflagen und formell Sanktionierte |
997.885 |
993.748 |
1.074.816 |
1.057.423 |
1.120.740 |
Sanktionierte insgesamt. |
1.247.966 |
1.344.747 |
1.586.442 |
1.663.818 |
1.840.959 |
Anteil informell Sanktionierte an insgesamt |
41,9 |
48,1 |
51,7 |
55,5 |
57,4 |
Legende:
Formell Sanktionierte - allgemeines Strafrecht: Nach allgemeinem
Strafrecht Verurteilte einschließlich Personen mit Entscheidungen gem.
§§ 59, 60 StGB,
Formell Sanktionierte - Jugendstrafrecht: Nach Jugendstrafrecht
Verurteilte einschließlich Personen mit Entscheidungen gem. § 27 JGG.
Datenquellen: Staatsanwaltschaftsstatistik; Strafsachenstatistik; Strafverfolgungsstatistik.
Auszüge aus
dem Datenblatt zu Schaubild 12:
|
1985 |
1990 |
1995 |
2000 |
2004 |
Sanktionierte insgesamt. |
243.724 |
201.084 |
237.742 |
306.236 |
349.229 |
Formell Sanktionierte |
120.928 |
78.463 |
78.172 |
95.669 |
107.752 |
Unbedingte Jugendstrafe |
6.736 |
4.319 |
5.005 |
6.725 |
6.596 |
Jugendarrest |
23.990 |
12.785 |
12.953 |
16.832 |
19.894 |
Aussetzung zur Bewährung (Jugendstrafe)e |
10.936 |
7.784 |
8.875 |
11.028 |
10.823 |
Ambulante Zuchtmittel |
55.340 |
37.408 |
43.404 |
53.060 |
60.659 |
Ambulante Erziehungsmaßregeln |
22.042 |
14.948 |
6.426 |
6.105 |
7.483 |
Fürsorge-/Heimerziehung |
82 |
30 |
68 |
90 |
68 |
§ 27 JGG |
1.802 |
1.189 |
1.441 |
1.829 |
2.229 |
informell Sanktionerte |
122.796 |
122.621 |
159.570 |
210.567 |
241.477 |
Einstellung durch Gericht (§ 47 JGG) |
49.636 |
35.062 |
38.183 |
41.403 |
41.113 |
Einstellung durch StA mit Auflagen (§ 45 III JGG) |
15.604 |
10.767 |
10.858 |
12.453 |
14.063 |
Einstellung durch StA ohne Auflagen (§ 45 I, II JGG) |
57.555 |
76.792 |
110.529 |
156.712 |
186.301 |
* Die dem Schaubild
zugrunde liegenden Daten beziehen sich auf die alten Länder, und zwar zunächst
nur mit Westberlin. Daten für Gesamtberlin werden in der StA-Statistik seit
1993, in der Strafsachenstatistik seit 1991 und in der Strafverfolgungsstatistik
seit 1995 ausgewiesen.
Hinweise zur Datenqualität:
Hinsichtlich der informell Sanktionierten handelt es sich überwiegend um
Näherungswerte, weil die Daten bis 1989 hochgerechnet, bis 1997 umgerechnet und
für ein Bundesland über mehrere Jahre fortgeschrieben werden mussten.
Die StA-Statistik wurde vom Statistischen
Bundesamt erstmals für das Berichtsjahr 1981 zunächst nur für
8 der alten Länder veröffentlicht, weil sie in drei Ländern erst später
eingeführt wurde: Westberlin (1985), Hessen (1988), Schleswig-Holstein (1989).
Um dennoch Bundesergebnisse darstellen zu können, wurden vom Verf. die jeweils
fehlenden Landesergebnisse auf der Grundlage der Bevölkerungszahlen dieser
Länder und entsprechend der durchschnittlichen Einstellungsrate der anderen
Länder geschätzt (Hochrechnung).
Die Daten über Verurteilte sind personenbezogen. Dagegen lagen in der
StA-Statistik (bis einschließlich 1997) und in der Strafsachenstatistik (bis
einschließlich 1988) nur verfahrensbezogene Daten vor. Diese wurden vom Verf.
auf Personen umgerechnet.
Aus Schleswig-Holstein liegen
für die Jahre 1998 bis 2003 keine Ergebnisse der StA-Statistik vor; die
Ergebnisse für 1997 wurden für die Folgejahre als Näherungswerte verwendet.
Die dem Schaubild zugrunde
liegenden Daten beziehen sich auf die alten Länder, und zwar zunächst nur mit
Westberlin. Daten für Gesamtberlin werden in der StA-Statistik seit 1993, in
der Strafsachenstatistik seit 1991 und in der Strafverfolgungsstatistik seit
1995 ausgewiesen.
Quelle: Konstanzer Inventar Sanktionsforschung
<http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Schaubild
13: Entwicklung der
Sanktionspraxis im allgemeinen Strafrecht 1981-2004; Anteile bezogen auf
informell und formell Sanktionierte.
Alte Länder mit Berlin-West, ab 1995 mit Gesamtberlin*.
Auszüge aus dem Datenblatt zu Schaubild 13:
|
1985 |
1990 |
1995 |
2000 |
2004 |
Sanktionierte insgesamt. |
1.004.112 |
1.143.414 |
1.312.414 |
1.294.642 |
1.423.416 |
Formell Sanktionierte |
604.071 |
619.224 |
687.726 |
643.974 |
677.309 |
Unbedingte
freiheitsentziehende Sanktionen |
37.808 |
32.787 |
35.277 |
40.794 |
38.264 |
Aussetzung zur Bewährung
(Freiheitsstrafe, Strafarrest) |
74.576 |
69.959 |
80.786 |
84.763 |
91.806 |
Geldstrafe |
488.414 |
512.343 |
567.195 |
513.336 |
540.209 |
§§ 59, 60 StGB |
3.273 |
4.135 |
4.468 |
5.081 |
7.030 |
informell Sanktionerte |
400.041 |
524.190 |
624.688 |
650.668 |
746.107 |
Einstellung durch Gericht |
84.854 |
115.231 |
99.859 |
100.448 |
107.492 |
Einstellung durch
Staatsanwaltschaft |
315.188 |
408.959 |
524.829 |
550.220 |
638.615 |
Legende:
* Die dem Schaubild
zugrunde liegenden Daten beziehen sich auf die alten Länder, und zwar zunächst
nur mit Westberlin. Daten für Gesamtberlin werden in der StA-Statistik seit
1993, in der Strafsachenstatistik seit 1991 und in der
Strafverfolgungsstatistik seit 1995 ausgewiesen.
