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Konstanzer Inventar Sanktionsforschung |
Wolfgang Heinz:
Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 - 2004
Stand: Berichtsjahr 2004 Version: 1/2006
Originalpublikation im Konstanzer Inventar Sanktionsforschung 2006
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Heinz, Wolfgang: Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis
in Deutschland 1882 - 2004
(Stand:
Berichtsjahr 2004)
Internet-Publikation: <www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.pdf>
Version 1/2006
Aktualisierte Fassungen jeweils unter <www.uni-konstanz.de/rtf/kis/>
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I. Das Sanktionensystem des deutschen Strafrechts
1. Strafrecht und Strafe im Wandel
2. Die Sanktionenrechtsreform im Überblick
2.1.1 Materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Entkriminalisierung
2.1.2 Verfahrensrechtliche Entkriminalisierung durch Einschränkung des Legalitätsprinzips
2.2 Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems
2.2.1 Sanktionenrechtsreform im StGB
2.2.2 Sanktionenrechtsreform im JGG
3. Das derzeitige Sanktionensystem des StGB und des JGG
3.1 Das gegenwärtige System der Rechtsfolgen im allgemeinen Strafrecht
3.1.2 Verwarnung mit Strafvorbehalt
3.2 Das gegenwärtige Sanktionensystem des Jugendstrafrechts
3.2.1 Jugendstrafrecht als Sonderstrafrecht für junge Menschen
3.2.2 Das gegenwärtige Rechtsfolgensystem des Jugendstrafrechts
II. Beschreibung und Analyse der Sanktionierungspraxis anhand der amtlichen Rechtspflegestatistiken
1. Die amtlichen Rechtspflegestatistiken als Datenquellen
2. Aussagemöglichkeiten und Aussagegrenzen der amtlichen Rechtspflegestatistiken
2.1 Probleme der Vergleichbarkeit der Ergebnisse von StA-Statistik und StVStat
2.2 Grenzen der Aussagemöglichkeiten aufgrund der Datenlage
2.2.1 Staatsanwaltschafts-Statistik
2.2.2 Strafverfolgungsstatistik
2.2.3 Justizgeschäftsstatistik in Strafsachen
2.2.4 Bewährungshilfestatistik
2.4 Folgerungen für die Zeitreihenanalyse
3. Sanktionierungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland - räumlicher Bezug der Beschreibung
III. Entwicklung der Sanktionierungspraxis in Deutschland seit 1882
1.1 Zurückdrängung stationärer zugunsten ambulanter Sanktionen
1.2 Bedeutungsgewinn informeller Sanktionen im allgemeinen Strafrecht und im Jugendstrafrecht
1.3 Abgeurteilte und Verurteilte
2. Entwicklung und Stand der Sanktionierungspraxis im allgemeinen Strafrecht
2.2.1 Bedeutungsgewinn der Geldstrafe
2.2.2 Zurückdrängung der Freiheitsstrafen
2.2.3 Bedeutungsgewinn von Strafaussetzung zur Bewährung und Bewährungshilfe
3. Entwicklung und Stand der Sanktionierungspraxis im Jugendstrafrecht
3.1 Durch Jugendgerichte verurteilte Jugendliche und Heranwachsende
3.3.1 Bedeutungsgewinn ambulanter Massnahmen
3.3.2 Die formellen Sanktionen im Einzelnen
5. Europäischer pönologischer Vergleich
IV. Entwicklung der Massregelpraxis in Deutschland
1. Freiheitsentziehende Massregeln der Besserung und Sicherung
2. Ambulante Massregeln der Besserung und Sicherung
Weiterführende Literatur des Verfassers:
Schaubilder und Tabellen:
Figures and Tables are also available with subtitles and explanations in english (click here)
Schaubild 1: Strafrechtliche Folgen (nach StGB)
Schaubild 2: Strafrechtliche Folgen (nach JGG)
Schaubild 3: Entwicklung der Sanktionierungspraxis insgesamt (Zeitreihe)
Schaubild 4: Informell und formell Sanktionierte, abs. Zahlen (Zeitreihe)
Schaubild 5: Informell und formell Sanktionierte, in % der Sanktionierten (Zeitreihe)
Schaubild 6: Nach Allgemeinem Strafrecht informell und formell Sanktionierte
Schaubild 7: Entwicklung der Sanktionspraxis im Allgemeinen Strafrecht
Schaubild 8: Diversionsraten (StA und Gerichte) im Allg. Strafrecht (Zeitreihe)
Schaubild 9: Diversionsraten (StA und Gerichte) in Verf. nach Allg. Strafrecht, nach Ländern, 2003
Schaubild 10: Entwicklung der Sanktionspraxis im Allg. Strafrecht (Zeitreihe)
Schaubild 11: Geldstrafe nach der Zahl der Tagessätze (Zeitreihe)
Schaubild 12: Geldstrafe nach der Höhe der Tagessätze (Zeitreihe)
Schaubild 16: Aussetzungsraten bei den nach Allg. Strafrecht verhängten Freiheitsstrafen (Zeitreihe)
Schaubild 20: Untersuchungsgefangene nach Art der Sanktion (Allg. Strafrecht) (Zeitreihe)
Schaubild 21: Durch die Jugendgerichte Verurteilte (Zeitreihe)
Schaubild 22: Nach Jugendstrafrecht informell und formell Sanktionierte (Zeitreihe)
Schaubild 23: Die strafrechtliche Behandlung der Heranwachsenden (Zeitreihe)
Schaubild 24: Die strafrechtliche Behandlung der Heranwachsenden, nach Hauptdeliktsgruppen
Schaubild 25: Diversionsraten (StA und Gerichte) im Jugendstrafrecht
Schaubild 26: Entwicklung der Sanktionspraxis im Jugendstrafrecht
Schaubild 29: Diversionsraten im Jugendstrafrecht, nach Ländern.
Schaubild 30: Entwicklung der Sanktionspraxis im Jugendstrafrecht
Schaubild 31: Ambulante Sanktionen nach Jugendstrafrecht
Schaubild 32: Nach Jugendstrafrecht zu Erziehungsmassregeln Verurteilte (Zeitreihe)
Schaubild 33: Nach Jugendstrafrecht zu Zuchtmitteln Verurteilte (Zeitreihe)
Schaubild 34: Nach Jugendstrafrecht zu Auflagen Verurteilte (Zeitreihe)
Schaubild 35: Nach Jugendstrafrecht zu Jugendarrest Verurteilte (Zeitreihe)
Schaubild 36: Dauer der Jugendstrafen (Zeitreihe)
Schaubild 37: Dauer der Jugendstrafen (Zeitreihe)
Schaubild 38: Aussetzungsraten bei Jugendstrafen (Zeitreihe)
Schaubild 39: Beendete Bewährungsaufsichten nach früherer Verurteilung der Probanden
Schaubild 40: Durch Bewährung beendete Bewährungsaufsichten
Schaubild 41: Untersuchungsgefangene nach Art der Sanktion (Jugendstrafrecht)
Schaubild 42: Dauer der nach Allg./nach Jugendstrafrecht verhängten Freiheitsstrafen
Schaubild 43: Freiheitsentziehende Strafen nach Jugend- und nach Allgem. Strafrecht (Zeitreihe)
Schaubild 44: Dauer der nach Allg./nach Jugendstrafrecht verhängten Freiheitsstrafen (Zeitreihe)
Schaubild 45: Gefangene in westeuropäischen Staaten
Das materielle Strafrecht, das die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Straftatfolgen regelt, ist im Strafgesetzbuch (StGB)*, in strafrechtlichen Hauptgesetzen (Jugendgerichtsgesetz, Wehrstrafgesetz) und in zahlreichen Nebengesetzen (z.B. Abgabenordnung, Betäubungsmittelgesetz, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Strassenverkehrsgesetz, Urheberrechtsgesetz, Waffengesetz) geregelt. Quantitativ dominieren freilich die Deliktstatbestände des StGB das Bild der Kriminalität und der Sanktionierungspraxis, denn die weit überwiegende Zahl aller Verurteilungen erfolgt wegen Verbrechen und Vergehen des StGB. So wurden z.B. 2004 775 802 Personen verurteilt, davon 80,3% gem. StGB (darunter waren indes 19,3% Vergehen im Strassenverkehr), weitere 6,0% entfielen auf nach Strassenverkehrsgesetz strafbare Verkehrsdelikte, 13,7% auf strafrechtliche Nebengesetze .
Das geltende StGB geht zurück auf das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871. Aufgrund einer Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat als Folge der Betonung verfassungsrechtlicher und menschenrechtlicher Grenzen des Strafrechts haben sich freilich die traditionellen Auffassungen von Strafrecht und Kriminalität grundlegend gewandelt. Mit Jescheck (Einführung, in: dtv-Textausgabe StGB, 39. Aufl., 2004, S. XII f.) lässt sich das Ergebnis dieses Wandels folgendermassen beschreiben: "Die Erkenntnis, dass das Strafrecht nur ein Mittel der sozialen Kontrolle neben anderen ist und wegen der mit seiner Anwendung verbundenen tiefen Eingriffe in Freiheit, Ansehen und Einkommen der Betroffenen und wegen der daraus folgenden sozialen Nachteile möglichst sparsam verwendet werden sollte, hat sich weitgehend durchgesetzt. Zugleich ist durch die vielfältigen ideologischen Angriffe auf alle repressiven Institutionen des Staates als Gegeneffekt die Überzeugung gewachsen, dass nur ein am Schuldprinzip orientiertes Strafrecht den Schutz der Allgemeinheit in Freiheit ermöglicht, weil allein ein solches Recht den Menschen als verantwortlichen Mitbürger betrachtet, indem es durch Gebot und Sanktion an seine Einsicht und seine Disziplin appelliert, aber damit auch ernst macht. Auch die Notwendigkeit der Beschränkung des Strafrechts durch die Grundsätze des Rechtsstaats und die Erkenntnis, dass nicht alles, was für die Behandlung von Rechtsbrechern zweckmässig erscheint, auch gerecht ist, sind heute Allgemeingut geworden. Allmählich beginnt man ferner zu verstehen, dass die Humanität als Grundlage der Kriminalpolitik nicht mehr nur eine Angelegenheit des Idealismus von einzelnen ist, die sich dieser Sache aus Mitgefühl annehmen, sondern auch eine Frage der Mitverantwortung der Gesellschaft für die Kriminalität, und dass die Sorge um den Rechtsbrecher nicht eine Gnade, sondern ein verbindlicher Auftrag des Sozialstaats ist. Endlich wird die Strafrechtspflege selbst - viel stärker als früher - nicht mehr nur als Instanz für die Verwirklichung der Gerechtigkeit verstanden, sondern auch als eine soziale Aufgabe, die durch die Art und Weise ihrer Erfüllung dem straffälligen Menschen eine Lebenshilfe geben soll. Dabei wird die Wirksamkeit der Strafrechtspflege nicht so sehr in dem statistischen Nachweis von Erfolgen bei der Resozialisierung von Straftätern gesehen als vielmehr in einer Ausgestaltung der gesamten kriminalrechtlichen Tätigkeit des Staates, die sich mit dem geschärften sozialen Gewissen unserer Zeit vereinbaren lässt. Die neueste Entwicklung der Kriminalität hat freilich auch der verständnisbereiten Allgemeinheit gezeigt, dass zur Bekämpfung der Gewaltdelikte, der Sexualstraftaten, insbesondere an Kindern, der Brandstiftung an Asylanten- und Ausländerheimen, des Auftretens von bewaffneten Schlägertrupps, des Einbruchsdiebstahls in Wohnungen und der organisierten Kriminalität Freiheitsstrafen und freiheitsentziehende Massregeln voll eingesetzt werden müssen, ohne die Resozialisierungsaufgabe des Strafvollzugs aus den Augen zu verlieren. Die Grundstimmung der Bevölkerung beginnt in Richtung auf eine Verschärfung der Kriminalpolitik umzuschlagen und die grossen politischen Parteien scheinen sich dem anzuschliessen."
Leitend für die Ausgestaltung des Sanktionensystems waren vor allem die beiden zentralen verfassungsrechtlichen Prinzipien, das Rechts- und das Sozialstaatsprinzip.
· Aus dem Rechtsstaatsprinzip werden die für die Strafgesetzgebung zentralen Grundsätze der Geeignetheit der Mittel, der Verhältnismässigkeit sowie das Subsidiaritätsprinzip abgeleitet. Diese Leitprinzipien einer rationalen Strafgesetzgebung sind nicht nur für die Frage entscheidend, ob und inwieweit ein Verhalten unter Strafe gestellt werden soll, sondern auch dafür, welche Sanktionen angedroht werden. Bestimmen Eignung und Erforderlichkeit den Einsatz der Strafe, dann führt nicht jede schuldhafte Tatbestandsverwirklichung zwingend zur - durch das Mass der Schuld begrenzten - Bestrafung, wie dies für das Vergeltungsstrafrecht selbstverständlich war: "Wo Strafe nicht erforderlich ist, kann, wo sie schädlich ist, sollte nach Möglichkeit auf sie verzichtet werden" (Schäfer, Gerhard: Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl., München 2001, Rdnr. 4). Strafrecht ist danach nicht nur ultima ratio im Instrumentarium des Gesetzgebers, sondern muss mit seinen Sanktionen auch geeignetes Mittel zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks sein, wobei das verfassungsrechtliche Gebot des sinn- und massvollen Strafens zu beachten ist (vgl. Heinz: Kriminalpolitik an der Wende zum 21. Jahrhundert: Taugt die Kriminalpolitik des ausgehenden 20. Jahrhunderts für das 21. Jahrhundert? Bewährungshilfe 2000, 131 ff.).
· Das Sozialstaatsprinzip verlangt von der Gemeinschaft "staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind" (BVerfGE 35, 202, [235]). Das (Re-)Sozialisierungsziel des Strafrechts folgt danach aus der verfassungsrechtlichen Anerkennung der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip. Die Bedeutung dieses Prinzips erschöpft sich damit nicht in der Bestimmung des Vollzugsziels und in der Ausgestaltung eines (behandlungsorientierten) Vollzugs, sondern prägt die Ausgestaltung des strafrechtlichen Sanktionensystems insgesamt.
Dem Wandel im Verständnis der Aufgaben des Strafrechts entspricht es, dass das Recht der Sanktionen tiefgreifende Änderungen und Ergänzungen erfahren hat. Zum einen wurde das System der dem Schuldausgleich dienenden Strafen durch eine "zweite Spur" ergänzt, das System der Massregeln der Besserung und Sicherung. Zum zweiten wurde, entsprechend der Einsicht, dass Strafrecht nur ultima ratio sein kann, das Strafrecht auf materiellrechtlichem, vor allem aber auf verfahrensrechtlichem Wege entkriminalisiert. Zum dritten wurde das Strafensystem selbst grundlegend geändert, um es mit der kriminalpolitischen Grundkonzeption in Übereinstimmung zu bringen.
Der Forderung nach Entkriminalisierung als Ausdruck des ultima ratio-Gedankens hat der deutsche Gesetzgeber zum einen durch eine materiell-rechtliche, zum anderen durch eine verfahrensrechtliche Entkriminalisierung Rechnung getragen.
· Die materiell-rechtliche Lösung besteht darin, dass zahlreiche Rechtsverletzungen von geringerer Bedeutung nicht bestraft, sondern als Ordnungswidrigkeiten mit nicht-krimineller Geldbusse nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) geahndet werden. Die klassische Dreiteilung des RStGB in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen wurde zum 1.1.1975 aufgehoben und durch die Dichotomie von Verbrechen und Vergehen ersetzt. Die bisherigen Übertretungen wurden teils zu Vergehen hochgestuft, überwiegend aber zu Ordnungswidrigkeiten heruntergestuft. Ordnungswidrigkeiten kennzeichnen ein sozial unerwünschtes, das soziale Leben störendes Verhalten, das aber nicht so bedeutsam ist, dass es bereits als strafwürdig und strafbedürftig anzusehen wäre. Wegen Ordnungswidrigkeiten können keine Kriminalstrafen, sondern lediglich Geldbussen (§§ 17 f. OWiG) verhängt werden.
· Die verfahrensrechtliche Lösung besteht zum einen in der Einschränkung der für die Staatsanwaltschaft bestehenden Anklagepflicht durch das Opportunitätsprinzip, wonach die Anklage in bestimmten Fällen in das Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellt wird (entsprechende Möglichkeiten, von einer Verurteilung abzusehen und das Verfahren einzustellen, wurden auch dem Gericht eingeräumt), zum anderen im Strafantragserfordernis im Bereich der leichten Kriminalität. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass derartige Fälle meist nicht zu einem Strafantrag führen, sondern auf zivilrechtlichem oder aussergerichtlichem Wege erledigt werden.
In der Reichsstrafprozessordnung von 1877 war das Legalitätsprinzip (Verfolgungs- und Anklagezwang für die Staatsanwaltschaft) nahezu ausnahmslos zur Anerkennung gelangt. Es bildete das verfahrensrechtliche Korrelat zur damals herrschenden Vergeltungsidee, derzufolge der Staat zur Verwirklichung absoluter Gerechtigkeit jede Straftat auch zu bestrafen hatte. Mit dem allmählichen Vordringen general- und spezialpräventiver Auffassungen, die die Bestrafung an ihre gesellschaftliche Notwendigkeit und Zweckmässigkeit im Hinblick auf Kriminalitätsverhütung und Rückfallverhinderung knüpften, verlor das Legalitätsprinzip einen Grossteil seiner ursprünglichen Berechtigung. Denn es forderte eine Strafverfolgung auch in jenen Fällen, in denen eine Strafe weder zur Abschreckung potentieller Täter noch zur Einwirkung auf den jeweiligen Täter notwendig und geboten war, ja sogar dann, wenn eine Bestrafung zur Erreichung des Ziels der Legalbewährung kontraproduktiv erschien.
Erstmals im JGG von 1923 wurde das Legalitätsprinzip, und zwar gestützt auf spezialpräventive Annahmen, eingeschränkt. In den Jugendgerichtsgesetzen von 1943 und von 1953 wurden diese Einstellungsmöglichkeiten (Subsidiaritätsprinzip) weiter ausgebaut (vgl. Heinz: Diversion im Jugendstrafverfahren der Bundesrepublik Deutschland, in: Heinz/Storz: Diversion im Jugendstrafverfahren der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1992, 15 ff.). Durch das EGStGBÄndG von 1974 wurden auch die Heranwachsenden in den Anwendungsbereich der §§ 45, 47 JGG einbezogen.
Im allgemeinen Strafverfahrensrecht wurde das Legalitätsprinzip erstmals durch die - nach dem damaligen Justizminister benannte - Emmingersche Verordnung von 1924 eingeschränkt. Seitdem wurde das Opportunitätsprinzip vom Gesetzgeber immer weiter ausgebaut. Überlastung mit Bagatelldelikten, Flexibilität der prozessualen Entkriminalisierung, Vermeidung von stigmatisierenden Begleitschäden machten diese "informelle Erledigungsmöglichkeit" (Diversion) auch im allgemeinen Strafrecht attraktiv. Durch das EGStGB von 1974 wurde mit § 153a StPO auch im allgemeinen Strafrecht erstmals die Möglichkeit geschaffen, das Strafverfahren bei Erfüllung von Auflagen oder Weisungen einzustellen. Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 erweiterte die eine Konzentration des Prozessstoffes ermöglichenden §§ 154, 154a StPO wesentlich; insbesondere bei Grossverfahren ist eine Einstellung auch dann noch möglich, wenn die Rechtsfolge der einzustellenden Tat beträchtlich ins Gewicht fallen würde. Die Vorschriften der §§ 153 ff. StPO wurden 1993 durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz erneut erweitert. Hierdurch sollte "der Praxis die Möglichkeit (gegeben werden), auch im Bereich der mittleren Kriminalität von der Erhebung der öffentlichen Klage gegen Auflagen und Weisungen abzusehen" (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 27.9.1991, BT-Drs. 12/1217, S. 34). Der Katalog der zulässigen Massnahmen wurde 1998 durch die Aufnahme der für verkehrsauffällige Kraftfahrer bestimmten Nachschulung (Aufbauseminar) sowie 1999 durch die des Täter-Opfer-Ausgleichs erweitert. Durch das Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs von 1999 wurde der bisher abschliessende Katalog der Massnahmen geöffnet und dadurch die „Möglichkeit einer Einstellung des Strafverfahrens ... erweitert (Begründung zum Entwurf vom 29.10.1999, BT-Drs. 14/1928, S. 1).
Die rechtsphilosophische Grundlage des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich (RStGB) von 1871 war von der in den Dienst der Generalprävention gestellten strengen Vergeltungsidee der Philosophie Kants und Hegels bestimmt. Gesichtspunkte der Spezialprävention fanden so gut wie keine Berücksichtigung. Das Sanktionensystem bildeten Todesstrafe, ferner vier verschiedene, nach ihrer Schwere abgestufte Arten von Freiheitsstrafe (Zuchthaus, Gefängnis, Festungshaft [ab 1953: Einschliessung] und Haft) sowie die Geldstrafe. Das Schwergewicht des Strafensystems lag bei den Freiheitsstrafen. Das RStGB enthielt keine Massregeln, es kannte keine Strafaussetzung und bot auch sonst kaum Möglichkeiten für eine resozialisierende Einwirkung auf den Straftäter. Unter dem Einfluss der modernen Strafrechtsschule, die für ein präventiv orientiertes Strafrecht eintrat, wurde das RStGB allmählich umgestaltet.
Die wichtigsten Zwischenschritte bis zur grundlegenden Neuregelung des Sanktionensystems durch das 1. und 2. Strafrechtsreformgesetz von 1969 waren:
· die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Geldstrafe in den Jahren 1921-1924,
· die 1923 erfolgte Schaffung eines besonderen Jugendstrafrechts (JGG), durch das die Strafmündigkeitsgrenze von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt und die 14- bis unter 18jährigen jungen Straftäter aus dem allgemeinen Strafrecht herausgenommen wurden,
· die 1933 erfolgte - einer alten Forderung der modernen Strafrechtsschule entsprechende - Einführung der Massregeln der Sicherung und Besserung, durch die Präventionsbedürfnisse, denen mit der vergeltenden Strafe allein nicht genügt werden kann, erfüllt werden sollen,
· die Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 des Grundgesetzes (GG) vom 23.5.1949,
· die Einführung der Strafaussetzung und Entlassung zur Bewährung im allgemeinen Strafrecht 1953 und deren Wiedereinführung im Jugendstrafrecht, schliesslich
· die 1953 erfolgte partielle Einbeziehung der 18- bis unter 21jährigen (Heranwachsende) in das Jugendstrafrecht.
Die gegenwärtige Struktur des Sanktionensystems des allgemeinen Strafrechts wird wesentlich geprägt durch das 1. und 2. Strafrechtsreformgesetz von 1969 sowie durch das EGStGB von 1974. "In der Neuregelung des Sanktionensystems steht das gegenwärtige Recht mit dem Übergang von der Freiheitsstrafe zur Geldstrafe als weitaus häufigster Strafart an einem ähnlich bedeutsamen Wendepunkt, wie es einst der Übergang von den Leibes- und Lebensstrafen des Mittelalters zur Freiheitsstrafe der Aufklärungszeit gewesen ist" (Jescheck, in: Leipziger Kommentar, 11. Aufl., Berlin/New York 1992, Einleitung, Rndr. 93). Namentlich durch die beiden Strafrechtsreformgesetze sollte u.a. "die moderne Ausgestaltung des Sanktionensystems als taugliches Instrument der Kriminalpolitik mit dem Ziel einer Verhütung künftiger Straftaten, vor allem durch Resozialisierung des Straftäters" (Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. V/4094, S. 3) erreicht werden. Dem dienten vor allem
· die Ersetzung der verschiedenen Arten freiheitsentziehender Strafen durch die (Einheits-)Freiheitsstrafe (§ 38 StGB),
· die Heraufsetzung des Mindestmasses der Freiheitsstrafe von einem Tag auf einen Monat (§ 38 Abs. 2 StGB),
· die Zurückdrängung der kriminalpolitisch unerwünschten kurzen Freiheitsstrafe unter sechs Monaten zugunsten der Geldstrafe (§ 47 StGB),
· die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Strafaussetzung zur Bewährung auf Freiheitsstrafen bis zwei Jahren (§ 56 StGB),
·
die Umstellung
der Geldstrafe auf das Tagessatzsystem (§ 40 StGB)
sowie
· die Einführung der Rechtsinstitute der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) und des Absehens von Strafe (§ 60 StGB).
Kernstück des kriminalpolitischen Programms war die nachhaltige Einschränkung der als resozialisierungsfeindlich angesehenen kurzen Freiheitsstrafe, die "in Zukunft nur noch in einem ganz engen und auch kriminalpolitisch vertretbaren Bereich verhängt und vollstreckt" (Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform. BT-Drs. V/4094, S. 6) werden sollte. Damit war die Erwartung verbunden, den Strafvollzug nachhaltig zu entlasten und so überhaupt erst die tatsächlichen Voraussetzungen für dessen Reform zu schaffen (Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform. BT-Drs. V/4094, S. 11). Hauptstrafe der Gegenwart sollte die Geldstrafe sein, deren Anwendungsbereich die leichte und mittlere Kriminalität sein sollte. In Verbindung mit der Strafzumessungsvorschrift von § 46 StGB wurde durch die Strafrechtsreform von 1969 die Idee der Spezialprävention wesentlich gestärkt und in den Vordergrund gerückt.
Der Bundesgerichtshof hat diese
kriminalpolitische Grundkonzeption folgendermassen zusammengefasst: "Nach
der kriminalpolitischen Gesamtkonzeption, von der die Strafrechtsreform
ausgeht, soll in der Regel auf die Verhängung kurzer und die Vollstreckung
mittlerer Freiheitsstrafen verzichtet werden .... Der Begriff 'Verteidigung
der Rechtsordnung' dient insoweit der Abgrenzung der Ausnahmefälle, in denen
dies nicht möglich ist. Seine Auslegung kann daher nur an die
kriminalpolitischen Erwägungen anknüpfen, auf denen die in den §§ 14, 23 StGB (jetzt:
47, 56 StGB - d. Verf.) getroffene Regelung beruht.
Dem 1. Strafrechtsreformgesetz liegt der Gedanke zugrunde, dass die Strafe
nicht die Aufgabe hat, Schuldausgleich um ihrer selbst willen zu üben, sondern
nur gerechtfertigt ist, wenn sie sich zugleich als notwendiges Mittel zur
Erfüllung der präventiven Schutzaufgabe des Strafrechts erweist. Einen wesentlichen
Akzent hat der Gesetzgeber durch die Aufnahme der spezialpräventiven Klausel
als Ziel des Strafzumessungsvorgangs in § 13 Abs. 1 Satz 2 StGB (jetzt:
§ 46 Abs. 1 StGB
- d. Verf.) gesetzt. Die Tatsache, dass das Gesetz den Strafzweck der Generalprävention
im Gegensatz zur mehrfachen Erwähnung des Gedankens der sozialen Anpassung
(§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1, § 23 Abs. 1 StGB) (jetzt: § 46 Abs. 1
Satz 2, § 47 Abs. 1, § 56 Abs. 1 StGB - d. Verf.) nicht
ausdrücklich nennt, lässt für die Bemessung der Strafe eine bedeutsame
Schwerpunktverlagerung auf den spezialpräventiven Gesichtspunkt im weitesten
Sinne erkennen. Bei diesem Grundsatz der 'Individualisierung' geht es nicht
allein um die gezielte Einwirkung auf einen schon entsozialisierten Täter, die
Verurteilung und sinnvoller Vollzug erreichen sollen (Resozialisierung), sondern
auch um die Vermeidung unbeabsichtigter Nebenwirkungen von Verurteilung und
Vollzug, etwa der Gefahr, dass die Strafe einen bisher sozial ausreichend
eingepassten Täter aus der sozialen Ordnung herausreisst. Die
Strafvollstreckung soll sich nicht in einem sinnlosen Absitzen erschöpfen,
sondern Behandlung im Vollzug sein.
Grundsätzlich geht deshalb die Geldstrafe der Freiheitsstrafe, die Aussetzung
dem Vollzug vor, soweit dies im Hinblick auf die zu erwartende kriminalpolitische
Wirksamkeit der Rechtsgüterschutz zulässt. Die kurze Freiheitsstrafe wird
daher nur noch ausnahmsweise, ihr Vollzug nur unter ganz besonderen Umständen
vorgesehen (§§ 14 Abs. 1, 23 Abs. 1 StGB) (jetzt: § 47 Abs. 1,
§ 56 Abs. 1 StGB
- d. Verf.). Vor allem wird die vermehrte Durchführung einer 'ambulanten'
Behandlung des Täters in Freiheit angestrebt, die durch Weisungen sinnvoll
gestaltet werden soll. Diesem Ziel dient die Erweiterung der Möglichkeit einer Strafaussetzung durch Heraufsetzung der zeitlichen
Grenze, die Vereinfachung der Prognose und der Wegfall der formellen Ausschlussvoraussetzungen
(vgl. hierzu § 23 Abs. 3 StGB aF). Zwar ist die Strafaussetzung
zur Bewährung eine Modifikation der Strafvollstreckung. Die neue
gesetzliche Regelung lässt jedoch ihre Eigenständigkeit im Sinne einer
besonderen 'ambulanten' Behandlungsart deutlich werden, wenn sie sich auch
bei bestimmten Tätergruppen in einer blossen Vergünstigung erschöpft. Ihre
zeitliche Grenze bestimmt sich ohne Rücksicht auf den Deliktscharakter
(§ 1 StGB)
nach der Höhe der erkannten Strafe, so dass auch wegen Verbrechen verhängte
Freiheitsstrafen aussetzungsfähig sind. Bei guter Sozialprognose muss die
Vollstreckung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten stets ausgesetzt werden;
auch bei Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr ist die
Aussetzung im Regelfall zwingend, sofern nicht die 'Verteidigung der Rechtsordnung'
dem entgegensteht" (BGHSt 24, 40 [42 f.]).
Die deutsche Bundesregierung und der Deutsche Bundestag haben in ihren bisherigen Zwischenbilanzen keinen Anlass gesehen, dieses durch das 1. und 2. StrRG geschaffene System "grundlegend zu ändern" (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf eine Grosse Anfrage hinsichtlich der Weiterentwicklung des strafrechtlichen Sanktionensystems [BT-Drs. 12/3718] vom 12.11.1992). Das Schwergewicht der Reform verlagerte sich auf den Besonderen Teil (vgl. hierzu die umfassende Darstellung bei Hilgendorf, Eric: Die deutsche Strafrechtsentwicklung 1975 - 2000, in: Vormbaum, Thomas; Welp, Jürgen [Hrsg.]: Das Strafgesetzbuch. Supplementband I: 130 Jahre Strafgesetzgebung - Eine Bilanz, Berlin 2004, S. 258 ff.; Son, Misuk: Straftatfolgen im deutschen und koreanischen Strafrecht, Schriften zum Strafrecht und Strafprozessrecht, Frankfurt a. M. u. a., 2004, S. 77 ff.). Lediglich einige behutsame Fortentwicklungen sowie - als Reaktion auf neue Erscheinungsformen der Kriminalität - einige Ergänzungen des Sanktionensystems wurden bislang als notwendig erachtet.
· 1981 wurde durch das 20. StrÄndG die Strafrestaussetzung zur Bewährung auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe (§ 57a StGB) eingeführt. Durch das 23. StrÄndG von 1986, das u.a die alte Rückfall-Regelung des bisherigen § 48 StGB ersatzlos aufhob, wurde der Anwendungsbereich der Strafaussetzung bei Freiheitsstrafen zwischen 12 und 24 Monaten durch Anpassung an die höchstrichterliche Rechtsprechung erweitert. Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten von 1999 engte die Strafrestaussetzung insofern ein, als es nunmehr das Gericht verpflichtet, bei der Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe stärker als bisher Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu berücksichtigen (zusammenfassend Schöch, Heinz: Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1999, NJW 1999, 1257 ff.).
· Durch das 23. StrÄndG von 1986 wurden ferner die Voraussetzungen für die Abwendung der Vollstreckung der - an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tretenden - Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit (Art. 293 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch [EGStGB]) neu gefasst.
· Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich wurden durch das Opferschutzgesetz von 1986 in den Katalog der Strafzumessungsgründe aufgenommen (§ 46 Abs. 2 StGB) und dadurch deutlich aufgewertet. Weitergeführt wurde dieser Gedanke einer konfliktlösenden Verständigung zwischen Täter und Opfer durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994, durch das u.a. Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung als fakultative Strafmilderungsvorschrift ausgestaltet wurden; in Fällen leichter Kriminalität kann seitdem sogar von Strafe abgesehen werden (§ 46a StGB).
· Als neue Sanktionsformen wurden 1992 die Vermögensstrafe (§ 43a StGB) und der erweiterte Verfall (§ 73d StGB) eingeführt, um bei bestimmten, für organisierte Kriminalität milieutypischen Taten Gewinne aus Straftaten abschöpfen zu können. Inzwischen hat aber das BVerfG mit Urteil vom 20.03.2002 - 2 BvR 794/95 - § 43a StGB wegen Unvereinbarkeit mit dem Gebot der Gesetzesbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) insgesamt für nichtig erklärt (BVerfGE 105, 135-185; http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rs20020320_2bvr079495)
Vor dem Hintergrund vielfältiger Reformvorschläge aus Wissenschaft und Praxis (vgl. nur die Verhandlungen der strafrechtlichen Abteilung des 59. Deutschen Juristentags, hierzu das Gutachten von Schöch, Heinz: Empfehlen sich Änderungen und Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug? Gutachten C zum 59. Deutschen Juristentag. München 1992; ferner die Beratungen auf der Strafrechtslehrertagung 1999 in Halle/Saale, hierzu u.a. Streng, Franz: Modernes Sanktionenrecht, Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft 1999, 827 ff.) und im Hinblick auf mehrere, teils in den Deutschen Bundestag, teils in den Bundesrat eingebrachte Gesetzesentwürfe, wurde 1999 durch das Bundesministerium der Justiz die "Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems" eingesetzt, die im März 2000 ihren Abschlussbericht (http://www.bmj.bund.de/media/archive/137.pdf; vgl. dort auch die Übersicht über die wichtigsten sanktionenrechtlichen Gesetzesentwürfe der letzten beiden Jahrzehnte) vorgelegt hat (die Materialien der Kommission sind abgedruckt bei Hettinger, Michael [Hrsg.]: Reform des Sanktionenrechts, Baden-Baden 2001/2002, 3 Bde). Den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionsrechts“ hat die Bundesregierung am 2.1. 2004 im Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 3/04). Der Gesetzentwurf (BT-Drs. 15/2725) wurde mit der Stellungnahme des Bundesrates am 1.4. vom Bundestag in erster Lesung beraten und in die Ausschüsse überwiesen. Am 1.12.2004 führte der Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung durch.
Das Jugendstrafrecht, das hinsichtlich der Erprobung spezialpräventiver Konzepte "Schrittmacher-" oder "Vorreiterfunktion" für das allgemeine Strafrecht hatte, wurde in den 80er Jahren durch eine "Reform durch die Praxis" (vgl. BMJ [Hrsg.]: Jugendstrafrechtsreform durch die Praxis, Bonn 1989) weiterentwickelt: Neue ambulante Massnahmen (Täter-Opfer-Ausgleich, Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs, Arbeitsweisung) wurden erprobt, Untersuchungshaftvermeidungsmodelle wurden entwickelt; das Konzept der Diversion, d.h. der "Umlenkung" des Straftäters um das förmliche Strafverfahren bzw. um die Verurteilung, wurde in hohem und wachsendem Masse umgesetzt. Die Normen des Jugendstrafrechts waren für diese Reform flexibel genug. 1990 schrieb der Gesetzgeber durch das 1. Gesetz zur Änderung des JGG (1. JGGÄndG) diese Reform fest und stellte sie auf eine sichere Grundlage, insbesondere verdeutlichte er die damit verbundene kriminalpolitische Konzeption:
· "Neuere kriminologische Forschungen haben erwiesen, dass Kriminalität im Jugendalter meist nicht Indiz für ein erzieherisches Defizit ist, sondern überwiegend als entwicklungsbedingte Auffälligkeit mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter abklingt und sich nicht wiederholt. Eine förmliche Verurteilung Jugendlicher ist daher in weitaus weniger Fällen geboten, als es der Gesetzgeber von 1953 noch für erforderlich erachtete.
· Untersuchungen zu der Frage, inwieweit der Verzicht auf eine formelle Sanktion zugunsten einer informellen Erledigung kriminalpolitisch von Bedeutung ist, haben - jedenfalls für den Bereich der leichten und mittleren Jugenddelinquenz - zu der Erkenntnis geführt, dass informellen Erledigungen als kostengünstigeren, schnelleren und humaneren Möglichkeiten der Bewältigung von Jugenddelinquenz auch kriminalpolitisch im Hinblick auf Prävention und Rückfallvermeidung höhere Effizienz zukommt.
· Es hat sich weiterhin gezeigt, dass die in der Praxis vielfältig erprobten neuen ambulanten Massnahmen (Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich) die traditionellen Sanktionen (Geldbusse, Jugendarrest, Jugendstrafe) weitgehend ersetzen können, ohne dass sich damit die Rückfallgefahr erhöht. Schliesslich ist seit langem bekannt, dass die stationären Sanktionen des Jugendstrafrechts (Jugendarrest und Jugendstrafe) sowie die Untersuchungshaft schädliche Nebenwirkungen für die jugendliche Entwicklung haben können" (Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes [BT-Drs. 11/5829], 1).
Der Gesetzgeber blieb damit einer Tradition des Fortschritts verpflichtet, wie sie der damalige Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, G. Heinemann, formuliert hatte: "Wenn es eine Tradition des Fortschritts im Strafrecht gibt, dann ist sie vor allem im Jugendstrafrecht zu Hause. Beim straffälligen und verwahrlosten Jugendlichen hat sich immer schon die Unvernunft eines Strafrechtssystems, das sinnlose Härten metaphysischen Spekulationen zuliebe in Kauf nimmt, besonders augenfällig erwiesen" (G. Heinemann, Vorbemerkung, in: Simonsohn [Hrsg.]: Jugendkriminalität, Strafjustiz und Sozialpädagogik, Frankfurt a.M. 1969, 5).
Dass das 1. JGGÄndG nur ein erster Schritt sein sollte und dass weiterer Reformbedarf bestand, war 1990 allseits anerkannt. Der Deutsche Bundestag hat deshalb die Bundesregierung aufgefordert, bis zum 1. Oktober 1992 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes vorzulegen, der den weiteren Reformbedarf aufgreifen sollte. Dieser zweite Reformschritt unterblieb bislang. Während Wissenschaft, Fachverbände und Praxis ganz überwiegend „einen weiteren Abbau verzichtbarer strafender Elemente des Jugendgerichtsgesetzes anmahnen“ (Kreuzer, Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäss?, NJW 2002, S. 2345), wird von Teilen der Politik eine Verschärfung der jugendstrafrechtlichen Sanktionen (vgl. Werwigk-Hertneck, Corinna; Rebmann, Frank: Reformbedarf im Bereich des Jugendstrafrechts?, ZRP 2003, S. 225 ff.; hierzu Erwiderung von Viehmann, Horst: Reform des Jugendstrafrechts, ZRP 2003, S. 377 f.) gefordert (zu den gegensätzlichen Positionen vgl. nur die Verhandlungen der strafrechtlichen Abteilung des 64. Deutschen Juristentages zum Thema „Ist das deutsche Jugendstrafrecht noch zeitgemäss?“, München 2002, sowie die Vorschläge der beiden Reformkommissionen der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (veröffentlicht in DVJJ-Journal 1992, S. 9 ff., DVJJ-Journal 2002, S. 227 ff., einerseits und andererseits die im Bundesrat eingebrachten Gesetzesanträge einiger Bundesländer, zusammengestellt in DVJJ-Journal 2000, S. 328 ff., zuletzt noch Goerdeler, Die Union und das Jugendstrafrecht – zum Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Jugendkriminalität“, ZJJ 2002, S. 183 ff.).
Strafrechtliche Folgen (nach StGB) Absehen von Strafe § 60 Verwarnung mit Strafvorbehalt §§ 59-59c Strafen Hauptstrafen Freiheitsstrafe § 38 Strafaussetzung zur Bewährung §§ 56-56g Unbedingt verhängte Freiheitsstrafe Geldstrafe § 40 Nebenstrafen*) Fahrverbot § 44 Nebenfolgen Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts §§ 45ff Bekanntgabe der Verurteilung §§ 165; 200 Massnahmen (§ 11 I Nr. 8) Massregeln der Besserung und Sicherung Freiheitsentziehende Massregeln Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus § 63 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt § 64 Unterbringung in Sicherungsverwahrung § 66 Massregeln ohne Freiheitsentzug Führungsaufsicht §§ 68-68g Entziehung der Fahrerlaubnis §§ 69-69b Berufsverbot §§ 70-70b Verfall §§ 73-73e Einziehung §§ 74, 75 Unbrauchbarmachung § 74d *) § 43a StGB (Vermögensstrafe) wurde durch Urteil des BVerfG vom 20.03.2002 - 2BvR 794/95 (BVerfGE 105, 135ff.) - wegen Unvereinbarkeit mit Art. 103 II GG für nichtig erklärt
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Schaubild 1: Strafrechtliche Folgen (nach StGB)
Nach § 60 StGB sieht das Gericht von Strafe ab, wenn die Tat, z.B. eine Trunkenheitsfahrt mit schweren Unfallfolgen für den Täter oder einen nahen Angehörigen, für den Täter so schwerwiegende Folgen hatte, dass die Verhängung einer Strafe "offensichtlich verfehlt" wäre. In diesen Fällen ist die Schuld durch die schweren Folgen bereits zu einem Teil ausgeglichen, so dass kein Präventionsbedürfnis mehr besteht.
Von Strafe kann ferner entweder ganz abgesehen oder diese kann gemildert werden, wenn der Täter "in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder überwiegend wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt" hat (§ 46a Nr. 1 StGB). Ebenso kann von Strafe abgesehen werden, wenn der Täter durch "erhebliche persönliche Leistungen" oder einen "persönlichen Verzicht" das Opfer "ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt" hat (§ 46a Nr. 2 StGB).
Im Unterschied zu diesen beiden Fallgruppen, in denen das Strafbedürfnis gemindert ist, sieht das StGB in einer Reihe weiterer Vorschriften die Möglichkeit eines Schuldspruchs unter Absehen von Strafe in Fallgruppen vor, in denen die Strafwürdigkeit sehr gering ist, weil entweder das Unrecht der Straftat und/oder die Schuld des Täters stark gemindert ist (z.B. §§ 139 Abs. 1, 174 Abs. 4 StGB; §§ 113 Abs. 4, 157 Abs. 1, 2 StGB; § 129 Abs. 5 StGB).