Freiheitsentziehende Sanktionen: Freiheitsstrafe und
Strafarrest.
Hinweise zur Datenqualität: vgl. die Anmerkungen zu
Schaubild 12.
Quelle: Konstanzer Inventar Sanktionsforschung
<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Schaubild
14: Entwicklung der
Sanktionspraxis im Jugendstrafrecht
Formelle Sanktionen, Bundesrepublik Deutschland 1950 .. 2004, Anteile bezogen
auf nach Jugendstrafrecht Verurteilte
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 14:
|
1985 |
1990 |
1995 |
2000 |
2004 |
Formell Sanktionierte |
120.928 |
78.463 |
78.172 |
95.669 |
107.752 |
Unbedingte Jugendstrafe |
6.736 |
4.319 |
5.005 |
6.725 |
6.596 |
Jugendarrest |
23.990 |
12.785 |
12.953 |
16.832 |
19.894 |
Aussetzung zur Bewährung (Jugendstrafe)e |
10.936 |
7.784 |
8.875 |
11.028 |
10.823 |
Ambulante Zuchtmittel |
55.340 |
37.408 |
43.404 |
53.060 |
60.659 |
Ambulante Erziehungsmaßregeln |
22.042 |
14.948 |
6.426 |
6.105 |
7.483 |
Fürsorge-/Heimerziehung |
82 |
30 |
68 |
90 |
68 |
Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe (§ 27 JGG) |
1.802 |
1.189 |
1.441 |
1.829 |
2.229 |
Quelle: Konstanzer Inventar Sanktionsforschung
<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Schaubild
15: Schwerste nach
Jugendstrafrecht verhängte Sanktion 2004.
Alte
Länder mit Berlin
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 15:
|
2004 |
|
Absolute Zahlen |
Anteil an Verurteilten |
|
Verurteilte |
105.523 |
100,0 |
Unbedingte Jugendstrafe |
6.596 |
6,3 |
Aussetzung zur Bewährung (Jugendstrafe) |
10.823 |
10,3 |
Jugendarrest |
19.894 |
18,9 |
Ambulante Zuchtmittel |
60.659 |
57,5 |
Erziehungsmaßregeln (einschl. Heimerziehung) |
7.551 |
7,2 |
Datenquelle: Strafverfolgungsstatistik.
Schaubild
16: Aussetzungsraten bei
aussetzungsfähigen Jugendstrafen, 1960 .. 2004
Anteile
bezogen auf die jeweils aussetzungsfähigen Jugendstrafen
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 16:
|
1960 |
1970 |
1980 |
1990 |
2000 |
2004 |
Bestimmte Jugendstrafe
insges. |
9.186 |
9.733 |
8.938 |
8.111 |
9.596 |
10.388 |
Jugendstrafe 6 Monate genau insg. |
2.282 |
2.081 |
3.483 |
2.425 |
2.933 |
2.798 |
Jugendstrafe 6 Monate genau zur Bewährung |
1.472 |
1.598 |
2.886 |
2.038 |
2.455 |
2.364 |
Jugendstrafe mehr als 6 bis einschl.12 Monate |
5.254 |
6.237 |
9.288 |
5.099 |
6.811 |
6.773 |
Jugendstrafe mehr als 6 bis einschl. 12 Monate zur Bewährung |
2.691 |
4.454 |
7.275 |
3.923 |
5.194 |
5.172 |
Jugendstrafe mehr als 12 bis einschl. 24 Monate |
1.317 |
2.071 |
3.607 |
3.393 |
5.993 |
5.881 |
Jugendstrafe mehr als 12 bis einschl. 24 Monate zur Bewährung |
|
|
1.031 |
1.823 |
3.379 |
3.287 |
Jugendstrafe von mehr als 24 Monaten |
333 |
541 |
1.307 |
1.133 |
2.016 |
1.967 |
Bedingte Jugendstrafen insgesamt |
4.163 |
6.052 |
11.192 |
7.784 |
11.028 |
10.823 |
Unbedingte Jugendstrafen insgesamt |
5.023 |
4.878 |
6.493 |
4.266 |
6.725 |
6.596 |
Aussetzungsrate (bezogen auf alle Jungendstrafen) |
45,3 |
55,4 |
63,3 |
64,6 |
62,1 |
62,1 |
Aussetzungsrate (bezogen auf aussetzungsfähige Jungendstrafen) |
55,2 |
72,8 |
68,3 |
71,3 |
70,1 |
70,0 |
Quelle: Konstanzer
Inventar Sanktionsforschung
<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Auszüge aus dem Datenblatt zu Schaubild 17:
|
1970 |
1980 |
1990 |
2000 |
2004 |
Freiheitsstrafen insgesamt |
88.248 |
104.850 |
102.454 |
125.305 |
129.986 |
Freiheitsstrafe bis unter 6 Monate insg. |
55.844 |
50.324 |
46.873 |
46.459 |
45.510 |
Freiheitsstrafe bis unter 6 Monate zur Bewährung |
32.180 |
39.922 |
36.444 |
34.916 |
34.947 |
Freiheitsstrafe 6 Monate bis einschl. 12 Monate insg. |
23.256 |
40.944 |
38.714 |
51.444 |
54.073 |
Freiheitsstrafe 6 Monate bis einschl. 12 Monate zur Bewährung |
14.192 |
27.410 |
27.290 |
38.058 |
42.375 |
Freiheitsstrafe 12 Monate bis einschl. 24 Monate insg. |
5.981 |
8.426 |
11.035 |
17.872 |
20.259 |
Freiheitsstrafe 12 Monate bis einschl. 24 Monate zur Bewährung |
600 |
1.546 |
5.971 |
11.578 |
14.406 |
bedingt |
46.972 |
68.878 |
69.705 |
84.552 |
91.728 |
unbedingt insgesamt |
41.276 |
35.972 |
32.749 |
40.753 |
38.258 |
Aussetzungsrate (bezogen auf alle Freiheitsstrafen) |
53,2 |
65,7 |
68,0 |
67,5 |
70,6 |
Aussetzungsrate (bezogen auf aussetzungsfähige Freiheitsstrafen) |
55,2 |
69,1 |
72,1 |
73,0 |
76,5 |
Quelle:
Konstanzer Inventar
Sanktionsforschung