Nach §§ 59-59c StGB kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen den Schuldspruch des Täters mit einer Verwarnung verbinden und eine Geldstrafe bestimmen, deren Verhängung jedoch vorbehalten bleibt. Es erfolgt also ein aufschiebend bedingter Strafausspruch (§ 59 StGB). Das Gericht setzt eine Bewährungszeit fest, es kann Auflagen und Weisungen erteilen, z.B. eine Wiedergutmachungsauflage, die Auflage, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen oder die Weisung, sich einer ambulanten Heilbehandlung zu unterziehen (§ 59a StGB). Sanktionierenden Charakter haben insoweit lediglich Schuldspruch, Verwarnung und die Auflagen oder Weisungen; um eine Bestrafung im Rechtssinne handelt es sich bei "Verwarnung mit Strafvorbehalt" nicht, denn die Geldstrafe bleibt ja gerade vorbehalten. Bewährt sich der Täter, so bleibt es bei der Verwarnung; der Täter bleibt also nicht nur von der Strafvollstreckung, sondern auch von einer Verurteilung zu Strafe verschont (§ 59b Abs. 2 StGB). Bei Nichtbewährung kann ihn das Gericht zu der vorbehaltenen Geldstrafe verurteilen (§ 59b Abs. 1 StGB).
Im Bereich der Strafen differenziert das StGB zwischen Haupt- und Nebenstrafen. Hauptstrafen sind die Freiheitsstrafe (§§ 38, 39 StGB) und die Geldstrafe (§§ 40-43 StGB). Als Nebenstrafe ist das Fahrverbot (§ 44 StGB) ausgestaltet.
Die (einheitliche) Freiheitsstrafe kann entweder eine zeitige oder eine lebenslange sein.
Die lebenslange Freiheitsstrafe ist teils als absolute (Mord [§ 211 StGB]), teils als wahlweise Sanktion angedroht (z.B. bei Vorbereitung eines Angriffskrieges [§ 80 StGB], Hochverrat [§ 81 StGB], besonders schwerem Totschlag [§ 212 Abs. 2 StGB], sexuellem Missbrauch von Kindern mit Todesfolge [§ 176b StGB], sexueller Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge [§ 178 StGB], Raub mit Todesfolge [§ 251 StGB], Brandstiftung mit Todesfolge [§ 306c StGB], räuberischem Angriff auf Kraftfahrer mit Todesfolge [§ 316a Abs. 3 StGB]). Nach Abschaffung der Todesstrafe ist die lebenslange Freiheitsstrafe die schwerste Strafe des deutschen Strafrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmässigkeit der absoluten Strafandrohung für Mord bejaht, jedoch eine restriktive Auslegung des Mordtatbestandes und eine rechtliche Regelung der Strafrestaussetzung gefordert (BVerfGE 45, 187; www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv045187.html). 1981 wurde in Erfüllung verfassungsgerichtlicher Vorgaben durch § 57a StGB die Strafrestaussetzung auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe nach einer Strafverbüssung von 15 Jahren zugelassen (zur verfassungskonformen Auslegung des § 57a StGB vgl. BVerfGE 86, 288, aus der Literatur statt vieler Müller-Dietz: Lebenslange Freiheitsstrafe und bedingte Entlassung. Jura 1994, 72 ff.).
Die zeitige Freiheitsstrafe beträgt im Mindestmass einen Monat, im Höchstmass 15 Jahre (§ 38 Abs. 2 StGB). Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens werden durch die Strafrahmen der Straftatbestände Höchst- und Mindeststrafen festgelegt und damit dem Rang der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter Rechnung getragen. Die kurze Freiheitsstrafe (unter sechs Monaten) ist gegenüber der Geldstrafe ultima ratio (§ 47 StGB). Sie darf nur verhängt werden, "wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen." Ansonsten ist auf Geldstrafe zu erkennen.
Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, kann zur Bewährung ausgesetzt werden; eine teilbedingte Freiheitsstrafe kennt das deutsche Recht nicht. Bei Strafen unter sechs Monaten entscheidet gem. § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB allein die günstige Sozialprognose, d.h. die Erwartung, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit bei Aussetzung der Vollstreckung (gegebenenfalls unter Anordnung von Bewährungsmassnahmen, namentlich unter der Einwirkung eines Bewährungshelfers) geringer sein werde als bei Vollstreckung der Freiheitsstrafe (vergleichende Interventionsprognose). Bei Strafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr wird die Vollstreckung auch bei günstiger Prognose nicht ausgesetzt, wenn generalpräventive Notwendigkeiten ("Verteidigung der Rechtsordnung") entgegenstehen (§ 56 Abs. 3 StGB). Strafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren können ausgesetzt werden, "wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen" (§ 56 Abs. 2 StGB). Bei Strafaussetzung zur Bewährung wird eine Bewährungszeit zwischen zwei und fünf Jahren festgesetzt (§ 56a StGB), wobei diese Dauer nachträglich verlängert oder verkürzt werden kann. Dem Verurteilten können Auflagen und Weisungen erteilt werden. Auflagen, wie z.B. Schadenswiedergutmachung, Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder zugunsten der Staatskasse, dienen "der Genugtuung für das begangene Unrecht" (§ 56b StGB). Weisungen dienen ausschliesslich dem Zweck, Straftaten des Verurteilten in Zukunft zu verhüten. Als solche kommen in Betracht die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers (§ 56d StGB); weitere Beispiele für Weisungen sind "Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse" beziehen, bestimmte Gegenstände nicht zu besitzen, die "Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können", oder Unterhaltspflichten zu erfüllen (§ 56c StGB). Wenn der Verurteilte die Erwartungen nicht erfüllt, die mit der Strafaussetzung zur Bewährung verbunden sind, z.B. durch eine erneute einschlägige Straftat, kommt entweder eine Modifikation der Bedingungen der Aussetzung (§ 56f Abs. 2 StGB), also z.B. die Erteilung weiterer Auflagen oder Weisungen bzw. die Verlängerung der Bewährungszeit , oder, wenn dies nicht erfolgversprechend erscheint, der Widerruf der Aussetzung (§ 56f Abs. 1 StGB) in Betracht mit der Folge, dass nunmehr die verhängte Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist. Ansonsten wird die Strafe, d.h. die verhängte Freiheitsstrafe, erlassen (§ 56g StGB).
Sowohl bei zeitiger als auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe besteht die Möglichkeit, die Vollstreckung eines Strafrestes zur Bewährung auszusetzen (§§ 57, 57a StGB). Hat der zu zeitiger Freiheitsstrafe Verurteilte zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens aber zwei Monate verbüsst, ist seine bedingte Entlassung bei günstiger Prognose (wenn, so die jetzige Fassung durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten von 1999, "dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann", durch das die bisherige Fassung "wenn ... verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte ausserhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird" ersetzt wurde) obligatorisch (§ 57 Abs. 1 StGB); hat er die Hälfte der Strafe, mindestens aber sechs Monate verbüsst, ist eine bedingte Entlassung fakultativ möglich, wenn darüber hinaus noch "besondere Umstände" vorliegen (§ 57 Abs. 2 StGB). Gemäss der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, auch der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte müsse eine Chance haben, wieder ein Leben in Freiheit führen zu können (BVerfGE 45, 187; http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv045187.html), wurde in § 57a StGB die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe normiert. Voraussetzungen sind die Verbüssung von mindestens 15 Jahren der Strafe, des weiteren, dass nicht die - vom erkennenden Gericht festzustellende (BVerfGE 86, 288) - "besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet" und dass schliesslich eine günstige Prognose i.S. von § 57 Abs. 1 StGB vorliegt. In die Aussetzung des Strafrestes sowohl einer zeitigen als auch einer lebenslangen Freiheitsstrafe muss der Verurteilte einwilligen.
Die Geldstrafe wird in Tagessätzen (§ 40 StGB) verhängt, d.h. festgelegt wird zunächst, und zwar nach den allgemeinen Strafzumessungskriterien des § 46 StGB, die Zahl der Tagessätze (§ 40 Abs. 1 StGB). Sodann wird die Höhe eines Tagessatzes bestimmt, die sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters richtet; in der Regel ist hierfür "von dem Nettoeinkommen (auszugehen), das der Täter an einem Tag hat oder haben könnte" (§ 40 Abs. 2 StGB). Die Mindestzahl der Tagessätze beträgt fünf (§ 40 Abs 1 StGB), die Höchstzahl im Regelfall 360 Tagessätze, bei einer Gesamtstrafe 720 Tagessätze (§ 54 Abs. 2 Satz 2 StGB). Die Höhe eines Tagessatzes beläuft sich auf mindestens einen und höchstens 5.000 €; (§ 40 Abs. 2 StGB). Die zu zahlende Geldstrafe ergibt sich als Produkt aus Zahl und Höhe der Tagessätze, also maximal 1.800.000 € bzw. - bei Gesamtstrafen (§ 54 Abs. 2 S. 2 StGB) - 3.600.000 €. Durch die getrennte und nach unterschiedlichen Kriterien erfolgende Bemessung von Zahl und Höhe der Tagessätze soll der Strafzumessungsvorgang transparenter werden, zugleich soll die Geldstrafe gerechter werden, weil Opfergleichheit für wirtschaftlich unterschiedlich situierte Täter geschaffen wird. Ist dem Verurteilten nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, sind ihm Zahlungserleichterungen (Stundung, Ratenzahlung) zu gewähren (§ 42 StGB), u.U. auch nachträglich (§ 459a StPO).
Eine Aussetzung der Vollstreckung der Geldstrafe zur Bewährung sieht das StGB nicht vor. Eine ähnliche Wirkung ist jedoch im Anwendungsbereich der Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen durch die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§§ 59 ff. StGB) zu erreichen.
Wenn die Geldstrafe weder freiwillig bezahlt wird noch im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden kann bzw. wenn die Beitreibung wegen Aussichtslosigkeit unterblieben ist, dann tritt an ihre Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB). Hierbei entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Die Vollstreckung dieser Ersatzfreiheitsstrafe kann jedoch dann unterbleiben, wenn das Gericht dies wegen einer "unbilligen Härte" für den Verurteilten anordnet (§ 459f StPO). Ist der Verurteilte einverstanden, dann kann er anstelle der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit leisten und auf diese Weise die Geldstrafe tilgen (Art. 293 EGStGB).
Das Fahrverbot (§ 44 StGB) ist als Nebenstrafe ausgestaltet, die neben einer Freiheits- oder einer Geldstrafe verhängt werden kann. Das Fahrverbot kann nur verhängt werden für Taten, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen werden. Erwogen wird derzeit, das Fahrverbot als Neben- oder gar als Hauptstrafe auf alle Straftaten auszudehnen.
Das Fahrverbot dient dazu, nachlässige oder leichtsinnige Kraftfahrer, die noch als geeignet für die Teilnahme am Verkehr erscheinen, nachdrücklich zu warnen. Im Unterschied zur Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), einer Massregel der Besserung und Sicherung, die dem Ziel dient, ungeeignete Fahrzeugführer vorübergehend oder auf Dauer von der Verkehrsteilnahme als Kraftfahrer auszuschliessen, behält beim Fahrverbot der Verurteilte die Fahrerlaubnis. Die Nebenstrafe besteht in dem Verbot, für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten, "im Strassenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen". Die Verletzung dieses Verbots ist strafbewehrt (§ 21 StVG).
Diese als Nebenstrafe eigener Art ausgestaltete Vermögensstrafe sollte vor allem als Waffe im Kampf gegen "organisierte Kriminalität" dienen. Das Gericht sollte "neben einer lebenslangen oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren auf Zahlung eines Geldbetrages erkennen (können), dessen Höhe durch den Wert des Vermögens des Täters begrenzt ist (Vermögensstrafe)" (§ 43a Abs. 1 S. 1 StGB). Die Vermögensstrafe war für solche Delikte vorgesehen, die typischerweise (auch) durch organisierte Gruppen begangen werden, wie z.B. Betäubungsmittelkriminalität, Geld- und Wertzeichenfälschung, Menschenhandel und Zuhälterei, Diebstahl, Erpressung, Hehlerei, Geldwäsche und Glücksspiel, sofern der Täter das Delikt als Mitglied einer Bande begangen hat. Das BverfG hat mit Urteil vom 20.03.2002 - 2 BvR 794/95 - § 43a StGB wegen Unvereinbarkeit mit dem Gebot der Gesetzesbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) insgesamt für nichtig erklärt (BVerfGE 105, 135-185; http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rs20020320_2bvr079495)
Neben den eigentlichen Strafen kennt das StGB als Nebenfolgen den Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (§§ 45 ff. StGB), ferner die Bekanntgabe der Verurteilung (§§ 165, 200 StGB).
Unter dem Begriff der Massnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) werden zusammengefasst die Massregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB), der Verfall, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung (§§ 73 ff. StGB).
Auf eine Massregel der Besserung und Sicherung kann entweder neben einer Strafe oder selbständig – bei schuldunfähigen Tätern – erkannt werden. Die Massregeln der Besserung und Sicherung knüpfen an die Gefährlichkeit des Täters an und dienen, wenngleich aus Anlass einer begangenen Straftat verhängt, ausschliesslich dem Schutz der Allgemeinheit vor zukünftigen Taten. Durch therapeutische oder pädagogische Einwirkung soll die Tätergefährlichkeit beseitigt, durch Isolierung des Täters oder durch Ausschluss von bestimmten Tätigkeiten soll die Gesellschaft vor dem Täter gesichert werden. Das geltende Strafrecht kennt als Massregeln mit dem vorwiegenden Ziel der Besserung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB). Vorwiegend der Sicherung dienen die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) und das Berufsverbot (§ 70 StGB). Sowohl Sicherungs- als auch Besserungsfunktion hat die Führungsaufsicht (§ 68 StGB).
Die bei der Strafrechtsreform 1969 als „Kernstück“ des Massregelrechts vorgesehene „Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt„ (§ 65 StGB a.F.) ist nach längerer Erprobungszeit nicht als Massregel verankert worden. Vielmehr hat der Gesetzgeber die „Vollzugslösung“ (§ 9 Strafvollzugsgesetz) gewählt, wonach ein Gefangener mit seiner Zustimmung in eine therapeutische Anstalt verlegt werden kann, wenn eine entsprechende Behandlung angezeigt erscheint.
Im Massregelbereich kommt dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (§ 62 StGB) dieselbe begrenzende Wirkung zu, wie sie bei Strafen durch das Schuldprinzip erzielt wird. Sämtliche Massregeln erfordern ferner eine Prognose hinsichtlich der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters.
Ihren Ziel entsprechend sind einige dieser Massregeln mit Freiheitsentzug verbunden, nämlich
· die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB),
· die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB),
· die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB).
Vor allem die Sicherungsverwahrung als "eine der letzten Notmassnahmen der Kriminalpolitik" (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform – BT-Drs. V/4094, S. 19) war und ist eine der kriminalpolitisch umstrittensten Massnahmen (zusammenfassend Kinzig, J., Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, 1996). Durch das 1. StrRG 1969 wurden die Anforderungen an die Anordnung von Sicherungsverwahrung verschärft, um deren ultima ratio-Charakter deutlicher zu betonen. Durch das unter dem Eindruck von zwei Sexualmorden an Kindern entstandene "Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten" wurden 1998 die Anordnungsvoraussetzungen für Sicherungsverwahrung wieder abgesenkt, freilich ohne Beschränkung auf schwere Sexualdelikte. Vor allem wegen der prognostischen Unsicherheiten hat diese Regelung in der Wissenschaft überwiegend Ablehnung erfahren (statt vieler Schöch, H., Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. 1. 1998, NJW 1998, 1261).
Umstritten blieb die Reaktion auf eine kleine Gruppe von Straftätern, deren Gefährlichkeit zwar zum Zeitpunkt des Urteils nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostiziert werden konnte oder worden war, deren Gefährlichkeit aber zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe prognostisch gesichert schien. Zunächst führten ab 2001 einige Bundesländer, gestützt auf Polizeirecht, durch sog. Straftäterunterbringungsgesetze eine "nachträgliche Sicherungsverwahrung" ein. Durch das „Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung„ vom 7.6.2002 (BGBl. I, 3344) schuf der Bundesgesetzgeber durch § 66a StGB die Möglichkeit für das erkennende Gericht, in bestimmten Fällen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorzubehalten und deren endgültige Anordnung der Strafvollstreckungskammer zu überlassen, wenn nach Teilverbüssung der Freiheitsstrafe die Gefährlichkeit des Täters feststeht. Zwei der Straftäterunterbringungsgesetze der Bundesländer hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 10. Februar 2004 (2 BvR 834/02; 2 BvR 1588/02; NJW 2004, 750 ff.) nunmehr für unvereinbar mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes erklärt. Innerhalb der vom BverfG eingeräumten Übergangsfrist wurde durch das „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“ vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1838) § 66b StGB in das StGB eingefügt. Danach ist künftig in bestimmten Fallkonstellationen auch eine nachträgliche Sicherungsverwahrung –ohne vorherigen Urteilsvorbehalt – zulässig, sofern sich entweder der Täter noch im Vollzug der Freiheitsstrafe oder seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt wird, weil nach Beginn der Vollstreckung festgestellt wurde, dass der krankheitsbedingte Zustand, auf dem die Unterbringung beruht, nicht oder nicht mehr vorliegt.
Sonstige Massnahmen sind insbesondere Verfall und Einziehung.
· Durch den Verfall (§ 73 StGB) - einschliesslich des Erweiterten Verfalls (§ 73d StGB) - soll ein unrechtmässig erlangter Vermögenszuwachs abgeschöpft werden. Voraussetzung ist die Begehung einer rechtswidrigen, nicht notwendig schuldhaften Tat, durch die der Täter oder Teilnehmer "für die Tat oder aus ihr etwas erlangt" hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB).
· Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat "hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind" (§ 74 Abs. 1 StGB), können eingezogen werden (§§ 74 ff. StGB).
Strafrechtliche Folgen (nach JGG) Absehen von Strafe § 60 Hauptfolgen Erziehungsmassregeln § 9 JGG Weisung § 10 JGG Erziehungsbeistandschaft § 12 JGG Heimerziehung § 12 JGG Zuchtmittel § 13 JGG Verwarnung § 14 JGG Auflagen § 15 JGG Jugendarrest § 16 JGG Jugendstrafe § 17 JGG Aussetzung der Verhängung
§ 27 JGG Verhängung der Jugendstrafe
§ 17 JGG wg: Strafaussetzung zur Bewährung Unbedingt verhängte Jugendstrafe Nebenfolgen Fahrverbot § 44 StGB Massnahmen (§ 11 I Nr. 8) Massregeln der Besserung und Sicherung §§ 7 JGG, 61 ff StGB Freiheitsentziehende Massregeln Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus § 63 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt § 64 Massregeln ohne Freiheitsentzug Führungsaufsicht §§ 68-68g Entziehung der Fahrerlaubnis §§ 69-69b Andere Massnahmen Verfall §§ 6 JGG, 73-73e StGB Einziehung §§ 6 JGG, 74, 75 StGB Unbrauchbarmachung §§ 6 JGG, 74d StGB
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Schaubild 2: Strafrechtliche Folgen (nach JGG)
Figure 2: Penal Consequences (Juvenile Penal Laws)
Mit dem 1923 geschaffenen Jugendgerichtsgesetz (JGG) wurde erstmals in Deutschland ein Sonderstrafrecht für junge Täter geschaffen. In das JGG in der seit 1953 geltenden Fassung sind - bezogen auf das Alter zur Zeit der Tat - Jugendliche (14- bis unter 18jährige) und Heranwachsende (18- bis unter 21jährige) einbezogen. Die jugendspezifischen Rechtsfolgen des JGG, d.h. materielles Jugendstrafrecht, sind auf einen Heranwachsenden aber nur anzuwenden, wenn dieser entweder "zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand" oder wenn es sich um eine "Jugendverfehlung" handelt (§ 105 Abs. 1 JGG).
Das Rechtsfolgensystem des JGG besteht aus einem abgegrenzten Kreis von Reaktionsmitteln, von denen keines mehr in Abhängigkeit vom allgemeinen Strafrecht steht (§§ 5 ff. JGG). Das JGG kennt drei Kategorien von formellen Rechtsfolgen, nämlich Erziehungsmassregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Ferner sind auch im Jugendstrafrecht einige der Nebenfolgen des StGB, insbesondere die Erteilung eines Fahrverbots, und einige der Massregeln der Besserung und Sicherung (§§ 6, 7 JGG) zulässig.
Erziehungsmassregeln sind die nicht "wegen", sondern die "aus Anlass der Straftat" anzuordnenden Massnahmen, deren Zweck nicht in der Ahndung der Tat, sondern ausschliesslich in der Erziehung des Täters bestehen soll. Als Erziehungsmassregeln kennt das JGG Weisungen (§ 10 JGG) und Hilfe zur Erziehung (§ 12 JGG).
· Weisungen sind "Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen". Beispielhaft aufgeführt sind Weisungen, die sich auf den Aufenthaltsort des Jugendlichen beziehen, ferner die Weisung, sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person zu unterstellen, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich zu bemühen. Besonders hervorgehoben ist die Weisung, sich einer heilerzieherischen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen (§ 10 Abs. 2 JGG).
· Als Hilfe zur Erziehung kommen Erziehungsbeistandschaft oder Heimerziehung bzw. Erziehung in einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 12 JGG i.V.m. §§ 30, 34 Kinder- und Jugendhilfegesetz) in Betracht.
Als Reaktionen ahndenden Charakters kennt das JGG Zuchtmittel, und zwar die Verwarnung, die Auflagen und den Jugendarrest.
· Verwarnung ist das förmliche Vorhalten des Unrechts der Tat (§ 14 JGG).