<http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Schaubild 18: Legalbewährung
und Rückfall nach allgemeinem Strafrecht und nach Jugendstrafrecht – Bezugsjahr
1994
Auszüge aus
dem Datenblatt zu Schaubild 18:
Bezugsentscheidungen
(BE) |
Rückfall * |
Schwerste
Folgeentscheidung ** |
|||||
insge- |
in % der jew. Bezugsentscheidung- |
Freiheits-/ |
(sonst.) formelle Sanktion1) |
§§ 45, 47 JGG |
|||
Unbedingt |
bedingt |
||||||
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
(8) |
BE insgesamt |
946.107 |
337.853 |
35,7 |
13,9 |
23,3 |
56,1 |
6,8 |
Formelle
BE nach |
717.758 |
234.059 |
32,6 |
14,9 |
25,9 |
59,1 |
0,1 |
Freiheitsstrafe insg. |
105.011 |
49.205 |
46,9 |
37,4 |
28,6 |
34,0 |
0,0 |
Freiheitsstrafe ohne Bew. |
19.551 |
11.028 |
56,4 |
52,1 |
22,9 |
24,9 |
0,0 |
Freiheitsstrafe mit Bew. |
85.460 |
38.177 |
44,7 |
33,2 |
30,2 |
36,6 |
0,0 |
Geldstrafe |
612.747 |
184.854 |
30,2 |
8,9 |
25,2 |
65,8 |
0,1 |
Formelle
BE nach |
62.254 |
36.907 |
59,3 |
19,8 |
25,1 |
48,0 |
7,2 |
Jugendstrafe insg. |
11.941 |
7.715 |
64,6 |
38,5 |
25,4 |
33,8 |
2,2 |
Jugendstrafe ohne Bew. |
3.265 |
2.541 |
77,8 |
57,9 |
22,7 |
19,0 |
0,4 |
Jugendstrafe mit Bew. |
8.676 |
5.174 |
59,6 |
29,0 |
26,7 |
41,1 |
3,2 |
Jugendarrest |
9.610 |
6.726 |
70,0 |
25,2 |
29,7 |
39,3 |
5,8 |
Jugendrichterl. Maßnahmen |
40.701 |
22.464 |
55,2 |
11,7 |
23,6 |
55,5 |
9,3 |
Jugendstrafrechtliche
Diversion (§§ 45, 47 JGG) |
166.0932) |
66.886 |
40,3 |
7,1 |
12,9 |
49,8 |
30,1 |
1) Geldstrafe, Jugendarrest, Erziehungsmaßregel,
Zuchtmittel, § 27 JGG und isolierte Maßregeln.
2) Berichtigte Zahl, die gegenüber Übersichtstabelle 4.3a (Jehle, Heinz
und Sutterer, 2003) die sonstigen Entscheidungen ausschließt. Die Größenordnungen
bleiben erhalten.
Lesehilfe (am Beispiel von Zeile 1):
* Von den insgesamt 946.107 Personen, die
1994 entweder zu einer ambulanten Sanktion verurteilt oder aus Freiheits- oder
Jugendstrafe entlassen worden waren (Sp. 2), wurden 337.853 (Sp. 3) (=35,7%)
(Sp. 4) rückfällig.
** Von diesen, innerhalb von vier Jahren erneut im BZR
registrierten 337.853 Personen (Sp. 3) waren 13,9% (Sp. 5) zu einer nicht zur
Bewährung ausgesetzten Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt worden.
Datenquelle: Jehle, Jörg-Martin; Heinz, Wolfgang; Sutterer, Peter [unter Mitarbeit von Sabine Hohmann, Martin Kirchner und Gerhard Spiess]: Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen - Eine kommentierte Rückfallstatistik, Mönchengladbach 2003, Übersichtstabelle 4.1.a, S. 121, 4.3.a, S. 123.
Schaubild 19: Diversionsraten gem. §§ 45, 47 JGG und
Nachentscheidungsraten (informelle oder formelle Sanktionierung) innerhalb von
drei Jahren nach der Art der erstmaligen Sanktionierung bei "einfachem
Diebstahl" (§§ 242, 247, 248a StGB) bei Jugendlichen in den Ländern.
Jugendliche des Geburtsjahrgang 1961 mit Eintragungen im Bundeszentralregister
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 19:
|
Sanktio-nierte insg. |
Bezugsentscheidung
informell |
Mindestens eine
Nachentscheidung nach Erstentscheidung |
Prognostischer Gewinn
(inform. vs. formell) |
||||
Land |
N |
n |
in % der Sanktio-nierten |
informell |
formell |
|||
n |
% |
n |
% |
|||||
Rheinland-Pfalz |
1.727 |
746 |
43,2 |
181 |
24,3 |
307 |
31,3 |
7,0 |
Baden-Württemberg |
4.020 |
1.745 |
43,4 |
469 |
26,9 |
777 |
34,2 |
7,3 |
Niedersachsen |
4.149 |
1.921 |
46,3 |
564 |
29,4 |
775 |
34,8 |
5,4 |
Nordrhein-Westfalen |
10.061 |
5.107 |
50,8 |
1.480 |
29,0 |
1.892 |
38,2 |
9,2 |
Bayern |
4.610 |
2.580 |
56,0 |
709 |
27,5 |
713 |
35,1 |
7,6 |
Hessen |
2.533 |
1.612 |
63,6 |
404 |
25,1 |
335 |
36,4 |
11,3 |
Saarland |
688 |
457 |
66,4 |
85 |
18,6 |
74 |
32,0 |
13,4 |
Schleswig-Holstein |
1.724 |
1.377 |
79,9 |
353 |
25,6 |
157 |
45,2 |
19,6 |
Berlin |
1.686 |
1.431 |
84,9 |
359 |
25,1 |
120 |
47,1 |
22,0 |
Bremen |
584 |
519 |
88,9 |
174 |
33,5 |
38 |
58,5 |
24,9 |
Hamburg |
878 |
797 |
90,8 |
235 |
29,5 |
49 |
60,5 |
31,0 |
insgesamt |
32.660 |
18.292 |
56,0 |
5.013 |
27,4 |
5.237 |
36,4 |
9,0 |
Datenquelle: Storz, Renate: Jugendstrafrechtliche Reaktionen und Legalbewährung, in: Heinz, Wolfgang; Storz, Renate: Diversion im Jugendstrafverfahren der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992. S. 155, Tab. 11, S. 176, Tab. 19, S. 180, Tab. 20.