· Auflagen sind nicht nur eine gesteigerte Form der Verwarnung insofern, als dem Täter das Einstehen für das Unrecht der Tat durch eine von ihm zu erbringende Leistung deutlich werden soll, sondern sie dienen auch der Genugtuung des Verletzten. Auflagen können nämlich sein, "nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen, Arbeitsleistungen zu erbringen oder einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen" (§ 15 JGG).
· Der Jugendarrest als stationärer Freiheitsentzug dient als "Denkzettelstrafe". Er kann in Form des Freizeitarrests, des Kurzarrests (höchstens 4 Tage) sowie des Dauerarrests (mindestens 1 Woche und höchstens 4 Wochen) verhängt werden (§ 16 JGG).
Die Jugendstrafe ist die einzige echte Kriminalstrafe des Jugendstrafrechts. Dieser "Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt" (§ 17 Abs. 1 JGG) kann zum einen verhängt werden, "wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmassregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen", zum anderen, "wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist" (§ 17 Abs. 2 JGG). Obwohl es sich um eine Kriminalstrafe handelt, soll der Erziehungsgedanke bei der Verhängung eine wesentliche (§ 18 Abs. 2 JGG) und beim Vollzug gar eine dominierende Rolle spielen (§ 91 JGG).
Die Dauer der Jugendstrafe beträgt mindestens 6 Monate und (bei Jugendlichen) höchstens 5 Jahre; das Höchstmass beträgt jedoch 10 Jahre, wenn nach allgemeinem Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als 10 Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist (§ 18 Abs. 1 JGG). Bei Heranwachsenden beträgt das Höchstmass in jedem Fall 10 Jahre (§ 105 Abs. 3 JGG).
Das JGG kennt mehrere Bewährungsstrafen: die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe, die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung sowie die Strafrestaussetzung zur Bewährung. Auf richterlicher Rechtsfortbildung beruht die sog. Vorbewährung. In den gesetzlich geregelten Fällen ist die Unterstellung unter die Aufsicht und die Leitung eines Bewährungshelfers (§ 24 JGG) während einer vom Richter zu bestimmenden Bewährungszeit von maximal 3 (§ 22 JGG) bzw. 2 Jahren (§ 28 JGG) obligatorisch. Weisungen sollen und Auflagen können erteilt werden (§ 23 JGG).
· Die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe kommt in Betracht, wenn "nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden (kann), ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist" (§ 27 JGG); der Richter kann dann die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Zeit zur Bewährung aussetzen.
· Die Vollstreckung einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren kann bei günstiger Sozialprognose ("wenn zu erwarten ist, dass der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird") zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 21 JGG).
· Ferner kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 88 JGG).
· Die durch richterliche Rechtsfortbildung entwickelte sogenannte Vorbewährung im Sinne von § 57 JGG ist schliesslich eine weitere Form einer Bewährungssanktion. Danach zögert das Gericht die endgültige Aussetzungsentscheidung für einige Monate hinaus und unterstellt den Jugendlichen vorläufig der Bewährungshilfe, um im Falle der Bewährung die endgültige Aussetzung nach § 21 JGG zu beschliessen.
Das in den 60er Jahren in die kriminalpolitische Diskussion eingeführte Konzept der "Diversion" meint "Ablenkung", "Umleitung" oder "Wegführung" des Straftäters vom System formeller Sozialkontrolle. Verbunden werden damit verschiedene - personenbezogene und systembezogene - Ziele: Vermeidung von Stigmatisierung der Betroffenen durch Abbau formeller Verfahren, schnellere Reaktion, damit der Bezug zwischen Tat und Reaktion erhalten bleibt, flexiblere Problemlösungshilfen für die Betroffenen, Abbau überschiessender formeller Sozialkontrolle, Entlastung der Justiz (vgl. Heinz, Diversion im Jugendstrafverfahren, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, 1992, S. 591 ff.; Heinz, Diversion im Jugendstrafrecht und im allgemeinen Strafrecht - Teil 1, DVJJ-Journal 1999, 245 ff., Teil 2, DVJJ-Journal 1999, 11 ff., Teil 3, DVJJ-Journal 1999, 131 ff., Teil 4, DVJJ-Journal 1999, 261 ff.).
Innerhalb der durch das Prinzip der Unschuldsvermutung, durch den Schuldgrundsatz und durch das Legalitätsprinzip bestimmten deutschen Rechtsordnung hielt der Gesetzgeber bislang nur solche Diversionsstrategien für zulässig, die entweder auf eine möglichst geringe staatliche Sanktion (z.B. Ersetzung stationärer durch ambulante Sanktionen) oder auf Alternativen zur Anklage oder zur Verurteilung (Ersetzung formeller durch informelle Sanktionen) hinauslaufen. Hierzu wurden die prozessualen Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung im staatsanwaltschaftlichen Vorverfahren, im gerichtlichen Zwischen- oder im Hauptverfahren genutzt. Die deutsche Variante von Diversion besteht demnach in Verfahrenseinstellungen, die - bei hinreichendem Tatverdacht und bei Vorliegen der Prozessvoraussetzungen - an die Stelle einer Anklage (staatsanwaltliche Diversion) oder einer Verurteilung (richterliche Diversion) treten.
Bei der ohne Auflagen/Weisungen erfolgenden Einstellung (§§ 153, 153b StPO, §§ 45 Abs. 1, 47 Abs. 1 Nr.1 JGG) handelt es sich - strafrechtlich gesehen - um einen spezialpräventiv orientierten Sanktionsverzicht. Im sozialwissenschaftlichen Sinne handelt es sich indes um eine informelle Sanktionierung, und zwar schon wegen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, des damit regelmässig verbundenen Bekanntwerdens der Tat in der Familie und im sozialen Umfeld, vor allem wegen der faktisch bestehenden Belastung für den Beschuldigten, weiterhin als hinreichend tatverdächtig zu gelten. Einstellungen unter Auflagen/Weisungen (§ 153a StPO, §§ 45 Abs. 2, 3, 47 Abs.1 Nr. 2, 3 JGG) sind im strafrechtlichen Sinne ebenfalls keine Strafen, es handelt sich vielmehr um eine einverständliche Sanktionierung, weil der Tatverdächtige die Auflagen oder Weisungen freiwillig erfüllt, so dass deren Verhängung durch Urteil überflüssig wird. Insofern kann nicht nur im sozialwissenschaftlichen, sondern auch im strafrechtlichen Sinne von einer Sanktionierung gesprochen werden.
Erst bei dieser Betrachtung der Funktionen der §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG wird deutlich, dass es sich nicht bloss um Verfahrensvorschriften handelt. Sie gehören vielmehr (auch) zur Rechtsfolgenseite. Dementsprechend reicht das (jugend)strafrechtliche Reaktionsspektrum von der - aus justitieller Sicht - folgenlosen Reaktion (§§ 153, 153b StPO, §§ 45 Abs. 1, 47 Abs. 1 Nr. 1 JGG) bis zur nicht ausgesetzten Freiheits- bzw. Jugendstrafe.
Als Diversionsmöglichkeiten sieht die deutsche Rechtsordnung derzeit vor:
· Diversion durch Staatsanwaltschaft (StA) oder Gericht in Verfahren wegen leichterer und mittlerer Kriminalität (§§ 153 ff. StPO). Praktisch bedeutsam sind vor allem zwei Einstellungsgründe:
· Diversion zu Therapiezwecken in Verfahren gegen Drogenabhängige (§§ 29 Abs. 5, 31a, 37, 38 Abs. 2 BtMG).
· Diversion in Privatklageverfahren (§§ 374 ff. StPO, § 80 JGG).
· Diversion durch StA oder Gericht in Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende (§§ 45, 47, 109 Abs. 2 JGG), wenn die informelle Erledigung zur Erreichung des spezialpräventiven Ziels des Jugendstrafrechts ausreichend und geeignet ist, und zwar - im Unterschied zum allgemeinen Strafrecht - unabhängig von Deliktsart oder -schwere, also auch bei Verbrechen (ausgenommen § 45 Abs. 1, JGG).
·
Ein Absehen von
der Verfolgung durch den Staatsanwalt hat - ebenfalls unabhängig von der
Deliktsschwere, also auch bei Verbrechen - Vorrang vor einer Einstellung durch
den Richter. Sind - ausserjustitiell - keine "erzieherischen
Massnahmen" durchgeführt oder eingeleitet, so kann nämlich der
Staatsanwalt selbst die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verfolgung
schaffen, z.B. durch ein "Ermahnungsgespräch" oder durch die Anregung
zu Leistungen, wie sie auch der Richter nach § 45 Abs. 3 JGG
auferlegen kann.
Erfolgte entweder keine erzieherische Massnahme oder wird diese vom
Staatsanwalt spezialpräventiv für nicht ausreichend erachtet, hält er
andererseits aber die Erhebung der Anklage für nicht geboten, dann regt er beim
Jugendrichter die Erteilung einer Ermahnung, von enumerativ aufgeführten
Weisungen (Arbeitsleistung, Täter-Opfer-Ausgleich, Teilnahme an Verkehrsunterricht)
oder von Auflagen (Schadenswiedergutmachung, persönliche Entschuldigung,
Erbringung von Arbeitsleistungen, Bezahlung eines Geldbetrags) an, wenn der
Beschuldigte geständig ist. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht
der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, vorausgesetzt, die Auflagen oder
Weisungen sind erfüllt.
Entsprechende Befugnisse hat gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1-3 JGG auch der Jugendrichter nach Anklageerhebung
(einschliesslich Antrag auf Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren gem.
§ 76 JGG). Der Jugendrichter kann schliesslich
ein Verfahren auch dann gem. § 47 Abs. 1 Nr. 4 JGG einstellen, wenn der Angeklagte mangels Reife
strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
Den jugendstrafverfahrensrechtlichen Einstellungsvorschriften lag und liegt primär das Ziel zugrunde, aus präventiven Gründen stigmatisierende Effekte und soziale Diskriminierungen sowie eine zur Erreichung des jugendstrafrechtlichen Erziehungsziels - Rückfallvermeidung - nicht erforderliche Belastung der betroffenen jungen Menschen zu vermeiden. Die in den letzten Jahren - nicht nur, aber doch auch - betonten verfahrensökonomischen Aspekte - Entlastung der Strafjustiz und Verfahrensbeschleunigung durch Abbau unnötiger Sozialkontrolle sowie Verzicht auf die Verfolgung von Bagatellfällen - hatten demgegenüber Nachrang. Hierin besteht auch der wesentliche Unterschied zu den Begrenzungen des Legalitätsprinzips im allgemeinen Strafrecht durch §§ 153 ff. StPO, bei denen anfänglich Entlastungs-, Beschleunigungs-, Vereinfachungs- und Verbilligungseffekte im Vordergrund standen und es sich hinsichtlich der Vermeidung von Stigmatisierungen eher um einen (erwünschten) Nebeneffekt handelte. Heute ist freilich auch im allgemeinen Strafrecht die Verfahrenseinstellung in den Dienst der präventiven Aufgaben des Strafrechts gestellt. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass spezialpräventiv häufig bereits der Umstand genügt, dass gegen den Täter wegen einer Straftat ermittelt wird.
Grundlage für die folgende Darstellung der Sanktionierungspraxis von Staatsanwaltschaft und Gericht sind die amtlichen Rechtspflegestatistiken.
Für die Zeit vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 kommt als Datenquelle lediglich die 'Kriminalstatistik für das Deutsche Reich' in Betracht, deren Ergebnisse für die Berichtsjahre 1882 bis 1939 veröffentlicht worden sind.
Für die Bundesrepublik Deutschland stehen in Form koordinierter Länderstatistiken zur Verfügung:
·
Die Statistik
bei den Staats- und Amtsanwaltschaften (Staatsanwaltschaftsstatistik - StA-Statistik): In ihr wird die Geschäftserledigung der Staats- und
Amtsanwaltschaften beim LG und OLG gegen bekannte Täter nachgewiesen. Bei der
StA-Statistik handelt es sich um eine Verfahrensstatistik,
d.h. nachgewiesen wird die jeweils schwerste Erledigungsart, mit der das
Verfahren abgeschlossen wurde. Die Zahl der von Ermittlungsverfahren
betroffenen Personen wurde bis vor kurzem lediglich für einige
Erledigungsgruppen mitgeteilt. Erst seit der Neuordnung der StA-Statistik zum 1.1.1998 wird die Zahl der
Personen für die einzelnen Erledigungsentscheidungen nachgewiesen. Angaben zu
den Delikten, die den Ermittlungsverfahren zugrunde lagen, wurden zunächst
nicht erhoben. Als Sondersachgebiete wurden 1986 "Strassenverkehrsstrafsachen"
(die Ergebnisse wurden aber nur für einige Erledigungsarten ausgewiesen), 1987
"Besondere Wirtschaftsstrafsachen", seit 1998 auch
"Betäubungsmittelstrafsachen", "Umweltstrafsachen" und
"Strafsachen gegen die sexuelle Selbstbestimmung" aufgenommen:
zusätzlich wird danach unterschieden, ob es sich um eine Straftat der
"Organisierten Kriminalität" handelt. Seit 2004 werden die
Ermittlungsverfahren nach Sachgebieten kategorisiert. Die bisher ausgewiesenen
Sachgebiete werden um weitere, an Deliktsgruppen orientierte Gebiete ergänzt.
Wegen eines Erhebungsproblems in Schleswig-Holstein liegen allerdings für
dieses Land und damit auch für das Bundesgebiet keine sachgebietsspezifischen
Daten vor.
Die StA-Statistik wurde seit 1976 nach und nach in
den Bundesländern eingeführt: (1976 in Bayern, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz und im Saarland; 1977 in Bremen und Hamburg; 1979 in
Baden-Württemberg; 1980 in Niedersachsen). Erstmals mit dem Berichtsjahr 1981
wurden ihre Ergebnisse vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht, jedoch ohne
die Ergebnisse von Berlin-West, Hessen und Schleswig-Holstein, wo diese
Statistik erst später (1985, 1988 bzw. 1989) eingeführt wurde. Erst seit 1989
liegen deshalb die Ergebnisse für sämtliche alten Bundesländer vor, seit 1993
einschliesslich Berlin-Ost. In den neuen Bundesländern wurde die Führung der StA-Statistik ab 1993 in Sachsen und
Sachsen-Anhalt aufgenommen; ab 1994 in Brandenburg und in Thüringen und ab
1995 in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 1995 liegen demnach auch Daten für
sämtliche neuen Bundesländer vor.
·
Die Statistik
über Straf- und Bussgeldverfahren (im Folgenden: Justizgeschäftsstatistik
der Strafgerichte (StP/OWi-Statistik): In ihr werden der Geschäftsanfall und
die Erledigung von Strafsachen bei den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten
sowie dem Bundesgerichtshof nachgewiesen. Die Justizgeschäftsstatistik wird mit
dem jetzigen Inhalt seit 1970 bzw. - nach inhaltlicher Erweiterung - seit 1989
für die alten Bundesländer, seit 1991 einschliesslich Berlin-Ost, seit 1994
auch einschliesslich der neuen Bundesländer veröffentlicht.
Die Art der Erledigung wird sowohl für Verfahren als auch (seit 1989) für Personen
nachgewiesen; eine Differenzierung nach Delikten erfolgt nicht.
·
Die Strafverfolgungsstatistik
(StVStat): In ihr werden alle Angeklagten nachgewiesen, gegen
die rechtskräftig Strafbefehle erlassen wurden bzw. Strafverfahren nach Eröffnung
des Hauptverfahrens durch Urteil oder Einstellungsbeschluss rechtskräftig
abgeschlossen worden sind. Nicht erfasst werden Ordnungswidrigkeiten sowie
Entscheidungen vor Eröffnung des Hauptverfahrens. Deshalb enthält diese
Statistik z.B. keine Informationen über Verfahrenseinstellungen gem.
§§ 153, 153a, 153b StPO durch die StA. Ausnahmsweise werden jedoch Entscheidungen gemäss
§ 59 StGB, §§ 27, 45 Abs. 3 JGG erfasst.
Die StVStat wird seit 1950 für die alten
Bundesländer (seit 1961 mit Saarland und mit West-Berlin), seit 1995
einschliesslich Berlin-Ost veröffentlicht. Sie wurde in den neuen Bundesländern
bislang in Brandenburg (1994), in Sachsen (1992), in Thüringen (1997) und in
Mecklenburg-Vorpommern (2001) eingeführt. Da sie in Sachsen-Anhalt noch nicht
geführt wird, veröffentlicht das Statistische Bundesamt derzeit, von einigen
Eckwerten (seit 1997) abgesehen, die StVStat
lediglich für die alten Bundesländer einschliesslich Gesamtberlin.
· Die Bewährungshilfestatistik (BewH-Statistik): In ihr werden - neben den hauptamtlichen Bewährungshelfern - vor allem die diesen zur Betreuung unterstellten Probanden der Bewährungshilfe nachgewiesen. Die BewH-Statistik wird seit 1963 bundeseinheitlich geführt. In den neuen Bundesländern wird sie lediglich von Brandenburg (seit 1993) und in Mecklenburg-Vorpommern (seit 1994) geführt. In Hamburg ist sie seit 1992 eingestellt.
· Die Strafvollzugsstatistik (StVollz-Statistik): In ihr wird zum einen zum Stichtag - jeweils zum 31.3. eines Berichtsjahres - die Struktur der Strafgefangenen sowie der Sicherungsverwahrten nachgewiesen (Reihe 4.1), zum anderen der sog. Bestand an Gefangenen und Verwahrten sowie die sog. Gefangenenbewegung (Reihe 4.2). Seit dem Berichtsjahr 2003 wird die Reihe 4.2 nicht mehr geführt; die Bestandsstatistik der Gefangenen und Verwahrten wird seitdem dreimal jährlich (zum 31.3., 31.8. und 30.11. eines jeden Jahres) erstellt. Die StVollz-Statistik wird seit 1961 geführt, seit 1992 ist auch Berlin-Ost einbezogen. Ergebnisse für die neuen Bundesländer werden seit 1992 nachgewiesen.
Bei Abschluss des Manuskripts standen folgende Rechtspflegestatistiken für die Auswertung zur Verfügung:
·
Die Ergebnisse der StA-Statistik für 2004.
1998 war in Hamburg und Schleswig-Holstein die Aufbereitung der StA-Statistik
ausgesetzt, weshalb für diese beiden Länder die Ergebnisse für 1997 als
Näherungswerte zugrunde gelegt wurden. Wegen Aufbereitungsproblemen liegen in
Schleswig-Holstein auch für die Folgejahre bis 2003 einschliesslich keine aktuelleren
Ergebnisse vor als jene aus 1997; deswegen wurden jeweils die Ergebnisse für
1997 als Näherungswert für die Ermittlung des Bundesergebnisses verwendet. In
Sachsen-Anhalt konnten für das vollständige Kalenderjahr 1999 keine Geschäftsergebnisse
erstellt werden, die Ergebnisse für 1999 beziehen sich auf den Zeitraum vom
1.7.1999 bis zum 30.6.2000.
·
Die Ergebnisse der StVStat
liegen für das Berichtsjahr 2004 vor.
In den Jahren zuvor kam es in einigen Ländern aufgrund arbeitsorganisatorischer
Massnahmen in Gerichten und Staatsanwaltschaften teilweise zu verspätet abgegebenen
Meldungen zur Strafverfolgungsstatistik mit der Folge, dass Fälle aus dem
aktuellen Berichtsjahr (Kriterium: Rechtskraft der Entscheidung) erst im
Folgejahr nachgewiesen werden konnten. Dieser zeitliche Zuordnungsfehler
verteilt sich nach Kenntnis des Statistischen Bundesamtes auf die
Berichtsjahre 2000, 2001 und 2002. Für 2003 wurden dem Statistischen Bundesamt
von den Ländern keine Erfassungsfehler angezeigt.
Auf Bundesebene dürften nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes die
absoluten Zahlen über Abgeurteilte und Verurteilte sowie die Veränderungsraten
im Wesentlichen zutreffend sein. Aufbereitungsfehler in Hessen in den Jahren
1999 – 2002 führten zu fehlerhaften Zuordnungen, durch die das – im Folgenden
dargestellte - Gesamtergebnis indes nicht beeinträchtigt worden sein dürfte.
· Die Ergebnisse der BewH-Statistik wurden zuletzt für das Berichtsjahr 2002 (seit 1992 ohne Hamburg) veröffentlicht.
· Die StVollz-Statistik lag zum Stichtag 31.3.2006 hinsichtlich des Bestandes der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten vor.
In regionaler Hinsicht lagen Ergebnisse aus folgenden Statistikbereichen vor:
· Die StA-Statistik bezieht sich auf die alten und (seit 1995) auf sämtliche neuen Bundesländer; die Ergebnisse werden nach Ländern gegliedert ausgewiesen.
· Die veröffentlichten Ergebnisse der StVStat 2004 beziehen sich auf die alten Bundesländer (einschliesslich Gesamtberlin); die Ausweise über Art und Höhe der verhängten Sanktionen werden lediglich für das frühere Bundesgebiet (einschliesslich Gesamtberlin) mitgeteilt. Die Länderergebnisse werden von den Statistischen Landesämtern veröffentlicht, das Statistische Bundesamt teilt insoweit nur Eckdaten mit.
· Für das Berichtsjahr 2002 beziehen sich die Ergebnisse der BewH-Statistik auf das frühere Bundesgebiet einschliesslich Gesamtberlin (seit 1992 ohne Hamburg); flächendeckende Angaben für die neuen Länder liegen noch nicht vor; lediglich aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden Ergebnisse mitgeteilt. Die für die vorliegende Auswertung relevanten Ergebnisse werden nicht nach Ländern aufgeschlüsselt.
· Die Ergebnisse der StVollz-Statistik beziehen sich auf die alten und (seit 1992) auch auf sämtliche neuen Bundesländer; die Angaben werden nach Ländern aufgeschlüsselt.
Den Möglichkeiten der Deskription der Sanktionierungspraxis werden durch diese Informationsinstrumente - die Rechtspflegestatistiken - Grenzen gesetzt. Zum einen sind die statistischen Daten aus den verschiedenen Statistikbereichen nur begrenzt aufeinander beziehbar und untereinander vergleichbar. Zum anderen werden Aussagemöglichkeiten und -grenzen vor allem dadurch bestimmt, welche Daten erhoben und wie diese Daten für Zwecke der Veröffentlichung aufbereitet werden. Speziell für Zeitreihenanalysen ergeben sich weitere Grenzen der Aussagemöglichkeiten aus dem Wechsel von Erhebungs- bzw. Aufbereitungskategorien sowie aus dem - in regionaler und/oder zeitlicher Hinsicht - Fehlen statistischer Daten. Bezogen auf die beiden, der folgenden Darstellung vor allem zugrunde liegenden Statistiken - StA-Statistik, StVStat - heisst dies:
· Die Erhebungseinheiten beider Statistiken stimmen nicht überein. In der StA-Statistik sind Erhebungseinheiten Ermittlungsverfahren, in der StVStat dagegen Personen. Die hieraus resultierenden Unterschiede - von einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sind im Schnitt 1,2 Personen (Beschuldigte) betroffen (2004 kamen auf 5.883.091 Beschuldigte 4.994.776 Ermittlungsverfahren ) - können durch entsprechende Umrechnungen nur ungefähr ausgeglichen werden. Wie die erstmals für das Berichtsjahr 1999 auch für die StA-Statistik erhobenen personenbezogenen Daten zeigen (vgl. Anhang, Tabelle A1 und A2), wurde durch das bisher vom Verf. verwendete Umrechnungsverfahren die Zahl der Personen, deren Ermittlungsverfahren gem. § 45 JGG eingestellt worden war, im Schnitt der alten Bundesländer um gut 10% (bezogen auf die Einstellungen gem. § 45 JGG) unterschätzt, die Zahl der nach JGG (informell oder formell) Sanktionierten um rd. 6%. Die Zahl der nach allgemeinen Vorschriften - §§ 153, 153a, 153b StPO - informell Sanktionierten ist in geringerem Masse unterschätzt (rd. 3%). Der in den Schaubildern sichtbare Anstieg der Diversionsraten von 1997 auf 1998 ist deshalb, und zwar sowohl im allgemeinen Strafrecht als auch im Jugendstrafrecht, ein nur scheinbarer; er beruht auf der Umstellung von den bisherigen "umgerechneten" Ergebnissen auf die nunmehr vorliegenden "echten" personenbezogenen Daten (vgl. Anhang, Tabellen A3 und A4). Bei Verwendung des bisherigen Umrechnungsverfahrens wären die Diversionsraten 1998 gegenüber 1997 praktisch unverändert. Entsprechendes gilt dann, wenn die Zahl der zu freiheitsentziehenden Sanktionen Verurteilten bezogen wird auf die Zahl der (informell oder formell) Sanktionierten. Ab 1998 werden der Auswertung die personenbezogenen Daten der StA-Statistik zugrunde gelegt, lediglich für Schleswig-Holstein lagen zwischen 1997 und 2003 nur die verfahrensbezogenen Ergebnisse aus 1997 vor, die, wie bisher, "umgerechnet" werden mussten.
· Die Daten dieser beiden Statistiken werden zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben, nämlich mit der jeweiligen Verfahrenserledigung. Bei Bezugnahmen - z.B. Anteil der Verurteilten an allen (informell und formell) Sanktionierten - kann sich deshalb eine - nicht vermeidbare - Verzerrung ergeben, weil die beiden Gruppen aus z.T. unterschiedlichen Grundgesamtheiten stammen.
· Für die StA-Statistik wurden in der Vergangenheit so gut wie keine Angaben zu den dem Verfahren zugrunde liegenden Straftaten und zu den von den Verfahren betroffenen Beschuldigten erhoben. Es ist infolgedessen nicht erkennbar, in Abhängigkeit von welchen Täter- und von welchen Deliktsgruppen bestimmte Erledigungsarten gewählt werden. Konkret heisst dies, dass z.B. weder festgestellt werden kann, in welchem Umfang bei Diebstahl, bei Körperverletzung oder bei Raub Verfahrenseinstellungen erfolgen, noch dass aufgrund der StA-Statistik geprüft werden kann, ob die regional extrem unterschiedlichen Diversionsraten auf Unterschieden im Entscheidungsverhalten beruhen oder lediglich unterschiedliche, von der Praxis vorfindbare Tat- und Täterstrukturen widerspiegeln.
· Bei den nachgewiesenen Erledigungsarten, also auch bei Einstellungen aus Opportunitäts- oder Subsidiaritätsgründen, wird nicht danach differenziert, ob sie unter Anwendung von Jugendstrafrecht oder unter Anwendung von allgemeinem Strafrecht erfolgten. Eine Zuordnung der Einstellungen kann deshalb nur über die jeweilige Einstellungsnorm erfolgen, also z.B. so, dass Einstellungen gem. § 45 JGG dem Jugendstrafrecht, Einstellungen gem. §§ 153 ff. StPO dem allgemeinen Strafrecht zugeordnet werden. Gar nicht zuordenbar sind die Einstellungsentscheidung gem. §§ 31, 37a, 38 BtMG. Dies hat unvermeidbar zur Konsequenz, dass im Jugendstrafverfahren erfolgende Einstellungen gem. §§ 153 ff. StPO fälschlicherweise den Erwachsenen statt den nach Jugendstrafrecht verurteilten Jugendlichen/Heranwachsenden zugeordnet werden müssen (Unterschätzung der Diversionsrate im Jugendstrafrecht bei gleichzeitiger Überschätzung im allgemeinen Strafrecht).
· Hinsichtlich der erzieherischen Massnahmen, die im Rahmen von § 45 JGG durchgeführt, angeregt oder angeordnet werden, enthält die StA-Statistik keinerlei Angaben. Bei § 45 Abs. 2 JGG sind dementsprechend weder Art noch Häufigkeit der "Weisungen" oder "Auflagen" erkennbar. Die nach § 153a Abs. 1 StPO zulässigen Auflagen und Weisen werden dagegen zahlenmässig erfasst; nicht erfasst werden die Inhalte, also z.B. die Höhe des auferlegten Geldbetrages.
Im Vergleich zur StA-Statistik sind die für die StVStat erhobenen Angaben für Zwecke der Beschreibung der Sanktionierungspraxis informativer und differenzierter. Erhoben und nachgewiesen werden Angaben zu Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit der Abgeurteilten bzw. Verurteilten, zu Art und (teilweise auch zu) Höhe der Sanktion sowie zu dem der Verurteilung zugrunde liegenden schwersten Straftatbestand. Allerdings bestehen auch hier einige bedeutsame Einschränkungen:
· In der StVStat wird jeder Verurteilte nur einmal ausgewiesen, und zwar bei dem nach Art und Mass mit der abstrakt schwersten Strafe bedrohten Delikt. Daraus folgt, dass die der Verurteilung zugrunde liegenden Delikte um so ungenauer erfasst sind, je geringer die Strafdrohung eines Deliktes ist.
· Den Strafrahmen beeinflussende Entscheidungen, wie z.B. Versuch/Vollendung, Täterschaft/Teilnahme, Gesamtstrafenbildung, werden nicht im Tabellenprogramm über die Art und Höhe der Strafen ausgewiesen.
· Insbesondere durch Gesamtstrafenbildung bzw. - im Jugendstrafrecht - durch die Einbeziehung noch nicht vollständig verbüsster Sanktionen (§ 31 Abs. 2 JGG) wird das Bild der Sanktionierungspraxis in Richtung auf schwerere Strafen hin verschoben.
· Schliesslich gibt die Orientierung an Straftatbeständen nicht wieder, ob insbesondere wegen unbenannter Strafänderungsgründe Sonderstrafrahmen angewendet wurden.
· Die Höhe bzw. Inhalte der nach allgemeinem Strafrecht verhängten Sanktionen werden nur bei freiheitsentziehenden Strafen relativ differenziert erfasst; die Vollständigkeit und Differenziertheit der Erfassung nimmt jedoch deutlich ab, je eingriffsschwächer die Sanktion ist. Dies heisst im einzelnen:
Im Unterschied zum allgemeinen Strafrecht wird bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht nicht nur die schwerste Strafe ausgewiesen, sondern bei Erziehungsmassregeln und Zuchtmitteln die insgesamt verhängten, also auch die nebeneinander angeordneten Sanktionen. Ansonsten gilt auch hier, dass die Differenziertheit des Ausweises abnimmt, je eingriffsschwächer die Sanktion ist.
· Bei Einstellungen gem. § 47 JGG wird nur das Ob erfasst, nicht nachgewiesen werden die angeordneten erzieherischen Massnahmen.
· Entsprechendes gilt für den Nachweis der durch Urteil angeordneten Erziehungsmassregeln. Diese werden lediglich der Art nach (Weisung, Erziehungsbeistandschaft, Heimerziehung) erhoben. Weder wird erfasst, ob mehrere Weisungen nebeneinander angeordnet wurden, noch wird die Art der Weisung (z.B. Arbeitsweisung, Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich usw.), geschweige denn deren Mass (z.B. Stundenzahl der Arbeitsweisung) erfasst.
· Auch die Zuchtmittel werden lediglich der Art und der Häufigkeit ihrer Anordnung nach (Verwarnung, Auflagen, Jugendarrest) erhoben, wobei hier - weitergehend als bei den Erziehungsmassregeln - zwischen den drei Formen des Jugendarrestes (Freizeit-, Kurz- und Dauerarrest) unterschieden und innerhalb der Auflagen jeweils die Auflagenarten, den Schaden wiedergutzumachen, einen Geldbetrag zu zahlen oder sich bei dem Verletzten zu entschuldigen getrennt ausgewiesen werden, sowie - seit 1991 - die Arbeitsleistung und die Kombination von Arbeitsleistung und Entschuldigung. Nicht ausgewiesen wird aber das verhängte Mass, also die Dauer des Arrestes, die Höhe des zu zahlenden Geldbetrages oder die Zahl der zu leistenden Stunden gemeinnütziger Arbeit.
· Hinsichtlich der Jugendstrafe schliesslich wird - relativ differenziert - die Dauer der verhängten Jugendstrafe in derzeit sieben Kategorien ausgewiesen. Wegen mehrfacher Änderung der Kategorien - seit 1954 blieben lediglich die Kategorien "6 Monate bis einschliesslich 1 Jahr" und "mehr als 1 Jahr" unverändert - sind freilich auch einer zeitlichen Längsschnittanalyse, die bis zum Inkrafttreten des gegenwärtigen JGG im Jahr 1953 zurückgehen will, deutliche Grenzen gesetzt.
·
Hinsichtlich der
Bewährungsstrafen gilt: Erfasst wird, ob die Verhängung der Jugendstrafe bzw.
ob die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ob
Auflagen oder Weisungen verhängt wurden, wird – im Unterschied zu Verurteilungen
nach allgemeinen Strafrecht - dagegen ebenso wenig erhoben wie die Art der Auflagen/Weisungen.
Die mit den informellen Erledigungsmöglichkeiten verbundenen Auflagen/Weisungen
werden, soweit es sich um Einstellungsentscheidungen des Gerichts handelt, in
der Justizgeschäftsstatistik in Strafsachen erfasst, ausgenommen bei den
(allerdings zahlenmässig geringen) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in
der Rechtsmittelinstanz. Grenzen der Aussagemöglichkeiten bestehen, auch
insoweit weitgehend mit jenen der StA-Statistik vergleichbar,
aufgrund der fehlenden Differenzierung nach Delikt, nach Alter und Geschlecht
der Beschuldigten.
Aus dem grossen Bereich der Strafvollstreckung wird lediglich die
bedingte Freiheitsstrafe erfasst, und auch hiervon nur ein Ausschnitt, nämlich
jener der Unterstellung unter einen hauptamtlichen Bewährungshelfer.
Hinsichtlich der Vollstreckung der weit überwiegenden Zahl der Sanktionen,
nämlich der ambulanten Sanktionen (Geldstrafe im allgemeinen Strafrecht;
Erziehungsmassregeln, Verwarnung, Auflagen im Jugendstrafrecht), fehlen
dagegen statistische Angaben. Entsprechendes gilt für die Vollstreckung von
Massregeln der Besserung und Sicherung. Infolge des Fehlens von
strafvollstreckungsstatistischen Informationen ist z.B. die Rate der eine
Geldstrafe in Form einer Ersatzfreiheitsstrafe verbüssenden Personen nicht
genau ermittelbar. Näherungsweise lässt sich diese Rate allerdings durch
Gegenüberstellung der Zahl der zu Geldstrafe Verurteilten mit den zur Verbüssung
einer Ersatzfreiheitsstrafe in die Strafvollzugsanstalt aufgenommenen Personen
bestimmen. Wegen der unterschiedlichen Erfassungszeiträume von Strafverfolgungs-
und Strafvollzugsstatistik ist eine exakte Bestimmung nicht möglich.
Über die Zahl der Untersuchungshaftanordnungen, der
Untersuchungsgefangenen und über die Dauer der Untersuchungshaft fehlen vollständige
statistische Nachweise.
Für die StVStat werden zwar seit 1975 die Abgeurteilten mit
Untersuchungshaft erfasst, wobei zugrunde liegender Straftat, Geschlecht,
Haftgründe, Dauer der Untersuchungshaft, auch im Vergleich zur erkannten
Strafe, sowie die erkannte schwerste Entscheidung ausgewiesen werden. Nicht erfasst
ist in der Zahl der Abgeurteilten mit Untersuchungshaft die – mutmasslich
kleine - Zahl von Untersuchungsgefangenen, die überhaupt nicht angeklagt
wurden, d.h., es fehlen Nachweise über Untersuchungsgefangene, bei denen
das Verfahren gem. §§ 170 Abs. 2, 153 ff. StPO, § 45 JGG vor
Eröffnung des Hauptverfahrens eingestellt wurde. Nicht erfasst sind ferner
Haftanordnungen, die nach Rechtskraft der das Verfahren abschliessenden
Entscheidung ergehen, also insbesondere Fälle des Sicherungsbefehls nach
§ 453c StPO.
Die StVollz-Statistik informiert lediglich über die Zahl der am jeweiligen Stichtag inhaftierten Untersuchungsgefangenen. Stichtagszahlen sind aber kein Mass für die Zahl inhaftierter Personen, sondern ein Mass für (auf Personen bezogene) Inhaftierungszeiten, d.h., sie sind eine Funktion der Zahl der Inhaftierten und der Haftdauer. Je kürzer die Inhaftierungszeit ist, desto geringer ist der Ausschnitt der am Stichtag erfassten Zahl der Inhaftierten. Deshalb ist die zum Stichtag erfasste Zahl der inhaftierten Untersuchungsgefangenen wesentlich niedriger als die Zahl der insgesamt in einem Jahr inhaftierten Untersuchungsgefangenen, was wiederum erklärt, weshalb die entsprechenden Zahlen von StVollz-Statistik und StVStat erheblich voneinander abweichen. In den ebenfalls in der StVollz-Statistik ausgewiesenen Zahlen über Zugänge sind nicht nur Erstaufnahmen in den Vollzug erfasst, sondern jede Aufnahme. Es kann deshalb, insbesondere bei Verlegungen in andere Anstalten, zu Mehrfachzählungen kommen. In den StVollz-Statistiken fehlen Angaben zu Haftdauer, Haftgrund, zugrunde liegender Straftat.
Über die Gesamtzahl der in einem Jahr Strafhaft verbüssenden Gefangenen informiert die Strafvollzugsstatistik nur unvollständig. Nachgewiesen werden zum einen demographische Daten der zum Stichtag – 31.3. – erfassten Gefangenen, zum anderen Bestands- und Bewegungsdaten, die, wie zuvor bereits erwähnt, kein brauchbares Mass für die Zahl inhaftierter Personen sind. Die Bewegungsdaten – Zugangs- bzw. Abgangszahlen – sind nicht aussagekräftig für eine Zählung von Personen, weil jede Verlegung von Anstalt zu Anstalt sowie Verlegungen innerhalb einer Anstalt gezählt werden. Aber auch die jeweils zum Ende eines jeden Monats ermittelten Bestandszahlen geben die Zahl der insgesamt Inhaftierten nicht korrekt wider, weil zum einen Gefangene mit einer Vollzugsdauer von unter 12 Monaten unterrepräsentiert sind, zum anderen weil Bestandszahlen „empfindlich„ sind für anstaltsorganisatorische und vollzugliche Massnahmen, wie sie etwa die sog. „Weihnachtsamnestien“, aber auch Lockerungen darstellen.
Die StA-Statistik wird erst seit 1981 auf Bundesebene veröffentlicht, erst seit dem Berichtsjahr 1989 liegt sie für sämtliche (alten) Bundesländer und erst seit 1995 auch für alle neuen Bundesländer vor. Diese zeitlichen und regionalen Beschränkungen begrenzen die Auswertungsmöglichkeiten, insbesondere hinsichtlich der informellen Sanktionierung. "Bundesergebnisse" der StA-Statistik für die Zeit zwischen 1981 und 1989 sind mit den Unsicherheiten von "Hochrechnungen" behaftet. Da Angaben fehlten für Berlin (1981 - 1984), Hessen (1981 - 1987) und Schleswig-Holstein (1981 - 1988), wurden für die folgende Auswertung die Daten über Einstellungen aus Opportunitäts- bzw. Subsidiaritätsgründen vom Verf. auf der Grundlage der Bevölkerungszahlen und entsprechend dem Durchschnittswert der anderen Länder geschätzt und so Zahlen für das Bundesgebiet "hochgerechnet".
Grenzen der Aussagemöglichkeiten ergeben sich des Weiteren daraus, dass sich die veröffentlichten Daten der StVStat auf die alten Bundesländer einschliesslich Berlin-West (seit 1995 einschliesslich Gesamtberlin) beschränken. Deshalb ist eine auf diese veröffentlichten Daten gestützte Beschreibung der Sanktionspraxis nur hinsichtlich der alten Bundesländer möglich.
Wegen der zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden Einbeziehung von Ost-Berlin in die StA-Statistik (1993) und in die StVStat (1995) ist für diese Jahre eine geringfügige Überschätzung der informellen Sanktionen unvermeidbar.
Trotz dieser nicht unerheblichen Einschränkung der Aussagemöglichkeiten im Detail besitzen die Rechtspflegestatistiken gegenüber Primärdatenerhebungen oder Aktenanalysen den unbestreitbaren Vorteil, dass sie es erlauben, die langfristige Entwicklung der Sanktionspraxis seit 1882 hinsichtlich aller Sanktionsarten (wenngleich nicht immer nach deren Inhalt bzw. Mass) und in regionaler Differenzierung zumindest in groben Zügen beschreiben zu können. Seit 1981 ist es ferner möglich, auch die sog. "informellen Sanktionen" von Staatsanwaltschaft und Gericht in ihren Grössenordnungen im zeitlichen Längsschnitt und im regionalen Querschnitt zu beschreiben und zu analysieren. Primärdatenerhebungen oder Aktenanalysen leiden demgegenüber unter dem regelmässig nicht ausräumbaren Nachteil der zeitlichen oder lokalen Beschränkung, die einer Verallgemeinerung der Befunde entgegenstehen.
Wegen der regional begrenzten Verfügbarkeit der Ergebnisse insbesondere der StVStat beziehen sich die im Folgenden mitgeteilten Ergebnisse bis 1960 auf die alten Bundesländer (ohne Saarland und Berlin-West), ab 1961 auf die alten Bundesländer einschliesslich Berlin-West, ab 1995 auf die alten Bundesländer einschliesslich Gesamtberlin. Länderspezifische Auswertungen werden nur ausnahmsweise vorgenommen und dargestellt.
Kennzeichnend für die Strafzumessungspraxis der letzten 123 Jahre, die in Deutschland (hinsichtlich der Bundesrepublik Deutschland: alte Bundesländer, weil die Daten der StVStat für einen Teil der neuen Länder noch fehlen) statistisch überblickt werden können, ist - bezogen auf Verurteilte wegen Verbrechen und Vergehen - die nachhaltige Zurückdrängung der unbedingt verhängten freiheitsentziehenden Sanktionen (stationäre Sanktionen) zugunsten ambulanter Sanktionen, namentlich der Geldstrafe (Schaubild 3).
Schaubild 3: Entwicklung der Sanktionierungspraxis insgesamt (Zeitreihe)
Figure 3: Total Development of Sanctioning Practice
1882, zu Beginn des statistisch überblickbaren Zeitraumes, betrug der Anteil der unbedingt verhängten freiheitsentziehenden Sanktionen 76,8%. Lediglich bei 22,2% der Verurteilten war auf Geldstrafe erkannt worden. Der Anteil der auf Todesstrafe lautenden Urteile betrug 0,03%; in der Folgezeit schwankte dieser Anteil zwischen 0,01% und 0,05% (1939) . Die sonstigen Sanktionen spiegeln die Sanktionierungspraxis gegenüber jungen Menschen (bis 1923) bzw. im Jugendstrafrecht wider. "Das mächtige Überwiegen der Freiheitsstrafe stand", wie Exner (Studien über die Strafzumessungspraxis der deutschen Gerichte, Leipzig 1931, S. 18) zutreffend bemerkte, "nicht nur auf dem Papier, es war lebendes Recht. Sicher ist aber auch, dass sich von da ab das Verhältnis allmählich und in erstaunlicher Gleichförmigkeit verschoben hat ...".