Schaubild 20: Rückfallraten in Abhängigkeit von Bussen bzw.
bedingter Freiheitsstrafe – nach Schweizer Kantonen - bei erstmals wegen
Massendelikten (einfachen Diebstahls gem. Art. 137.1 schwStGB, Verletzung der
Verkehrsregeln gem. Art 90 SVG, Fahrens in angetrunkenem Zustand gem. Art. 91
SVG) in der Schweiz Verurteilten
Anteil der Bussen bei erstmaliger Verurteilung 1986 und 1987 und
Wiederverurteilungsraten
Legende:
AG = Aargau; AI =
Appenzell Innerrhoden; AR = Appenzell Ausserrhoden; BE = Bern; BL = Basel-Landschaft; BS =
Basel-Stadt; FR = Freiburg; GE = Genf; GL = Glarus; GR = Graubünden; JU = Jura; LU = Luzern; NE =
Neuenburg; NW = Nidwalden; OW = Obwalden; SG = St. Gallen; SH = Schaffhausen;
SO = Solothurn; SZ = Schwyz; TG = Thurgau; TI = Tessin; UR = Uri; VD= Waadt; VS
= Wallis; ZG = Zug; ZH = Zürich.
Datenquelle: Storz, Renate: Strafrechtliche Verurteilung und Rückfallraten, Bundesamt für Statistik, Bern 1997
Auszüge aus dem Datenblatt zu
Schaubild 21:
|
Beendete
Unterstellungen unter Bewährungsaufsicht1) nach Jugendstrafrecht |
||||||||
Jahr2) |
insgesamt |
Beendete
Unterstellungen, abgeschlossen mit Bewährung3) |
Bei
den Bewährungsaufsichten, die beendet wurden durch Bewährung (einschl.
Aufhebung der Unterstellung) waren die Probanden im Zeitpunkt der Straftat
bereits früher |
||||||
nicht
verurteilt |
verurteilt |
unter
Bewährungs- oder Führungs-aufsicht |
|||||||
insg. |
Bew. |
insg. |
Bew. |
insg. |
Bew. |
insg. |
Bew. |
||
1977 |
13.125 |
7.657 |
58,3 |
3.566 |
70,4 |
9.559 |
53,9 |
4.124 |
49,2 |
1980 |
15.505 |
9.889 |
63,8 |
4.248 |
78,6 |
11.257 |
58,2 |
5.154 |
52,5 |
1985 |
17.228 |
12.321 |
71,5 |
4.139 |
86,2 |
13.089 |
66,9 |
5.853 |
59,6 |
1990 |
13.109 |
9.793 |
74,7 |
2.784 |
87,5 |
10.325 |
71,3 |
4.946 |
65,4 |
1995 |
10.685 |
8.071 |
75,5 |
2.757 |
86,9 |
7.928 |
71,6 |
3.820 |
66,0 |
2000 |
12.158 |
9.167 |
75,4 |
3.139 |
86,8 |
9.019 |
71,4 |
4.039 |
67,2 |
2002 |
13.046 |
10.007 |
76,7 |
3.106 |
89,0 |
9.940 |
72,9 |
4.465 |
68,3 |
Differenz der
Bewährungsraten 1997 - 2002 |
18,4 |
|
18,7 |
|
19,0 |
|
19,1 |
Legende:
Seit 1992 mit Gesamtberlin, aber ohne Hamburg. 1995
Niedersachsen: Ergebnisse aus 1994.
1) Nur Unterstellungen bei
hauptamtlichen Bewährungshelfern; auch mehrfache Unterstellungen eines
Probanden. Ohne Unterstellungen, die durch Einbeziehung in ein neues Urteil
beendet wurden.
2) Jahr der Beendigung der
Bewährungsaufsicht.
3) Erlass der Jugendstrafe,
Ablauf bzw. Aufhebung der Unterstellung, Tilgung des Schuldspruchs.
Datenquelle: Bewährungshilfestatistik. Seit 1992 Tabellen RB 30.H und RB 40 H (unveröffentlichte Daten des Statistischen Bundesamtes).
Schaubild
22: Bewährungsraten (allgemeines Strafrecht)
nach Strafaussetzung zur Bewährung.
Früheres Bundesgebiet mit Westberlin, seit 1992 mit Gesamtberlin.
Seit 1992 mit Gesamtberlin, aber ohne Hamburg. 1995 Niedersachsen: Ergebnisse aus 1994.
Auszüge aus dem Datenblatt zu Schaubild 22:
|
Beendete Unterstellungen unter
Bewährungsaufsicht1) nach allgemeinem Strafrecht |
||||||||
Jahr2) |
insgesamt |
Beendete Unterstellungen, abgeschlossen mit
Bewährung3) |
Bei den Bewährungsaufsichten, die beendet
wurden durch Bewährung (einschl. Aufhebung der Unterstellung) waren die
Probanden im Zeitpunkt der Straftat bereits früher |
||||||
nicht verurteilt |
verurteilt |
unter Bewährungs- oder Führungs-aufsicht |
|||||||
insg. |
Bew. |
insg. |
Bew. |
insg. |
Bew. |
insg. |
Bew. |
||
1977 |
10.111 |
5.156 |
51,0 |
1.699 |
66,7 |
8.412 |
47,8 |
4.232 |
44,9 |
1980 |
15.387 |
9.085 |
59,0 |
2.622 |
71,5 |
12.765 |
56,5 |
6.991 |
54,2 |
1985 |
21.978 |
14.216 |
64,7 |
3.212 |
79,7 |
18.766 |
62,1 |
10.939 |
58,2 |
1990 |
27.686 |
19.304 |
69,7 |
3.402 |
82,0 |
24.284 |
68,0 |
15.152 |
65,0 |
1995 |
29.498 |
20.421 |
69,2 |
3.690 |
81,8 |
25.808 |
67,4 |
18.348 |
65,5 |
2000 |
34.588 |
23.255 |
67,2 |
4.791 |
82,7 |
29.797 |
64,8 |
20.906 |
62,1 |
2002 |
36.737 |
25.022 |
68,1 |
5.170 |
83,0 |
31.567 |
65,7 |
22.288 |
63,3 |
Differenz
der Bewährungsraten 1997 - 2002 |
17,1 |
|
16,3 |
|
17,8 |
|
18,4 |
Legende:
Seit 1992 mit Gesamtberlin,
aber ohne Hamburg. 1995 Niedersachsen: Ergebnisse aus 1994.