1950, dem ersten Jahr mit statistischen Ergebnissen für die Bundesrepublik Deutschland, betrug der Anteil unbedingt verhängter freiheitsentziehender Sanktionen noch 39,1%; 2004 entfielen hierauf lediglich noch 8,3% aller Verurteilungen. Von sämtlichen nach allgemeinem und nach Jugendstrafrecht Verurteilten wurden 2004 69,6% zu einer Geldstrafe verurteilt. Weitere 13,2% wurden zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt, 8,8% nach Jugendstrafrecht zu ambulanten Erziehungsmassregeln oder Zuchtmitteln. Das volle Ausmass der Zurückdrängung stationärer zugunsten ambulanter Sanktionen zeigt sich indes erst, wenn auch die Einstellungen gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG berücksichtigt werden, die ja 1882 (jedenfalls in der Theorie) alle zur Verurteilung führten. Denn dann dürften gegenwärtig (Stand: 2004) lediglich noch 3,7% aller sanktionierbaren Personen zu einer unmittelbar mit Freiheitsentziehung verbundenen Sanktion verurteilt worden sein.
Dem ultima ratio-Prinzip zur Vermeidung einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe ist damit die Praxis in beachtlichem Masse näher gekommen, beachtlich auch deshalb, weil in sämtlichen Straftatbeständen des Besonderen Teils des StGB weiterhin Freiheitsstrafe - zumindest neben Geldstrafe - angedroht ist. Die Praxis folgt also "der Erkenntnis, dass unter generalpräventiven Gesichtspunkten weitgehend auf vollstreckte Freiheitsstrafen verzichtet werden kann und dass diese unter Resozialisierungsaspekten ungünstiger sind als alle anderen Sanktionsalternativen" (Schöch, Empfehlen sich Änderungen und Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug? Gutachten C zum 59. Deutschen Juristentag, München 1992, C 21 f.).
Die Entwicklung des Hauptstrafensystems des StGB ist aber nicht nur gekennzeichnet durch die Zurückdrängung stationärer zugunsten ambulanter Sanktionen, sondern auch durch den zunehmenden Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten aufgrund von Opportunitätsvorschriften, also der deutschen Variante von Diversion in Form verfahrensrechtlicher Entkriminalisierung.
Was das Ausmass angeht, in dem von den Diversionsvorschriften Gebrauch gemacht wird, fehlen im zeitlichen Längsschnitt exakte Angaben. Verfügbar sind lediglich begründete, in den letzten Jahren wegen Vervollständigung der Datenbasis indes zunehmend genauer werdende Näherungswerte. Dass es sich um Näherungswerte handelt, beruht vor allem darauf, dass zum einen sowohl die verfahrensbezogenen Daten der StA-Statstik (personenbezogene Daten liegen erst ab 1998 vor, ausgenommen Schleswig-Holstein, für das derzeit nur die verfahrensbezogenen Daten aus 1997 vorliegen) als auch die der Justizstatistik (bis 1988 einschliesslich) auf Personen "umzurechnen" waren (zum Vergleich "umgerechneter" zu "echter" Personenzählung in der StA-Statistik vgl. die Tabellen im Anhang), dass zum zweiten die bis 1989 für einzelne Bundesländer fehlenden Angaben der StAStat wegen teilweise fehlender Länderergebnisse auf die (alten) Bundesländer "hochgerechnet" werden mussten. Hinzu kommt schliesslich, dass sich die Zahlen über staatsanwaltschaftliche Erledigungen und gerichtliche Verurteilungen nicht auf dieselbe Grundgesamtheit beziehen; die Erfassungszeiträume sind zeitlich versetzt.
Unter dieser Einschränkung lässt sich sagen, dass die Praxis von StA und Gericht die Möglichkeiten, das Verfahren gegen hinreichend tatverdächtige Beschuldigte unter den Voraussetzungen der §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG einzustellen, voll angenommen hat, freilich zu Lasten materiellrechtlicher Instrumente, wie Absehen von Strafe (§ 60 StGB) oder Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB), die praktisch bedeutungslos geblieben sind. Den Anstieg der Zahl der sanktionierbaren Personen hat die Praxis durch den vermehrten Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten aufgefangen; auf diese Weise konnte die absolute Zahl der Verurteilten in etwa konstant gehalten werden (Schaubild 4). Weniger als die Hälfte aller sanktionierbaren Personen werden derzeit auch verurteilt; der Anteil der nach allgemeinem oder nach Jugendstrafrecht Verurteilten an den sanktionierbaren Personen ging von 63,7% (1981) auf 44,3% (2004; mit Einstellungen gem. §§ 31a, 37, 38 BtMG 42,6%) zurück (Schaubild 5).
Träger dieser Diversionsentscheidungen ist vor allem die Staatsanwaltschaft. Anfang der 80er Jahre wurden zwei Drittel (67,4%) aller Diversionsentscheidungen durch die StA ausgesprochen; dieser Anteil ist inzwischen auf 85,0% (unter Einschluss auch der BtMG-Entscheidungen: 85,9%) gestiegen. Die quantitative Bedeutung zeigt die Gegenüberstellung der absoluten Zahlen für 2004: Rd. 839.000 Personen , deren Verfahren durch die StA gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, § 45 JGG stellt worden waren, standen rd. 934.000 Personen gegenüber, die entweder formell sanktioniert wurden (N=785.061) oder deren Verfahren durch das Gericht gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, § 47 JGG (N=149.000) eingestellt worden waren. In relativen Zahlen heisst dies, dass 2004 47,3% aller formell oder informell Sanktionierten durch die StA sanktioniert worden waren.
Schaubild 4: Informell und formell Sanktionierte, abs. Zahlen (Zeitreihe)
Figure 4: Informally and Formally Sanctioned Offenders, absolute values (Timeline)
Schaubild 5: Informell und formell Sanktionierte, in % der Sanktionierten (Zeitreihe)
Figure 5: Informally and Formally Sanctioned Offenders, as Percentages of the Total of Sanctioned Offenders
Gegen diese Verschiebung von Sanktionskompetenz auf die StA werden in der Strafrechtswissenschaft rechtliche und kriminalpolitische Bedenken erhoben. So sehen manche das Gewaltenteilungsprinzip und den Grundsatz der Unschuldsvermutung als verletzt an. Kritik wird ferner an der Unbestimmtheit der Einstellungsvoraussetzungen laut: Aufgabe des Gesetzgebers, nicht aber der Exekutive, sei es, diese Voraussetzungen zu präzisieren. Durch die Opportunitätsvorschriften werde ein "exekutivisches Recht" geschaffen, ein durch Weisungen beeinflusstes Sonderstrafrecht, das flexibel den Bedürfnissen der Strafrechtspflege, kriminalpolitischen Strömungen und politischen Programmen angepasst werden könne. Befürchtet wird ferner, mittels §§ 153 ff. StPO werde auch in Fällen sanktioniert, in denen früher mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden sei ("Ausweitung des Netzes sozialer Kontrolle"). Zu den Bedenken gehört schliesslich, durch § 153a StPO würden intellektuell und finanziell höherstehende Beschuldigte bevorzugt ("Freikaufverfahren", "Reichenprivileg"), der "deal" sei nicht mehr aufzuhalten. Die in empirischer Hinsicht vorgetragenen Bedenken, insbesondere das einer Ausweitung des Netzes sozialer Kontrolle, konnten durch die bisherigen Forschungen für den Rechtszustand und für die Sanktionierungspraxis der Bundesrepublik Deutschland nicht bestätigt werden.
Im Jahr 2004
wurden in den alten Ländern (einschliesslich Berlin-Ost) insgesamt 958.259
Personen abgeurteilt, d. h. ein Hauptverfahren wurde rechtskräftig abgeschlossen,
sei es durch Verurteilung, Einstellung, Freispruch oder durch die selbständige
Anordnung von Massregeln der Besserung und Sicherung. Von den Abgeurteilten
wurden 775.802 Personen (=81,0%) verurteilt (vgl. Tabelle 1). Die weit überwiegende Zahl der Aburteilungen
(2004: 83,6%) erfolgte nach allgemeinem Strafrecht. Wird differenziert zwischen
den nach allgemeinem und den nach Jugendstrafrecht Abgeurteilten, dann zeigen
sich allerdings erhebliche Unterschiede in den Verurteilungsraten. Im
Unterschied zur im Wesentlichen konstant gebliebenen Verurteiltenrate des
allgemeinen Strafrechts (1976: 84,8%; 2004: 83,7%) ist die entsprechende Rate
im Jugendstrafrecht in den letzten beiden Jahrzehnten von 76% auf 67%
zurückgegangen, allerdings mit leicht steigender Tendenz seit 1998.
Wie Tabelle 3
(Spalte 9) zeigt, beruhen diese
Unterschiede ausschliesslich auf der Zunahme der Einstellungen gem.
§ 47
JGG. Dies entspricht der Konzeption des Gesetzgebers, der in
§ 47 JGG
Möglichkeiten der erzieherisch motivierten, mit Auflagen oder
Weisungen
verbundenen Verfahrenseinstellung geschaffen hat, die über die
Einstellungsmöglichkeiten des allgemeinen Strafverfahrensrechts weit
hinausreichen.
Die Freispruchsquote liegt sowohl bei Aburteilungen im allgemeinen als auch im
Jugendstrafrecht deutlich unter 5% (Tabelle 2, Sp. 10; Tabelle 3, Sp. 11). Die Höhe
der Nichtverurteilungsrate beruht dementsprechend vor allem auf der Einstellung
des Verfahrens, die vor allem im Jugendstrafrecht deutlich zugenommen hat und
dort das 2fache der Einstellungsrate im allgemeinen Strafrecht beträgt. Die
weiteren Gründe für eine Nicht-Verurteilung sind quantitativ und bezogen auf
alle Straftaten bedeutungslos.
Tabelle 1: Abgeurteilte
und Verurteilte nach allgemeinem und nach Jugendstrafrecht, 1976 bis 2004; alle
Straftaten.
Früheres Bundesgebiet mit Berlin-West, seit 1994 einschl. Berlin-Ost.
Jahr |
Abgeurteilte insg. |
% nach allg. Strafrecht Abgeurteilte an Abgeurteilten insg. |
% nach Jugendstrafrecht Abgeurteilte an Abgeurteilten insg. |
Verurteilte insgesamt |
% Verurteilte an Abgeurteilten insg. |
% nach allg. Strafrecht Verurteilte an Abgeurteilten nach allg. Strafrecht insg. |
% nach Jugendstrafrecht Verurteilte an Abgeurteilten nach Jugendstrafrecht insg. |
|
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
1976 |
839.679 |
83,2 |
16,8 |
699.339 |
83,3 |
84,8 |
76,0 |
1977 |
882.855 |
82,3 |
17,7 |
722.966 |
81,9 |
83,6 |
73,9 |
1978 |
917.532 |
81,0 |
19,0 |
739.044 |
80,5 |
82,6 |
71,7 |
1979 |
906.232 |
79,8 |
20,2 |
718.779 |
79,3 |
81,8 |
69,5 |
1980 |
928.906 |
79,1 |
20,9 |
732.481 |
78,9 |
81,6 |
68,5 |
1981 |
952.091 |
78,1 |
21,9 |
747.463 |
78,5 |
81,5 |
67,9 |
1982 |
981.083 |
77,6 |
22,4 |
772.194 |
78,7 |
81,8 |
68,1 |
1983 |
998.208 |
77,8 |
22,2 |
784.657 |
78,6 |
81,9 |
67,1 |
1984 |
966.339 |
78,9 |
21,1 |
753.397 |
78,0 |
81,3 |
65,4 |
1985 |
924.912 |
80,2 |
19,8 |
719.924 |
77,8 |
81,0 |
65,1 |
1986 |
908.652 |
81,7 |
18,3 |
705.348 |
77,6 |
80,4 |
65,1 |
1987 |
890.666 |
82,9 |
17,1 |
691.394 |
77,6 |
80,1 |
65,5 |
1988 |
903.211 |
83,5 |
16,5 |
702.794 |
77,8 |
80,3 |
65,0 |
1989 |
888.089 |
85,1 |
14,9 |
693.499 |
78,1 |
80,6 |
64,0 |
1990 |
878.305 |
86,1 |
13,9 |
692.363 |
78,8 |
81,3 |
63,3 |
1991 |
869.195 |
86,8 |
13,2 |
695.118 |
80,0 |
82,5 |
63,4 |
1992 |
883.056 |
87,3 |
12,7 |
712.613 |
80,7 |
83,1 |
64,2 |
1993 |
931.051 |
87,8 |
12,2 |
760.792 |
81,7 |
84,2 |
63,7 |
1994 |
936.459 |
87,7 |
12,3 |
765.397 |
81,7 |
84,5 |
62,2 |
1995 |
937.385 |
86,7 |
13,3 |
759.989 |
81,1 |
84,0 |
61,7 |
1996 |
944.324 |
86,2 |
13,8 |
763.690 |
80,9 |
83,9 |
62,2 |
1997 |
960.334 |
85,6 |
14,4 |
780.530 |
81,3 |
84,3 |
63,3 |
1998 |
974.187 |
85,1 |
14,9 |
791.549 |
81,3 |
84,4 |
63,3 |
1999 |
940.683 |
84,6 |
15,4 |
759.661 |
80,8 |
83,7 |
64,5 |
2000 |
908.261 |
84,0 |
16,0 |
732.733 |
80,7 |
83,7 |
64,7 |
2001 |
890.099 |
83,6 |
16,4 |
718.702 |
80,7 |
83,6 |
66,2 |
2002 |
893.005 |
82,8 |
17,2 |
719.751 |
80,6 |
83,6 |
66,1 |
2003 |
911.848 |
83,2 |
16,8 |
736.297 |
80,7 |
83,7 |
66,3 |
2004 |
958.259 |
83,6 |
16,4 |
775.802 |
81,0 |
83,7 |
67,1 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 1976-2004.
Tabelle 2: Nach allgemeinem Strafrecht Abgeurteilte nach Art der Entscheidung, 1976 bis 2004; alle Straftaten.
Alte Bundesländer mit Westberlin, seit 1995 mit Gesamtberlin.
Jahr |
Abgeurteilte insg. |
Verurteilte insg. |
Nicht-Verurteilte insg. |
Selbständig auf Massregeln |
Neben Freispruch auf Massregeln |
von Strafe abgesehen |
Einstellung des Verfahrens ohne Massregeln |
Freispruch ohne Massregeln |
||
|
N |
N |
in % von (1) |
(4) |
in % |
in % |
in % |
in % von (1) |
in % von (4) |
in % |
|
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
(8) |
(9) |
(10) |
1976 |
698.703 |
592.154 |
84,8 |
106.549 |
0,03 |
0,02 |
0,13 |
10,6 |
69,5 |
4,5 |
1977 |
726.375 |
607.307 |
83,6 |
119.068 |
0,03 |
0,01 |
0,08 |
11,8 |
71,9 |
4,5 |
1978 |
743.542 |
614.252 |
82,6 |
129.290 |
0,03 |
0,01 |
0,06 |
12,8 |
73,8 |
4,4 |
1979 |
723.247 |
591.543 |
81,8 |
131.704 |
0,03 |
0,02 |
0,06 |
13,7 |
75,0 |
4,4 |
1980 |
735.170 |
599.832 |
81,6 |
135.338 |
0,03 |
0,01 |
0,06 |
14,0 |
75,8 |
4,4 |
1981 |
743.788 |
605.946 |
81,5 |
137.842 |
0,03 |
0,01 |
0,05 |
14,3 |
77,3 |
4,1 |
1982 |
761.078 |
622.434 |
81,8 |
138.644 |
0,03 |
0,01 |
0,04 |
14,2 |
78,1 |
3,9 |
1983 |
776.655 |
636.105 |
81,9 |
140.550 |
0,03 |
0,01 |
0,05 |
14,3 |
78,8 |
3,7 |
1984 |
762.100 |
619.800 |
81,3 |
142.300 |
0,03 |
0,02 |
0,04 |
14,9 |
79,5 |
3,7 |
1985 |
741.861 |
600.798 |
81,0 |
141.063 |
0,03 |
0,01 |
0,05 |
15,1 |
79,6 |
3,8 |
1986 |
742.193 |
597.028 |
80,4 |
145.165 |
0,03 |
0,01 |
0,06 |
15,7 |
80,2 |
3,8 |
1987 |
737.932 |
591.321 |
80,1 |
146.611 |
0,03 |
0,01 |
0,04 |
16,0 |
80,4 |
3,8 |
1988 |
754.560 |
606.103 |
80,3 |
148.457 |
0,03 |
0,01 |
0,04 |
15,9 |
80,8 |
3,7 |
1989 |
755.367 |
608.548 |
80,6 |
146.819 |
0,04 |
0,01 |
0,07 |
15,8 |
81,1 |
3,6 |
1990 |
756.285 |
615.089 |
81,3 |
141.196 |
0,04 |
0,01 |
0,07 |
15,2 |
81,7 |
3,3 |
1991 |
754.420 |
622.390 |
82,5 |
132.030 |
0,05 |
0,01 |
0,09 |
14,3 |
81,6 |
3,1 |
1992 |
771.107 |
640.774 |
83,1 |
130.333 |
0,05 |
0,01 |
0,07 |
13,8 |
81,7 |
3,0 |
1993 |
817.044 |
688.128 |
84,2 |
128.916 |
0,04 |
0,01 |
0,05 |
12,9 |
82,0 |
2,7 |
1994 |
820.841 |
693.432 |
84,5 |
127.409 |
0,05 |
0,01 |
0,04 |
12,8 |
82,2 |
2,7 |
1995 |
813.055 |
683.258 |
84,0 |
129.797 |
0,04 |
0,01 |
0,06 |
13,1 |
81,9 |
2,8 |
1996 |
814.344 |
682.844 |
83,9 |
131.500 |
0,05 |
0,01 |
0,05 |
13,2 |
81,9 |
2,8 |
1997 |
821.706 |
692.723 |
84,3 |
128.983 |
0,06 |
0,00 |
0,07 |
12,9 |
82,0 |
2,7 |
1998 |
828.913 |
699.548 |
84,4 |
129.365 |
0,06 |
0,00 |
0,09 |
12,8 |
81,9 |
2,7 |
1999 |
795.483 |
666.059 |
83,7 |
129.424 |
0,06 |
0,00 |
0,08 |
13,4 |
82,4 |
2,7 |
2000 |
763.307 |
638.893 |
83,7 |
124.414 |
0,07 |
0,00 |
0,05 |
13,5 |
82,7 |
2,7 |
2001 |
744.122 |
622.027 |
83,6 |
122.095 |
0,08 |
0,00 |
0,06 |
13,6 |
82,8 |
2,7 |
2002 |
739.555 |
618.269 |
83,6 |
121.286 |
0,08 |
0,01 |
0,04 |
13,7 |
83,3 |
2,6 |
2003 |
758.667 |
634.735 |
83,7 |
123.932 |
0,07 |
0,00 |
0,04 |
13,6 |
83,0 |
2,7 |
2004 |
801.037 |
670.279 |
83,7 |
130.758 |
0,09 |
0,00 |
0,05 |
13,6 |
83,3 |
2,6 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 1976-2004.
Tabelle 3: Nach Jugendstrafrecht Abgeurteilte nach Art der Entscheidung 1976 bis 2004; alle Straftaten. Alte Bundesländer mit Westberlin, seit 1995 mit Gesamtberlin.
Table 3: Judgments under Juvenile Penal Law by Type of Decision, 1976-2003; all offences All former West German States including West Berlin, since 1995 including Berlin.
|
Abgeurteilte insg. |
Verurteilte insg. |
Nicht-Verurteilte insg. |
Selbständig auf Massregeln |
Überweisung an den Vormundschaftsrichter |
Einstellung des Verfahrens insg. |
|
Freispruch |
|||
|
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
(8) |
(9) |
(10) |
(11) |
|
N |
N |
in % von (1) |
N |
in % von (1) |
in % von (1) |
in % von (1) |
in % von (4) |
in % von (1) |
in % von (4) |
in % von (1) |
1976 |
140.976 |
107.185 |
76,0 |
33.791 |
0,03 |
0,04 |
20,8 |
86,8 |
15,8 |
66,0 |
3,1 |
1977 |
156.480 |
115.659 |
73,9 |
40.821 |
0,03 |
0,02 |
23,1 |
88,5 |
18,1 |
69,3 |
2,9 |
1978 |
173.990 |
124.792 |
71,7 |
49.198 |
0,02 |
0,02 |
25,4 |
89,7 |
20,3 |
71,9 |
2,9 |
1979 |
182.985 |
127.236 |
69,5 |
55.749 |
0,02 |
0,02 |
27,7 |
90,9 |
22,8 |
74,8 |
2,7 |
1980 |
193.736 |
132.649 |
68,5 |
61.087 |
0,02 |
0,01 |
29,0 |
91,8 |
24,4 |
77,4 |
2,5 |
1981 |
208.303 |
141.517 |
67,9 |
66.786 |
0,02 |
0,01 |
29,5 |
92,0 |
25,1 |
78,2 |
2,5 |
1982 |
220.005 |
149.760 |
68,1 |
70.245 |
0,01 |
0,02 |
29,7 |
92,9 |
25,4 |
79,6 |
2,2 |
1983 |
221.553 |
148.552 |
67,1 |
73.001 |
0,02 |
0,02 |
30,7 |
93,3 |
26,5 |
80,4 |
2,2 |
1984 |
204.239 |
133.597 |
65,4 |
70.642 |
0,01 |
0,01 |
32,3 |
93,5 |
26,3 |
76,0 |
2,2 |
1985 |
183.051 |
119.126 |
65,1 |
63.925 |
0,01 |
0,02 |
32,6 |
93,4 |
27,1 |
77,6 |
2,3 |
1986 |
166.459 |
108.320 |
65,1 |
58.139 |
0,02 |
0,02 |
32,6 |
93,2 |
28,2 |
80,7 |
2,3 |
1987 |
152.734 |
100.073 |
65,5 |
52.661 |
0,02 |
0,01 |
32,1 |
93,0 |
27,5 |
79,9 |
2,4 |
1988 |
148.651 |
96.691 |
65,0 |
51.960 |
0,01 |
0,01 |
32,6 |
93,2 |
27,6 |
78,9 |
2,4 |
1989 |
132.722 |
84.951 |
64,0 |
47.771 |
0,02 |
0,01 |
33,5 |
93,2 |
28,2 |
78,2 |
2,4 |
1990 |
122.020 |
77.274 |
63,3 |
44.746 |
0,02 |
0,02 |
34,3 |
93,5 |
28,7 |
78,4 |
2,4 |
1991 |
114.775 |
72.728 |
63,4 |
42.047 |
0,03 |
0,02 |
34,2 |
93,3 |
28,8 |
78,6 |
2,4 |
1992 |
111.949 |
71.839 |
64,2 |
40.110 |
0,02 |
0,01 |
33,4 |
93,3 |
28,3 |
78,9 |
2,3 |
1993 |
114.007 |
72.664 |
63,7 |
41.343 |
0,02 |
0,01 |
33,8 |
93,2 |
28,2 |
77,9 |
2,4 |
1994 |
115.618 |
71.965 |
62,2 |
43.653 |
0,03 |
0,01 |
35,3 |
93,5 |
29,6 |
78,3 |
2,4 |
1995 |
124.330 |
76.731 |
61,7 |
47.599 |
0,02 |
0,01 |
35,6 |
93,0 |
30,7 |
80,2 |
2,7 |
1996 |
129.980 |
80.846 |
62,2 |
49.134 |
0,02 |
0,03 |
35,3 |
93,5 |
30,5 |
80,6 |
2,4 |
1997 |
138.628 |
87.807 |
63,3 |
50.821 |
0,03 |
0,01 |
34,1 |
93,1 |
29,3 |
79,8 |
2,5 |
1998 |
145.274 |
92.001 |
63,3 |
53.273 |
0,02 |
0,02 |
34,3 |
93,5 |
29,7 |
81,1 |
2,4 |
1999 |
145.200 |
93.602 |
64,5 |
51.598 |
0,02 |
0,02 |
33,1 |
93,1 |
28,6 |
80,4 |
2,4 |
2000 |
144.954 |
93.840 |
64,7 |
51.114 |
0,02 |
0,02 |
32,7 |
92,8 |
28,6 |
81,0 |
2,5 |
2001 |
145.977 |
96.675 |
66,2 |
49.302 |
0,03 |
0,01 |
31,3 |
92,5 |
27,2 |
80,6 |
2,5 |
2002 |
153.450 |
101.482 |
66,1 |
51.968 |
0,02 |
0,01 |
31,1 |
91,7 |
26,9 |
79,3 |
2,8 |
2003 |
153.181 |
101.562 |
66,3 |
51.619 |
0,02 |
0,02 |
30,8 |
91,4 |
26,4 |
78,3 |
2,9 |
2004 |
157.222 |
105.523 |
67,1 |
51.699 |
0,03 |
0,10 |
30,1 |
91,4 |
26,1 |
79,5 |
2,7 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 1976-2004.
§§ 153, 153a, 153b StPO sind im allgemeinen Strafverfahrensrecht die Mittel der verfahrensrechtlichen Entkriminalisierung, die sich dadurch auszeichnet, dass nicht die Strafbarkeit, sondern lediglich der Verfolgungszwang eingeschränkt ist. Die Verfahrenseinstellung dient nicht nur den justizökonomischen Zielen der Verfahrensbeschleunigung und der Justizentlastung, sondern sie ist in den Dienst der präventiven Aufgaben des Strafrechts gestellt worden. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass "als persönliche Abschreckung des Täters ... häufig bereits der Umstand genügt, dass gegen ihn wegen einer Straftat ermittelt wurde" (Schäfer, Gerhard: Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl., München 2001, S. 3. Rdnr. 5). Während von der Warte der Justiz aus bei der Einstellung gem. § 153a StPO von einer einverständlichen Sanktionierung und bei Einstellung gem. § 153 StPO von "Sanktionsverzicht" gesprochen werden kann, weil auf die Auferlegung eines weiteren Übels verzichtet wird, stellt sich aus der Sicht des Beschuldigten (in sozialwissenschaftlicher Betrachtung) die Problematik von "Sanktion durch Verfahren", weshalb hier - aus sozialwissenschaftlicher Perspektive - Personen, deren Verfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden sind, als "informell Sanktionierte" bezeichnet werden.
Informelle Sanktionen sind nicht nur im Jugendstrafrecht, sondern auch im allgemeinem Strafrecht quantitativ bedeutsam. Durch den vermehrten Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten der §§ 153, 153a, 153b StPO ist es der Praxis gelungen, trotz des Anstiegs der Zahl der sanktionierbaren Personen die Zahl der Verurteilten in etwa konstant zu halten (Schaubild 6 ). Relativ gesehen heisst dies, dass der Anteil der formell Sanktionierten an allen (informell und formell) Sanktionierten deutlich rückläufig ist. 1981 dürften noch 66% formell sanktioniert worden sein, 2004 lediglich noch 47,6% (Schaubild 7).
Schaubild 6: Nach Allgemeinem Strafrecht informell und formell Sanktionierte
Figure 6: Offenders Informally and Formally Sanctioned under General Penal Law
Schaubild 7: Entwicklung der Sanktionspraxis im Allgemeinen Strafrecht
Figure 7: Development of Sentencing Practice under General Penal Law
Die Zunahme der Opportunitätsentscheidungen beruht weitestgehend auf den Einstellungen ohne Auflage gem. §§ 153, 153b StPO (Schaubild 6). Innerhalb der Opportunitätsentscheidungen ging der Anteil der unter Auflagen eingestellten Verfahren von 57% (1981) auf 37,6% (2004) zurück. Die Einstellung unter Auflagen/Weisungen ist faktisch eine pekuniäre Denkzettelsanktion, denn auf die Geldbussenauflage entfielen 2004 84% aller Auflagen / Weisungen.
Träger der Opportunitätsentscheidung ist vor allem und in wachsendem Masse die Staatsanwaltschaft. Von allen Einstellungsentscheidungen wurden 2004 lediglich 14,4% durch das Gericht getroffen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Cannabis-Entscheidung von 1994 die Entscheidung des Gesetzgebers, den Verfolgungszwang prozessual einzuschränken, verfassungsrechtlich nicht beanstandet, vorausgesetzt, das "Prinzip der Gesetzlichkeit der Strafbarkeit" und der "Grundsatz der Bestimmtheit der Strafvorschrift" würden gewahrt (BVerfGE 90, 145 [191]). Deshalb wurden die Länder für verpflichtet erklärt, "für eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen" (BVerfGE 90, 145 [190]). Wie der Zeitreihenvergleich zeigt, werden die zwischen den alten Ländern (der Zeitreihenvergleich ist für die neuen Länder erst ab den 90er Jahren und auch dann nur teilweise möglich) bestehenden Unterschiede im Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten jedoch nicht geringer, sondern sogar deutlich grösser (Schaubild 8). Die Spannweite der Diversionsraten betrug 1981 11%, 2004 hingegen über 20%. Die Bandbreite der Diversionsrate reichte 2004 von 42,4% (Baden-Württemberg) und 42,5% (Bayern) bis 56,6% (Saarland), 58,8% (Nordrhein-Westfalen), 63,2% (Schleswig-Holstein) oder 67,8% (Bremen – wegen der sprunghaften Entwicklung von 52,6% 2003 auf 67,8% 2004 möglicherweise eine Sonderentwicklung). Von 100 nach allgemeinem Strafrecht sanktionierbaren Personen wurde in Baden-Württemberg oder Bayern bei 42 das Verfahren eingestellt, 58 wurden verurteilt, in Hamburg, in Bremen oder in Schleswig-Holstein wurden dagegen weniger als 40 verurteilt.
Schaubild 8: Diversionsraten (StA und Gerichte) im Allg. Strafrecht (Zeitreihe)
Figure 8: Rates of Diversion (Public Prosecutor and Courts) under General Penal Law
Zwischen den Ländern bestehen Unterschiede nicht nur hinsichtlich des "Ob", sondern auch hinsichtlich des "Wie" der Einstellung (Schaubild 9 ). In Bayern wird relativ selten eingestellt (2004: 42,5%) und, wenn eingestellt wird, dann überwiegend unter Auflagen/Weisungen (2004: 24,6% mit, 18,0% ohne Auflagen). Den Gegensatz bilden das Saarland, Hamburg und Schleswig-Holstein, wo nicht nur sehr viel mehr als in Bayern eingestellt wird, sondern auch zumeist ohne Auflagen/Weisungen (Saarland: 2004: 10,6% mit, 46,0% ohne Auflagen; Hamburg: 14,3%; 46,3%; Schleswig-Holstein: 18,5%; 44,7%). In diesen Ländern ist der Anteil der folgenlosen Diversion sogar höher als die gesamte Diversionsrate in Bayern. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Strafverfahren folgenlos eingestellt wird, war deshalb in den drei genannten Ländern 2,5- bzw. 2,6-mal so hoch wie in Bayern.
Schaubild 9: Diversionsraten (StA und Gerichte) in Verf. nach Allg. Strafrecht, nach Ländern, 2003
Figure 9: Rates of Diversion (Public Prosecutor and Courts) under General Penal Law, by States, 2003
Ob deshalb die Einstellungspraxis der StA als "im wesentlichen uneinheitlich" anzusehen ist, kann aufgrund der für die StA-Statistik erhobenen Daten nur ungefähr und nicht hinreichend differenziert festgestellt werden. Die Unterschiede können durch eine unterschiedliche Tat- oder Täterstruktur beeinflusst sein; hierüber enthält die StA-Statistik keine Angaben.
Ihren Bedeutungsgewinn verdankt die Geldstrafe vor allem den Geldstrafengesetzen von 1924 sowie dem 1. StRG von 1969, durch das die kurze Freiheitsstrafe zugunsten der Geldstrafe weiter zurückgedrängt wurde (§ 47 StGB).
Geldstrafe ist inzwischen die Hauptstrafe der Gegenwart. Seit der Strafrechtsreform von 1969 wurden bis 2001 jährlich mehr als 80% der Verurteilten lediglich noch zu Geldstrafe verurteilt; von den 2004 nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten (=670.279) waren es 540.209 (80,6%) (Schaubild 10). Beachtlich ist, dass die Geldstrafe seit 1970 diesen hohen Anteil von (zumeist) über 80% halten konnte, und zwar trotz der in den letzten Jahrzehnten erfolgten deutlichen Zunahme der Diversionsentscheidungen. Vor allem bei den Strassenverkehrsdelikten, bei leichteren und mittelschweren Delikten der klassischen Kriminalität, bei Umweltstraftaten und bei Verstössen gegen das Ausländergesetz wird Geldstrafe verhängt.
Schaubild 10: Entwicklung der Sanktionspraxis im Allg. Strafrecht (Zeitreihe)
Figure 10: The Development of Sanctioning Practice under General Penal Law (Timeline)
Die volle quantitative Bedeutung pekuniärer Sanktionen im allgemeinen Strafrecht wird freilich erst dann deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass 2004 (in den alten Ländern) zu den über 540.000 Verurteilungen zu Geldstrafen noch die rd. 236.000 unter der Auflage der Zahlung eines Geldbetrages gem. § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO erfolgenden Einstellungen von Strafverfahren durch Staatsanwaltschaft und Gericht hinzukommen, ferner die bei Strafaussetzung nach allgemeinem Strafrecht verhängten 58.274 Bewährungsauflagen, die regelmässig ebenfalls die Zahlung eines Geldbetrages beinhalten. Noch deutlicher würde die dominierende Rolle pekuniärer Sanktionen werden, würden auch die in Ordnungswidrigkeitenverfahren verhängten Geldbussen berücksichtigt. Die Gesamtzahl der Geldbussen wird als rd. fünfmal so hoch geschätzt wie die Zahl der Geldstrafen (vgl. Jescheck, Die Geldstrafe als Mittel moderner Kriminalpolitik in rechtsvergleichender Sicht, in: Festschrift für Würtenberger, Berlin 1977, S. 259).
Trotz dieser Dominanz der Geldstrafe werden die mit ihr gegebenen Möglichkeiten zur Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) nicht vollständig ausgeschöpft. Zwar hat die Praxis ihre anfängliche äusserste Zurückhaltung gegenüber 30 Tage übersteigenden Tagessätzen etwas aufgegeben (Schaubild 11), aber immer noch verzichtet sie weitestgehend darauf, die Geldstrafe im oberen Bereich der kurzen (!) Freiheitsstrafe einzusetzen, also zwischen 3 und 6 Monaten. Obwohl als Regelstrafrahmen bei Geldstrafe 5 bis 360 Tagessätze (§ 40 Abs. 1 StGB) zur Verfügung stehen, überstieg die Mehrzahl aller Geldstrafen (1976: 78,2%, 2003: 50,6%) noch nicht einmal 30 Tagessätze, war also überhaupt keine Konkurrenz zur Freiheitsstrafe (Mindeststrafe: 1 Monat - § 38 Abs. 2 StGB). Erstmals 2004 wurden etwas häufiger (50,8%) Geldstrafen von 30 und mehr Tagessätzen verhängt. 2004 lagen lediglich 45,1% der Geldstrafen im Bereich zwischen 31 und 90 Tagessätzen. 94,3% aller Geldstrafen blieben 2004 folglich im unteren Viertel des Strafrahmens; auf mehr als 180 Tagessätze entfielen lediglich 0,5% aller Geldstrafen. Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen konzentrieren sich auf schwere Formen von Eigentums- und Körperverletzungsdelikten.
Schaubild 11: Geldstrafe nach der Zahl der Tagessätze (Zeitreihe)
Figure 11: Fines by Number of Days (Timeline). Note: Fines under German Penal Law are calculated by the individual’s earnings on a per diem basis
Unzureichend ausgeschöpft werden aber nicht nur die Möglichkeiten hinsichtlich der Zahl der Tagessätze, sondern auch hinsichtlich der oberen wie der unteren Höhe der Tagessätze. Zwar wurde auch hier die anfängliche Zurückhaltung gegenüber Tagessätzen von mehr als 25 € (1976: 4,9%) etwas aufgegeben (2004: 25,7%) (Schaubild 12). Die Zunahme beschränkt sich indes weitestgehend auf die Kategorie der Geldstrafen von 25 bis unter 50 € (1976: 4,6%; 2004: 23,9%). Immer noch werden lediglich 1,9% der zu Geldstrafe Verurteilten zu Tagessätzen von mehr als 51 € verurteilt. Ein monatliches Nettoeinkommen (§ 40 Abs. 2 StGB) von mehr als 1500 € dürfte aber bei mehr als 1,9% der Verurteilten anzunehmen sein, insbesondere bei solchen der Verkehrs- oder Wirtschaftskriminalität. Das eigentliche Kernproblem der Geldstrafe ist indes die Bemessung der Tagessatzhöhe bei wirtschaftlich schwachen Personen, bei denen regelmässig nur der Mindestsatz von 2 DM (1 €) in Betracht kommen kann. Der Anteil der Entscheidungen mit einer Tagessatzhöhe bis 5 € schwankte seit 1976 zwischen 6,8% (1980) und 14,5% (1993), 2004 betrug er 6,7%. Dieser Anteil müsste höher sein, weil anzunehmen ist, dass etwa ein Drittel der zu Geldstrafe Verurteilten nur über ein Einkommen im Sozialhilfebereich verfügt (vgl. Villmow, Kurze Freiheitsstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe und gemeinnützige Arbeit, in: Festschrift für Kaiser, Berlin 1998, S. 1301 m.w.N.).
Schaubild 12: Geldstrafe nach der Höhe der Tagessätze (Zeitreihe)
Figure 12: Fines by Amount of Per Diem Earnings (Timeline)
Druckmittel für die Zahlung der Geldstrafe war und ist die ersatzweise zu verbüssende Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB). Der Anteil der Ersatzfreiheitsstrafe verbüssenden Geldstrafenschuldner ist, auch wenn die Daten der Strafvollzugsstatistik wegen der Stichtagszählung insgesamt nur beschränkt aussagekräftig sind, gegenüber den 70er Jahren gestiegen, obwohl die Gerichte "ratenzahlungsfreundlich" sind und, empirischen Untersuchungen zufolge, fast ein Drittel der Geldstrafen in Raten bezahlt wird. Gemessen an den Zugangszahlen der westdeutschen Vollzugsanstalten dürften in den 70er und 80er Jahren zwischen 5% und 6% der jährlich zu Geldstrafe Verurteilten zumindest einen Teil der Geldstrafe in Form der Ersatzfreiheitsstrafe verbüsst haben, seit 1994 sind es mehr als 7%, seit 1996 sogar mehr als 8%, 1998 wurde erstmals die 9%-Marke erreicht; 1999 belief sich der Anteil - alte Länder - auf 9,5% (2002: 9,3%). Neuere Ergebnisse sind nicht mehr ermittelbar, weil infolge der Umstellung der StVollzStat die Zugänge wegen Ersatzfreiheitsstrafe ab 2003 nicht mehr erfasst werden. Die Gründe für diesen Anstieg dürften vornehmlich in einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage als Folge von Arbeitslosigkeit zu suchen sein. Im Ergebnis gelangen deshalb wohl immer mehr sozial Schwache und/oder Randständige in den Vollzug.
Um bei verstärkter Anwendung der Ersatzfreiheitsstrafe das Reformziel der Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafe nicht zu gefährden, wurde den Verurteilten ermöglicht, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch "freie Arbeit" abzuwenden (Art. 293 EGStGB); diese Einrichtung ist inzwischen auch in den neuen Bundesländern eingeführt worden. Die Reichweite dieses Instituts der "freien" bzw. "gemeinnützigen Arbeit" ist jedoch, entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers, sehr begrenzt. Eine 1987/88 durchgeführte Untersuchung einer Stichprobe von fast 8.000 Verfahren mit "uneinbringlichen" Geldstrafen, d.h. solchen, bei denen Vollstreckungsmassnahmen eingeleitet worden waren, kam zum Ergebnis, dass nur in 5,8% der sog. Uneinbringlichkeitsfälle eine Erledigung durch gemeinnützige Arbeit stattfand; die Ersatzfreiheitsstrafe kam mit 11,5% deutlich häufiger vor als die gemeinnützige Arbeit (Feuerhelm, Gemeinnützige Arbeit als Alternative in der Geldstrafenvollstreckung, Wiesbaden 1991, S. 70). Freilich dürfte dieses Ergebnis auch darauf beruhen, dass die Möglichkeiten der gemeinnützigen Arbeit noch nicht voll ausgereizt sind. Dort wo Sozialarbeiter als Gerichtshelfer oder Straffälligenhilfevereine mit der Vermittlung und Betreuung der Betroffenen betraut waren, zeigten sich deutlich bessere Ergebnisse (Feuerhelm aaO., S. 259). Dass mit der Optimierung der Organisation der Vermittlung gemeinnütziger Arbeit und der Intensivierung ihrer Betreuung in erheblichem Ausmass die Vollstreckung von (Ersatz-)Freiheitsstrafen vermieden werden kann, zeigen insbesondere die Ergebnisse des Projekts „Ausweg“ in Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Dünkel, Frieder; Scheel, Jens; Grosser, Rudolf: Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit. Bewährungshilfe 2002, S. 56–72). Die Untersuchung belegt auch, dass selbst besonders problembelastete Geldstrafenschuldner bei geeigneter Auswahl ihrer Einsatzstellen und besonderer Betreuung zur Tilgung ihrer Strafe durch gemeinnützige Arbeit in der Lage sind.
Der hohe Anteil von Zahlungen (immerhin 82,7%), der in dieser Untersuchung festgestellt wurde, deutet im Übrigen darauf hin, welch hohes Mass an Druck von der Androhung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ausgeht. Seit dem EGStGB 1974 ist es dem Gericht möglich, den Aufschub der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe anzuordnen, wenn die Vollstreckung ein "unbillige Härte" wäre (§ 459f StPO). Diese Härteklausel erwies sich indes in den Uneinbringlichkeitsfällen als "ohne Bedeutung" (Feuerhelm aaO., S. 70). In der rechtspolitischen Diskussion wird deshalb teilweise empfohlen, de lege ferenda die Möglichkeit der Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung vorzusehen (vgl. Dölling, Dieter: Die Weiterentwicklung der Sanktionen ohne Freiheitsentzug im deutschen Strafrecht, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 104, 1992, S. 276).