1) Nur Unterstellungen bei hauptamtlichen Bewährungshelfern; auch
mehrfache Unterstellungen eines Probanden. Ohne Unterstellungen, die durch
Einbeziehung in ein neues Urteil beendet wurden.
2) Jahr der Beendigung der Bewährungsaufsicht.
3) Straferlass, Ablauf bzw. Aufhebung der Unterstellung.
Datenquelle: Bewährungshilfestatistik. Seit 1992 Tabellen RB 30.H und RB 40 H (unveröffentlichte Daten des Statistischen Bundesamtes).
Jehle, Jörg-Martin; Heinz, Wolfgang; Sutterer, Peter: Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen - Eine kommentierte Rückfallstatistik. Mönchengladbach 2003 http://www.bmj.de/media/archive/443.pdf
Heinz, Wolfgang: Die neue
Rückfallstatistik, ZJJ 2004, 35-48.
Zeitschrift
für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe 2004, 35-48.[pdf]
Heinz, Wolfgang: Zahlt sich Milde wirklich aus? Diversion und ihre Bedeutung für die Sanktionspraxis, Teil 1, ZJJ 2005,166-178, 302-312; Teil 2, ZJJ 2005, 302-312.
Heinz, Wolfgang:
Kriminalprävention auf justitieller Ebene: Hilft weniger mehr? Alternativen zu
”klassischen” Sanktionen – Erfahrungen aus Deutschland
www.uni-konstanz.de/rtf/kis/Heinz_Alternativen_zu_klassischen_Sanktionen.htm
Heinz, Wolfgang: Das strafrechtliche Sanktionensystem
und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 - 2004 (Stand: Berichtsjahr
2004) Version: 1/2006
<http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Heinz, Wolfgang:
Ambulante Sanktionen im Jugendstrafverfahren - aktuelle Konzeptionen und
empirische Befunde
<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/HeinzAmbulanteSanktionenimJugendstrafverfahrenThesen.htm>
Heinz, Wolfgang: Strafsanktionen
im deutschen Jugendstrafrecht - Ziel, Handhabung und Wirkungen. 12 Thesen.
<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/heinz-sanktionen-jugendstrafrecht-12-thesen.htm>
Heinz, Wolfgang:
Kriminalität von Deutschen nach Alter und Geschlecht im Spiegel von
Polizeilicher Kriminalstatistik und Strafverfolgungsstatistik. Konstanz 2004
<www.uni-konstanz.de/rtf/kik/krimdeu2002.pdf>
Heinz, Wolfgang:
Kriminalität in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Jugend- und
Gewaltkriminalität
<http://www.uni-konstanz.de/rtf/kik/Heinz_Kriminalitaet_in_Deutschland.htm>
Heinz, Wolfgang:
Jugendkriminalität in Deutschland. Kriminalstatistische und kriminologische
Befunde.
<www.uni-konstanz.de/rtf/kik/Jugendkriminalitaet.htm>
Heinz, Wolfgang: Kriminelle Jugendliche – gefährlich oder gefährdet?, Universitätsverlag Konstanz, Konstanz 2006.
Die Gesetzestexte sind herunterladbar unter www.gesetze-im-internet.de/aktuell.html
Erster Teil:
Anwendungsbereich
§ 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn
ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den
allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer
zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur
Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
§ 2 Anwendung des allgemeinen Rechts
Die allgemeinen Vorschriften
gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
Zweiter Teil:
Jugendliche
Erstes
Hauptstück Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
Erster
Abschnitt Allgemeine Vorschriften
§ 3 Verantwortlichkeit
Ein Jugendlicher ist
strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen
und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und
nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels
Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben
Maßnahmen anordnen wie der Familien- oder Vormundschaftsrichter.
§ 4 Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher
Ob die rechtswidrige Tat
eines Jugendlichen als Verbrechen oder Vergehen anzusehen ist und wann sie
verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts.
§ 5 Die Folgen der Jugendstraftat
(1) Aus Anlaß der Straftat
eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines
Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn
Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und
Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter
entbehrlich macht.
§ 6 Nebenfolgen
(1) Auf Unfähigkeit,
öffentliche Ämter zu bekleiden, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen oder
in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, darf nicht erkannt
werden. Die Bekanntgabe der Verurteilung darf nicht angeordnet werden.
(2) Der Verlust der
Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu
erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), tritt nicht ein.
§ 7 Maßregeln der Besserung und Sicherung
Als Maßregeln der Besserung
und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die
Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61
Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).
§ 8 Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe
(1) Erziehungsmaßregeln und
Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zuchtmittel können
nebeneinander angeordnet werden. Mit der Anordnung von Hilfe zur Erziehung nach
§ 12 Nr. 2 darf Jugendarrest nicht verbunden werden.
(2) Der Richter kann neben
Jugendstrafe nur Weisungen und Auflagen erteilen und die
Erziehungsbeistandschaft anordnen. Steht der Jugendliche unter
Bewährungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig bestehende Erziehungsbeistandschaft
bis zum Ablauf der Bewährungszeit.
(3) Der Richter kann neben
Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe auf die nach diesem Gesetz
zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkennen.
Zweiter
Abschnitt Erziehungsmaßregeln
§ 9 Arten
Erziehungsmaßregeln
sind
1.
die Erteilung von Weisungen,
2. die Anordnung, Hilfe zur
Erziehung im Sinne des § 12 in Anspruch zu nehmen.
§ 10 Weisungen
(1)
Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen
regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an
die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt
werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,
1.
Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2.
bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3.
eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4.
Arbeitsleistungen zu erbringen,
5.
sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu
unterstellen,
6. an
einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7.
sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen
(Täter-Opfer-Ausgleich),
8.
den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder
Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9. an einem Verkehrsunterricht
teilzunehmen.
(2) Der Richter kann dem
Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des
gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung
durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der
Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem
Einverständnis geschehen.
§ 11 Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen
Folgen der Zuwiderhandlung
(1) Der Richter bestimmt die
Laufzeit der Weisungen. Die Laufzeit darf zwei Jahre nicht überschreiten; sie
soll bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 nicht mehr als ein Jahr,
bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 nicht mehr als sechs Monate
betragen.
(2) Der Richter kann
Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis auf drei
Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist.
(3) Kommt der Jugendliche
Weisungen schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden, wenn
eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt war.
Hiernach verhängter Jugendarrest darf bei einer Verurteilung insgesamt die
Dauer von vier Wochen nicht überschreiten. Der Richter sieht von der
Vollstreckung des Jugendarrestes ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung des
Arrestes der Weisung nachkommt.
§ 12 Hilfe zur Erziehung
Der
Richter kann dem Jugendlichen nach Anhörung des Jugendamts auch auferlegen,
unter den im Achten Buch Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen Hilfe zur
Erziehung
1. in
Form der Erziehungsbeistandschaft im Sinne des § 30 des Achten Buches
Sozialgesetzbuch oder
2. in
einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform
im Sinne des § 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch
in Anspruch zu nehmen.
Dritter Abschnitt
Zuchtmittel
§ 13 Arten und Anwendung
(1) Der Richter ahndet die
Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem
Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für
das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.
(2)
Zuchtmittel sind
1.
die Verwarnung,
2.
die Erteilung von Auflagen,
3. der Jugendarrest.
(3) Zuchtmittel haben nicht
die Rechtswirkungen einer Strafe.
§ 14 Verwarnung
Durch die Verwarnung soll
dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden.
§ 15 Auflagen
(1)
Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen,
1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
3.
Arbeitsleistungen zu erbringen oder
4. einen Geldbetrag
zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
Dabei dürfen an den
Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
(2)
Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages nur anordnen, wenn
1.
der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und anzunehmen ist, daß er
den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf, oder
2. dem Jugendlichen der
Gewinn, den er aus der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten
hat, entzogen werden soll.
(3) Der Richter kann
nachträglich Auflagen ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder zum Teil
befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Bei schuldhafter
Nichterfüllung von Auflagen gilt § 11 Abs. 3 entsprechend. Ist Jugendarrest
vollstreckt worden, so kann der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für
erledigt erklären.
§ 16 Jugendarrest
(1) Der Jugendarrest ist
Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.
(2) Der Freizeitarrest wird
für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei
Freizeiten bemessen.
(3) Der Kurzarrest wird
statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus
Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die
Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage
Kurzarrest einer Freizeit gleich.
(4) Der Dauerarrest beträgt
mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder
Wochen bemessen.
Vierter
Abschnitt Die Jugendstrafe
§ 17 Form und Voraussetzungen
(1) Die Jugendstrafe ist
Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt.
(2) Der Richter verhängt
Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der
Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht
ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
§ 18 Dauer der Jugendstrafe
(1) Das Mindestmaß der
Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich
bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine
Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das
Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.
(2) Die Jugendstrafe ist so
zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
§ 19
(aufgehoben)
Fünfter
Abschnitt Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
§ 20
(aufgehoben)
§ 21 Strafaussetzung
(1) Bei der Verurteilung zu
einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt der Richter die Vollstreckung
der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche sich
schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung
des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit
künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Dabei sind namentlich
die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat,
sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu
berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Der Richter setzt unter
den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren
Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht
die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist.
(3) Die Strafaussetzung kann
nicht auf einen Teil der Jugendstrafe beschränkt werden. Sie wird durch eine
Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht
ausgeschlossen.
§ 22 Bewährungszeit
(1) Der Richter bestimmt die
Dauer der Bewährungszeit. Sie darf drei Jahre nicht überschreiten und zwei
Jahre nicht unterschreiten.
(2) Die Bewährungszeit
beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung der
Jugendstrafe. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem
Ablauf bis auf vier Jahre verlängert werden. In den Fällen des § 21 Abs. 2 darf
die Bewährungszeit jedoch nur bis auf zwei Jahre verkürzt werden.
§ 23 Weisungen und Auflagen
(1) Der Richter soll für die
Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen
erzieherisch beeinflussen. Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen.
Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Die
§§ 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend.
(2) Macht der Jugendliche
Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen
Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der
Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen vorläufig ab,
wenn die Erfüllung der Zusagen oder des Anerbietens zu erwarten ist.
§ 24 Bewährungshilfe
(1) Der Richter unterstellt
den Jugendlichen in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht
und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers. Er kann ihn auch einem
ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterstellen, wenn dies aus Gründen der
Erziehung zweckmäßig erscheint. § 22 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(2) Der Richter kann eine
nach Absatz 1 getroffene Entscheidung vor Ablauf der Unterstellungszeit ändern
oder aufheben; er kann auch die Unterstellung des Jugendlichen in der
Bewährungszeit erneut anordnen. Dabei kann das in Absatz 1 Satz 1 bestimmte
Höchstmaß überschritten werden.
(3) Der Bewährungshelfer
steht dem Jugendlichen helfend und betreuend zur Seite. Er überwacht im
Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der Weisungen, Auflagen, Zusagen und
Anerbieten. Der Bewährungshelfer soll die Erziehung des Jugendlichen fördern
und möglichst mit dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter
vertrauensvoll zusammenwirken. Er hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht
auf Zutritt zu dem Jugendlichen. Er kann von dem Erziehungsberechtigten, dem
gesetzlichen Vertreter, der Schule, dem Ausbildenden Auskunft über die Lebensführung
des Jugendlichen verlangen.
§ 25 Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers
Der Bewährungshelfer wird
vom Richter bestellt. Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach § 24 Abs. 3
Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des
Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Gröbliche oder
beharrliche Verstöße gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten teilt
er dem Richter mit.
§ 26 Widerruf der Strafaussetzung
(1)
Der Richter widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche
1. in
der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung,
die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und
Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der
Besorgnis gibt, daß er erneut Straftaten begehen wird, oder
3. gegen Auflagen gröblich
oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt
entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die
Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen worden ist.
(2)
Der Richter sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht
1.
weitere Weisungen oder Auflagen zu erteilen,
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit bis zu einem Höchstmaß von vier Jahren
zu verlängern oder
3. den Jugendlichen vor
Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen.
(3) Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Weisungen,
Auflagen, Zusagen oder Anerbieten (§ 23) erbracht hat, werden nicht erstattet.
Der Richter kann jedoch, wenn er die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die
der Jugendliche zur Erfüllung von Auflagen oder entsprechenden Anerbieten
erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen.
§ 26a Erlaß der Jugendstrafe
Widerruft der Richter die
Strafaussetzung nicht, so erläßt er die Jugendstrafe nach Ablauf der
Bewährungszeit. § 26 Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden.
Sechster
Abschnitt Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
§ 27 Voraussetzungen
Kann nach Erschöpfung der
Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der
Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang
hervorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der
Richter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die
Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit
aussetzen.
§ 28 Bewährungszeit
(1) Die Bewährungszeit darf
zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten.
(2) Die Bewährungszeit
beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, in dem die Schuld des Jugendlichen
festgestellt wird. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor
ihrem Ablauf bis auf zwei Jahre verlängert werden.
§ 29 Bewährungshilfe
Der Jugendliche wird für die
Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines
Bewährungshelfers unterstellt. Die §§ 23, 24 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3
und die §§ 25, 28 Abs. 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.
§ 30 Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs
(1) Stellt sich vor allem
durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit heraus, daß
die in dem Schuldspruch mißbilligte Tat auf schädliche Neigungen von einem
Umfang zurückzuführen ist, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so erkennt
der Richter auf die Strafe, die er im Zeitpunkt des Schuldspruchs bei sicherer
Beurteilung der schädlichen Neigungen des Jugendlichen ausgesprochen hätte.
(2) Liegen die
Voraussetzungen des Absatzes 1 nach Ablauf der Bewährungszeit nicht vor, so
wird der Schuldspruch getilgt.
Siebenter Abschnitt Mehrere Straftaten
§ 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen
(1) Auch wenn ein
Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt der Richter nur einheitlich
Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses
Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel
nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die
gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht
überschritten werden.
(2) Ist gegen den
Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld
festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine
Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt,
verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher
Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung
bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Richters, wenn er auf
Jugendstrafe erkennt.
(3) Ist es aus
erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann der Richter davon absehen, schon
abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann er
Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn er auf
Jugendstrafe erkennt.
§ 32 Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen
Für mehrere Straftaten, die
gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils
allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht,
wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu
beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine
Strafrecht anzuwenden.
Zweites Hauptstück: Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren
….
§ 45 Absehen von der Verfolgung
(1) Der Staatsanwalt kann
ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die
Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.
(2) Der Staatsanwalt sieht
von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt
oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3
noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen
Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem
Verletzten zu erreichen.
(3) Der Staatsanwalt regt
die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7
und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig
ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für
erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht
der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung
ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der
Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind
nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.
§ 47 Einstellung des Verfahrens durch den Richter
(1)
Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn
1.
die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,
2.
eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung
durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,
3.
der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den
geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme
anordnet oder
4. der Angeklagte mangels
Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
In den Fällen von Satz 1 Nr.
2 und 3 kann der Richter mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren
vorläufig einstellen und dem Jugendlichen eine Frist von höchstens sechs
Monaten setzen, binnen der er den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen
Maßnahmen nachzukommen hat. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der
Beschluß ist nicht anfechtbar. Kommt der Jugendliche den Auflagen, Weisungen
oder erzieherischen Maßnahmen nach, so stellt der Richter das Verfahren ein. §
11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden.
(2) Die Einstellung bedarf
der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen
Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der
Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht
anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon
Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.
(3) Wegen derselben Tat kann
nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben
werden.
§
153 Bagatellsachen
(1)
Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft
mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts
von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen
wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung
des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im
Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten
Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann
das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes
1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren
einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die
Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden
kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner
Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der
Beschluß ist nicht anfechtbar.
§
153a Einstellung bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung
des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die
Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der
öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und
Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der
Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.
Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine
bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der
Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu
erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum
überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu
erstreben, oder
6.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder § 4 Abs. 8 Satz 4
des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt
die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des
Satzes 2 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes
2 Nr. 4 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und
Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei
Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und
Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die
Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt
werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden
Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs.
1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 bis 5 entsprechend.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann
das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das
Verfahren bis zum Ende der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen
Feststellungen letztmals geprüft werden können, vorläufig einstellen und
zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen
und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Die
Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht
anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte
Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die
Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
§
153b Absehen von Klage - Einstellung
(1) Liegen die Voraussetzungen vor, unter
denen das Gericht von Strafe absehen könnte, so kann die Staatsanwaltschaft mit
Zustimmung des Gerichts, das für die Hauptverhandlung zuständig wäre, von der
Erhebung der öffentlichen Klage absehen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann
das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen.
§
31a Absehen von der Verfolgung
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen nach §
29 Abs. 1, 2 oder 4 zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft von der
Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein
öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die
Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut,
herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise
verschafft oder besitzt. Von der Verfolgung soll abgesehen werden, wenn der
Täter in einem Drogenkonsumraum Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch,
der nach § 10a geduldet werden kann, in geringer Menge besitzt, ohne zugleich
im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.
(2)
Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens
unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft
und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des
Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 der
Strafprozeßordnung angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in
den Fällen des § 231 Abs. 2 der Strafprozeßordnung und der §§ 232 und 233 der
Strafprozeßordnung in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung
ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
§
37 Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage
(1) Steht ein Beschuldigter in Verdacht,
eine Straftat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen zu haben,
und ist keine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu
erwarten, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung
des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts vorläufig von der Erhebung der
öffentlichen Klage absehen, wenn der Beschuldigte nachweist, daß er sich wegen
seiner Abhängigkeit der in § 35 Abs. 1 bezeichneten Behandlung unterzieht, und
seine Resozialisierung zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft setzt Zeitpunkte
fest, zu denen der Beschuldigte die Fortdauer der Behandlung nachzuweisen hat.
Das Verfahren wird fortgesetzt, wenn
1.
die Behandlung nicht bis zu ihrem vorgesehenen Abschluß fortgeführt
wird,
2.
der Beschuldigte den nach Satz 2 geforderten Nachweis nicht führt,
3.
der Beschuldigte eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die
Erwartung, die dem Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage zugrunde
lag, sich nicht erfüllt hat, oder
4.
auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel eine Freiheitsstrafe von
mehr als zwei Jahren zu erwarten ist.
In den Fällen des Satzes 3 Nr. 1, 2 kann
von der Fortsetzung des Verfahrens abgesehen werden, wenn der Beschuldigte
nachträglich nachweist, daß er sich weiter in Behandlung befindet. Die Tat kann
nicht mehr verfolgt werden, wenn das Verfahren nicht innerhalb von zwei Jahren
fortgesetzt wird.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann
das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren bis zum Ende
der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft
werden können, vorläufig einstellen. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren
Beschluß. Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Unanfechtbar ist auch eine
Feststellung, daß das Verfahren nicht fortgesetzt wird (Abs. 1 Satz 5).
(3) Die in § 172 Abs. 2 Satz 3, § 396 Abs.
3 und § 467 Abs. 5 der Strafprozeßordnung zu § 153a der Strafprozeßordnung
getroffenen Regelungen gelten entsprechend.
* * *
[Konstanzer Inventar] [Institut für
Rechtstatsachenforschung] [Fachbereich Rechtswissenschaft] [Lehrstuhl Prof.
Wolfgang Heinz] [Universität Konstanz]
f:\he\heinz-sanktionen-jugendstrafrecht-24-thesen.htm * heinz-sanktionen-jugendstrafrecht-24-thesen.htm GS
2007-01-16
[1] Shakespeare, Das Wintermärchen, 3. Akt, 3. Szene (in der Übersetzung von Dorothea Tieck).
[2] Verhandlungen des Reichstags. XII. Legislaturperiode. II. Session. Band 270. Anlage zu den Stenographischen Berichten. Nr. 7, Begründung, S. 32 f.
[3] Bundesministerium des Innern; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Erster Periodischer Sicherheitsbericht, Berlin 2001, S. 611 <http://www.uni-konstanz.de/rtf/ki/psb-2001.htm>.
[4] Liszt, Franz von: Die Kriminalität der Jugendlichen, in: Liszt, Franz von: Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Band 2, Berlin 1905, S. 338 f.
[5] Dölling, Mehrfach auffällige junge Straftäter, ZBl 1989, S. 318.
[6] Heinz, Zahlt sich Milde wirklich aus?, Diversion und ihre Bedeutung für die Sanktionspraxis, ZJJ 2005,166 ff., 302 ff.
[7] Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (1. JGG-ÄndG) vom 30.8.1990 (BGBl. I S. 1853).
[8] Entwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (1. JGGÄndG) vom 27.11.1989 (BT-Drucksache 11/5829), S. 1.
[9] Erster Periodischer Sicherheitsbericht, Berlin 2001 (Anm. 3), S. 612.
[10] Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, Berlin 2006, S. 407
<http://www.uni-konstanz.de/rtf/ki/links.htm>
[11]
Vgl. die Vorschläge der beiden
Reformkommissionen der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und
Jugendgerichtshilfen (DVJJ). Die Ergebnisse der ersten DVJJ-Kommission, deren
Vorschläge Gegenstand der Beratungen auf dem Jugendgerichtstag 1992 waren, sind
veröffentlicht in: DVJJ-Kommission zur Reform des Jugendkriminalrechts,
DVJJ-Journal 1992, S. 9 ff.; hierzu vor allem Schüler-Springorum, Horst:
Einführung in die Vorschläge der Reformkommission, in: DVJJ (Hrsg.): Jugend im
sozialen Rechtsstaat, 1996, S. 47 ff. In diesem Tagungsband sind auch die
Beratungen über die Reformvorschläge abgedruckt. Der Abschlussbericht der
zweiten, 1999 eingesetzten DVJJ-Reformkommission wurde 2002 veröffentlicht
(DVJJ-Journal 2002, S. 227 ff.; ausführlich vor allem Ostendorf, Heribert: Weiterführung
der Reform des Jugendstrafrechts. Vorschläge der 2. Jugendstrafrechtsreformkommission
der DVJJ, Strafverteidiger 2002, S. 436 ff.).
Vgl. ferner das 1993 vom Bundesvorstand der Arbeiterwohlfahrt veröffentlichte
Diskussionspapier zur Reform des Jugendhilfe- und des Jugendkriminalrechts
(vgl. hierzu: Frommel, Monika; Maelicke, Bernd: Für ein normverdeutlichendes
und liberalrechtsstaatliches Jugendstrafrecht, Neue Kriminalpolitik 1994, S. 28
ff.; hierzu Dünkel, Frieder: Jugendhilfe- und/oder Jugendstrafrecht.
Anmerkungen zu den Vorschlägen der Arbeiterwohlfahrt für ein neues
Jugendstrafrecht, Neue Kriminalpolitik 1995, S. 22 ff.; Merkle, Tobias;
Newinger, Beate; Risse, Karen; Skrobanek, Irene: Vergleich der Reformvorschläge
der DVJJ und der AWO zum Jugendkriminalrecht, DVJJ-Journal 5, 1994, S. 1 ff.)
[12] Vgl. die Resolutionen des 1. Bundestreffens der Jugendrichter/innen und Jugendstaatsanwälte/innen vom 8. bis 10. Dezember 1993 in Villingen-Schwenningen (DVJJ-Journal 1993, S. 320 f.). Vgl. ferner Walter, Michael: Die Krise der Jugend und die Antwort des Strafrechts, ZStW 2001, S. 743 ff., ferner die Referate auf dem 64. Deutschen Juristentag, abgedruckt in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des vierundsechzigsten Deutschen Juristentages, München 2002 (Albrecht, Hans-Jörg: Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäß?, Band I, Teil D; Landau, Herbert: Referat, Band II/1, N37 ff.; Ludwig, Heike: Referat, Band II/1, N9 ff.; Streng, Franz: Referat, Band II/1, N69 ff.; ferner den Bericht zur Strafrechtlichen Abteilung von Sabaß, Verena: Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäß?, MSchrKrim 2003, S. 221 ff.) sowie die im Vorfeld des Deutschen Juristentags veröffentlichten Stellungnahmen (Brunner, Rudolf: Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäß?, Kriminalistik 2002, S. 418; Goerdeler, Jochen; Sonnen, Bernd-Rüdeger: Das jugendstrafrechtliche Rechtsfolgensystem in der Reform, ZRP 2002, S. 347 ff.; Grunewald, Ralph: Der Individualisierungsauftrag des Jugendstrafrechts, NStZ 2002, S. 452 ff.; Kornprobst, Hans: Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäß?, JR 2002, S. 309 ff.; Geisler, Claudius: Reformbedarf im Jugendstrafrecht?, NStZ 2002, S. 449 ff.; Heinz, Wolfgang: Entwicklung der Kriminalität junger Menschen – Anlass für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts?, DVJJ-Journal 3/2002, S. 277 ff.; Heinz, Wolfgang: Kinder- und Jugendkriminalität – ist der Strafgesetzgeber gefordert?, ZStW 2002, S. 519 ff.; Kreuzer; Arthur: Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäß?, NJW 2002, S. 2345 ff.; Laubenthal, Klaus: Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäß?, JZ 2002, S. 807 ff.; Walter, Michael: Das Jugendkriminalrecht in der öffentlichen Diskussion: Fortentwicklung oder Kursänderung zum Erwachsenenstrafrecht, GA 2002, S. 431 ff.).
[13] Vgl. die „Erklärung über die Gegenreform im Jugendstrafrecht“ von 52 Jugendstrafrechtsprofessoren und Kriminologen in der Bundesrepublik Deutschland (abgedruckt in DVJJ-Journal 1998, S. 203 ff.).