Wie der Anstieg der absoluten und relativen Zahlen der Ersatzfreiheitsstrafe Verbüssenden zeigt, greifen die Alternativen zum Ersatzfreiheitsstrafenvollzug nicht in dem erwarteten und erwünschten Masse. Deshalb wird seit geraumer Zeit über Modifikationen der Ersatzfreiheitsstrafe nachgedacht. Angesichts der Überbelegung von Justizvollzugsanstalten sind verschiedene Länder bereits dazu übergegangen, den üblichen Umrechnungsmassstab von sechs Arbeitsstunden für einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe, der wiederum einem Tagessatz Geldstrafe entspricht (§ 43 Satz 2 StGB), durch einen grosszügigeren Umrechnungsmassstab zu ersetzen. Andere Länder haben eine vollzugliche Lösung gewählt und sind dazu übergegangen, auf der Basis des § 455a StPO nach Verbüssung der Hälfte der Ersatzfreiheitsstrafe den Vollzug zu unterbrechen und bei Bewährung des Verurteilten den Strafrest im Wege von Gnadenregelungen zu erlassen. In Baden-Württemberg wurde z.B. durch AV d. JuM vom 3.3.1998 (Die Justiz, S. 144) der bisherige Umrechnungsschlüssel von 6 Stunden gemeinnütziger Arbeit pro Tagessatz auf vier Stunden geändert, ferner wird die Vollstreckung nach Verbüssung der Hälfte der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 455a StPO für ein Jahr unterbrochen, bei Bewährung wird die Reststrafe gnadenweise erlassen. Der von der Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts (BT-Drs. 15/2725) sieht in § 43 StGB (neu) u.a. eine Neuregelung der bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu vollstreckenden Ersatzstrafen vor. Die primäre Ersatzsanktion soll nunmehr die Leistung gemeinnütziger Arbeit sein. Einem Tagessatz sollen künftig drei Stunden gemeinnütziger Arbeit entsprechen. Wird die gemeinnützige Arbeit nicht erbracht, so tritt Freiheitsstrafe an die Stelle der uneinbringlichen Geldstrafe. Im Unterschied zum geltenden Recht sollen künftig zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Hierdurch soll die Attraktivität der Leistung gemeinnütziger Arbeit erhöht und auf die begrenzten Kapazitäten an Einsatzstellen Rücksicht genommen werden.
Die Sanktionierungspraxis hinsichtlich der verhängten kurzen Freiheitsstrafen zu beobachten ist wegen des Wechsels der Kategorien, in denen die Dauer ausgewiesen wird, erst für die Zeit ab 1970 möglich; erst seitdem wird die Kategorie "bis unter 6 Monate" ausgewiesen. Zwischen 1967 und 1969 standen nur Angaben über Strafen "bis einschliesslich 6 Monate" zur Verfügung. Für die Zeit davor waren Zuchthaus- bzw. Gefängnisstrafen nur entweder mit einer Dauer bis 3 Monate oder bis 9 Monate einschliesslich ausgewiesen, die 6-Monats-Grenze war statistisch nicht erfasst worden.
Die Umsetzung der Strafrechtsreform hinsichtlich der Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafe (bis unter 6 Monate) lässt sich deshalb nur annähernd anhand des Vergleichs der Anteile der Freiheitsstrafen mit einer Dauer bis 6 Monate einschliesslich (bis unter 6 Monate, 6 Monate genau) bestimmen. 1967, vor der Strafrechtsreform, lautete noch jedes dritte Urteil auf eine freiheitsentziehende Sanktion bis sechs Monate einschliesslich, 2004 dagegen nur noch jedes zehnte (9,6%) . Dieser erhebliche Rückgang zugunsten der Geldstrafe ist der bleibende Erfolg der Strafrechtsreform 1969.
Dennoch: Zur erstrebten "Ausnahme" ist die kurze Freiheitsstrafe nicht geworden. Denn 2004 waren 35,0% aller verhängten Freiheitsstrafen kürzer als 6 Monate (Schaubild 13). Es ist eine Frage der Bewertung, ob damit bereits das Ziel des Reformgesetzgebers von 1969 erreicht ist, kurze Freiheitsstrafen zur "ultima ratio" werden zu lassen. Die Geldstrafe bildet aus Sicht der Praxis, wie ihre weitgehende Nicht-Anwendung im Bereich zwischen 91 und 180 Tagessätzen zeigt (2004: 5,2% aller Geldstrafen) , lediglich im unteren Bereich eine Alternative zur kurzen Freiheitsstrafe.
Schaubild 13: Dauer der nach Allg. Strafrecht verhängten Freiheitsstrafen: Freiheitsstrafen insgesamt (Zeitreihe)
Figure 13: Length of Custodial Sentences Imposed under General Penal Law: Total Custodial Sentences (Timeline)
Ebenfalls nicht zur Ausnahme geworden sind die unbedingt verhängten, d.h. nicht zur Bewährung ausgesetzten, kurzen Freiheitsstrafen (Schaubild 14). Zwar wurden sie auf ein Zehntel ihres Umfanges von 1968 zurückgedrängt, aber immer noch sind (2004) 27,6% aller nicht ausgesetzten Freiheitsstrafen kürzer als 6 Monate. Nicht zur Bewährung ausgesetzte kurze Freiheitsstrafen zählen demnach auch weiterhin zu den von den Gerichten nicht nur ausnahmsweise verhängten freiheitsentziehenden Sanktionen.
Schon gar nicht sind vollstreckte kurze Freiheitsstrafen zur Ausnahme geworden. Ziel der Strafrechtsreform war es ja, aufgrund der Einsicht in die Resozialisierungsfeindlichkeit kurzer Freiheitsstrafen nicht nur deren Verhängung, sondern vor allem deren Vollstreckung einzuschränken. Dies ist nur zum Teil gelungen, weil sich infolge unbeabsichtigter Nebenfolgen bei der Vollstreckung anderer Sanktionen die Zahl von zu vollstreckenden kurzen Freiheitsstrafen deutlich erhöht hat. Derartige Nebenfolgen sind eingetreten durch
· Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen (§ 43 StGB),
· Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten kurzen Freiheitsstrafe (§ 56f StGB),
· bedingte Entlassung (§ 57 StGB) und
· Anrechnung von Untersuchungshaft auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe (§ 51 StGB).
Nach einer begründeten Schätzung dürften 1967/1968 rd. 137.700 Strafgefangene mit einer realen Vollzugsdauer von unter sechs Monaten inhaftiert gewesen sein, 1981/1982 dagegen immerhin noch 66.400 (Heinz, Strafrechtliche Sozialkontrolle - Beständigkeit im Wandel? Bewährungshilfe 31, 1984, S. 32), d.h. ein Mehrfaches der gut 10.000 Personen, die derzeit (2004: 10.563) jährlich zu einer unbedingten kurzen Freiheitsstrafe verurteilt werden.
Schaubild 14: Dauer der nach Allg. Strafrecht verhängten Freiheitsstrafen: Unbedingt verhängte Freiheitsstrafen (Zeitreihe)
Die Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafe beruhte auf der Einsicht in die Resozialisierungsfeindlichkeit dieser Strafart. Daraus konnte und sollte aber nicht abgeleitet werden, der Gesetzgeber messe den mittel- und langfristigen Freiheitsstrafen besondere, die Resozialisierung begünstigende Wirkungen bei. Erwartbar war vielmehr, dass die "Krise präventiven Strafdenkens" (Jescheck, Die Krise der Kriminalpolitik, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 91, 1979, S. 1037 ff.) hinsichtlich stationärer Sanktionen auch die Sanktionierungspraxis bei den anderen Freiheitsstrafen beeinflussen würde. Diese Erwartungen wurden enttäuscht. Bezogen auf die nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten werden heute sogar mehr mittel- und langfristige Freiheitsstrafen verhängt als noch zu Beginn der 70er Jahre. Der Ausbau der Strafaussetzung zur Bewährung im Bereich bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe hat im Ergebnis lediglich dazu geführt, dass insgesamt nicht mehr unbedingte Freiheitsstrafen verhängt werden. Der Anteil der bereits im Urteil zur Vollstreckung angeordneten Freiheitsstrafen ist heute - nach dem 1990 erreichten niedrigsten Stand von 1,8% - wieder grösser als vor der Strafrechtsreform: 1960 wurden 2,1% der Verurteilten zu einer nicht ausgesetzten Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr verurteilt, 2004 waren es 2,4%.
Allerdings bleibt bei einer solchen Betrachtungsweise unberücksichtigt, dass wegen des hohen und zunehmenden Anteils der aus Opportunitätsgründen eingestellten Verfahren, empirisch gesehen, die "leichteren" Fälle nicht mehr zur Verurteilung gelangen, weshalb sich unter den Verurteilungen der relative Anteil der "schweren", eher mit Freiheitsstrafe zu sanktionierenden Fälle deutlich erhöht. Die deshalb an sich erforderliche Bezugnahme auf die "sanktionierbaren Personen", d.h. die Personen, die entweder verurteilt worden sind oder bei denen das Verfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden ist, ist jedoch erst seit Führung der StA-Statistik möglich. Hierbei zeigt sich, dass der Anteil der insgesamt verhängten Freiheitsstrafen bis 1993 leicht zurückgegangen ist (1981: 11,7%, 1993: 8,6%), seitdem steigen die Raten wieder leicht an (2004: 9,1%) . Der Rückgang bis 1993 beruht auf einer deutlichen Abnahme des Anteils der Freiheitsstrafen bis 12 Monate. Der Anteil der Freiheitsstrafen von mehr als 12 Monaten ist bis Ende der 80er Jahre konstant geblieben, seitdem erfolgt ein leichter Anstieg (Schaubild 15). Die Umstellung von der "umgerechneten" auf die "echte" Personenzählung in der StA-Statistik hat insoweit keine nennenswerten Auswirkungen (vgl. Tabelle A4 im Anhang).
Schaubild 15: Dauer der nach Allg. Strafrecht verhängten Freiheitsstrafen, bezogen auf Sanktionierte insgesamt (Zeitreihe)
Figure 15: Length of Custodial Sentences Imposed under General Penal Law in Relation to All Individuals Sanctioned
Noch vor Jahren wäre dieser Befund positiv aufgenommen worden. Inzwischen ist die Freiheitsstrafe jedoch aus mehreren Richtungen unter verstärkten Legitimationsdruck geraten. Hierzu zählt vor allem der Stand der Forschung zur spezial- und generalpräventiven Effizienz von Sanktionen, der zugespitzt in der These von der "Austauschbarkeit und Alternativität" (vgl. hierzu zuletzt und eingehend Kerner, Erfolgsbeurteilung nach Strafvollzug, in: Kerner/Dolde/Mey [Hrsg.]: Jugendstrafvollzug und Bewährung, Bonn 1996, 3 ff.) der Sanktionen zum Ausdruck kommt. Danach ist im Grundsatz davon auszugehen, dass unterschiedliche Sanktionen keine differenzierende Wirkung auf die Legalbewährung haben, dass die Sanktionen vielmehr weitestgehend austauschbar sind. Als Ergebnis seiner Auswertung der europäischen Rückfalluntersuchungen hat Kerner jüngst zusammengefasst: "Immerhin reicht die Mehrheit der internationalen Befunde für die Schlussfolgerung, dass im Bereich der grossen Zahl verschiedene Sanktionen ähnliche Effekte nach sich ziehen, wenn man sie gegen zumindest angenähert vergleichbare Gruppen von Personen einsetzt, die wegen Straftaten verfolgt werden. Dieses Phänomen der spezialpräventiven Austauschbarkeit von Sanktionen ... wird unterstützt von der Einsicht, dass auch generalpräventiv nicht schon von der Rücknahme schwerer Sanktionen als solcher ein Verlust an Innerer Sicherheit befürchtet werden muss ... Die Devise 'im Zweifel weniger' hat also immerhin viel empirische Evidenz für sich. Daraus folgt schon heute für eine Kriminalpolitik und generalisierte Sanktionspraxis, die dem Anspruch auf Rationalität (jedenfalls mit) genügen wollen, die Pflicht zur offenen Begründung (etwa Schuld, Sühne, Gerechtigkeit), wenn man auf bestimmte Delikte oder Tätergruppen stärker als mit der spezialpräventiv geeigneten Mindestreaktion reagieren will. In der Einzelfallbehandlung käme es auf die genaue Abwägung der Kriterien und eine Begründung dahingehend an, warum ein intensiverer Zugriff entweder unvermeidlich ist oder sogar gerade doch präventiv aussichtsreich erscheint" (Kerner aaO., S. 89). Deshalb wird gegenwärtig die Freiheitsstrafe kriminalpolitisch toleriert "nur noch faute de mieux für die Fälle, in denen (noch) keine anderen geeigneten Sanktionen zur Verfügung stehen. Die Eingriffsschwere der Freiheitsstrafe, verbunden mit ihrer mangelnden rückfallprophylaktischen Effizienz, zwingt geradezu zur kontinuierlichen Suche nach Möglichkeiten zu ihrer Ersetzung durch andere Mittel, die den sozialen Zwecken der Strafe besser dienen können" (Weigend, Sanktionen ohne Freiheitsentzug, Goltdammer's Archiv für Strafrecht 1992, 349). Dieser Legitimationsdruck schlägt auch auf die Praxis durch, von der die Beachtung einer "Beweislastumkehr" angemahnt wird, die sich aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz ergibt. Das Verfassungsprinzip der Verhältnismässigkeit besagt nämlich, "dass eine Massnahme unter Würdigung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich sein muss, das heisst, dass das Ziel nicht auf eine andere, den einzelnen weniger belastende Weise ebenso gut erreicht werden kann, und dass der mit der Massnahme verbundene Eingriff nicht ausser Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen darf" (Hill, Verfassungsrechtliche Gewährleistungen gegenüber der staatlichen Strafgewalt, in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.]: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI: Freiheitsrechte, Heidelberg 1989, § 156, Rdnr. 22). Unter der Geltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ist danach im Urteil zu begründen, weshalb im Einzelfall - in spezialpräventiver Betrachtung - Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch eine in die Freiheit des Verurteilten intensiver eingreifende Sanktion die Rückfallwahrscheinlichkeit günstiger beeinflusst werden kann als durch eine eingriffsschwächere Sanktion. Ferner werfen kriminologische Befunde, wonach ein erheblicher Teil der Gefangenenpopulation eine Freiheitsstrafe verbüsst, obwohl das Gericht eine Verbüssung nicht intendierte, die Frage nach geeigneteren Alternativen auf, die den Urteilsspruch besser zu verwirklichen erlauben. Zu denken ist hierbei insbesondere an Fälle der uneinbringlichen Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) oder wenn die aus sozialpädagogischen Gründen erwünschte Massnahme - Unterstellung unter einen Bewährungshelfer - im gegenwärtigen Sanktionensystem des allgemeinen Strafrechts nur bei Verhängung einer Freiheitsstrafe erreichbar ist, die (im Nicht-Bewährungsfall) den unerwünschten und kontraproduktiven Effekt der Freiheitsstrafenverbüssung nach sich zieht.
Strafaussetzung zur Bewährung ist in dem spezialpräventiven Konzept des Gesetzgebers der Strafrechtsreform von 1969 nicht mehr die ausnahmsweise zu gewährende, besonders zu rechtfertigende Vollstreckungsmodifikation, sondern hat sich - als Regelfall bei verhängter Freiheitsstrafe - zu einer "besonderen 'ambulanten' Behandlungsart" (BGHSt 24, 40 [43]) fortentwickelt. Dieses Konzept hat die Praxis voll umgesetzt. Der Anteil der Strafaussetzungen gem. § 56 StGB an den Freiheitsstrafen hat sich in den letzten 40 Jahren mehr als verdoppelt (Aussetzungsrate - bezogen auf insgesamt verhängte Freiheitsstrafen - 1954: 30,2%; 2004: 70,6%) .
Derzeit werden drei Viertel (2004: 76,5%) der aussetzungsfähigen Strafen, also der Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren, zur Bewährung ausgesetzt.
Schaubild 16: Aussetzungsraten bei den nach Allg. Strafrecht verhängten Freiheitsstrafen (Zeitreihe)
Figure 16: Suspension Rate of Custodial Sentences awarded under General Penal Law
Die Aussetzungsrate (bezogen auf die jeweils aussetzungsfähigen Freiheitsstrafen) ist zwar umso höher, je kürzer die Freiheitsstrafe ist, aber auch bei Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren ist - jedenfalls seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre - die Aussetzung die Regel (2004: 71,1%) und nicht mehr die Ausnahme (Schaubild 16). Von daher stellt sich die Frage nach der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Strafaussetzung zur Bewährung auf Strafen von mehr als zwei Jahren.
Flankierend zur Strafaussetzung werden in immer stärkerem Masse auch Auflagen und Weisungen angeordnet. 2004 wurden 63,5% der Strafaussetzungen (bei Freiheitsstrafe und Strafarrest) mit einer Auflage und 57,1% mit einer Weisung verbunden. Insbesondere wird von der fakultativen Möglichkeit, den Verurteilten einem Bewährungshelfer zu unterstellen, vermehrt Gebrauch gemacht. Wegen der nicht in gleichem Masse steigenden Zahl der Bewährungshelfer dürfte in den letzten Jahren die Fallbelastungszahl gestiegen sein. Da letztmals in der Bewährungshilfestatistik für 1961 die Zahl der hauptamtlichen Bewährungshelfer nachgewiesen wurde, ist die Veränderung der Fallbelastungszahl anhand amtlicher Statistiken derzeit nicht bestimmbar. Die Fallbelastungszahl dürfte aber bei über 70 Probanden pro Bewährungshelfer liegen, wobei die Situation sich weiter dadurch verschärft, dass die Unterstellung von mehr problembelasteten Probanden einen höheren Betreuungsaufwand erfordert.
Durch die stetige Verlagerung auf informelle Sanktionen und auf Geldstrafen verbleiben für die Freiheitsstrafe und damit für die Strafaussetzung zur Bewährung zunehmend mehr "problematische Fälle", was insbesondere am Anstieg des Anteils der erheblich vorbelasteten Probanden ablesbar ist (Schaubild 17). Unter den einem hauptamtlichen Bewährungshelfer unterstellten Probanden sind deutlich angestiegen sowohl die Zahlen der Probanden, die bereits zuvor schon mindestens einmal verurteilt worden waren, als auch derjenigen, die bereits zuvor unter Bewährungsaufsicht standen.
Beachtlich ist deshalb das Mass der "Bewährung der Strafaussetzung zur Bewährung". Die Daten der Bewährungshilfestatistik zeigen, dass das gesetzgeberische Experiment der Anhebung der Obergrenze und das Experiment der Praxis, vermehrt vom Institut der Straf- und der Strafrestaussetzung Gebrauch zu machen, erfolgreich ist, jedenfalls gemessen an der abschliessenden richterlichen Entscheidung über Widerruf oder Straferlass. Die Öffnung der Strafaussetzung für die bisherigen traditionellen Zielgruppen des Strafvollzugs führte nämlich nicht, wie aufgrund der damit verbundenen Zunahme einer nach "klassischen" prognostischen Kriterien "schwierigen" Klientel zu vermuten war, zu einem Anstieg der Widerrufsraten. Die Ausdehnung der Strafaussetzung ging vielmehr einher mit einer deutlichen Erhöhung des Anteils der besonders risikobelasteten Probandengruppe (Schaubild 17) und mit einem deutlichen Anstieg der Straferlassquote, namentlich bei den als besonders risikobelastet geltenden Gruppen (Schaubild 18). Seit einigen Jahren gehen freilich die Straferlassquoten zurück, statistisch kann nicht entschieden werden, ob dies auf einer veränderten Widerrufspraxis oder auf Zunahme der Rückfallraten beruht. Die Strafaussetzung (einschliesslich Strafrestaussetzung) bei gleichzeitiger Unterstellung unter einen Bewährungshelfer wird in weniger als einem Drittel (früheres Bundesgebiet 2002: 31,9%) der nach allgemeinem Strafrecht erfolgten Unterstellungen widerrufen; in den sonstigen, den prognostisch eher günstigeren Fällen - Strafaussetzung ohne Unterstellung unter einen Bewährungshelfer - dürfte die Widerrufsrate sogar noch geringer sein.
Ein Widerruf erfolgt nicht bereits dann, wenn der Verurteilte irgendeine neue Straftat begeht, sondern - von groben Auflagen- bzw. Weisungsverstössen abgesehen - dann, wenn er eine "Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat" (§ 56f StGB). Die Rückfallrate, gemessen über erneute Verurteilung innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren, ist deshalb erwartungsgemäss höher als die Widerrufsrate. Wie die Rückfallstatistik (Bezugsjahr 1994) zeigt, wurden insgesamt 44,7% der Verurteilten mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe wieder rückfällig (vgl. Jehle, Jörg-Martin; Heinz, Wolfgang; Sutterer, Peter (unter Mitarbeit von Sabine Hohmann, Martin Kirchner und Gerhard Spiess): Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen - Eine kommentierte Rückfallstatistik. Mönchengladbach 2003, S. 64 f. <http://www.bmj.de/media/archive/443.pdf>). Die unter Bewährungsaufsicht Stehenden wurden deutlich häufiger erneut straffällig (60,9%) als diejenigen ohne Bewährungshelfer (39,0%). Dies überrascht nicht, denn nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt die im allgemeinen Strafrecht fakultative Unterstellung unter einen Bewährungshelfer bei den Rückfallgefährdeteren.
Schaubild 17: Beendete Bewährungsaufsichten nach früherer Verurteilung der Probanden. Unterstellungen nach Allg. Strafrecht (Zeitreihe)
Figure 17: Conditional Probations after Previous Conviction of the Probationer. Under General Penal Law
Schaubild 18: Durch Bewährung beendete Bewährungsaufsichten nach früherer Verurteilung der Probanden. Unterstellungen nach Allg. Strafrecht (Zeitreihe)
Figure 18: Probation supervision ended through probation of previously convicted probationers
Die beiden durch die Strafrechtsreform von 1969 eingeführten Rechtsinstitute des Absehens von Strafe und der Verwarnung mit Strafvorbehalt sind quantitativ bedeutungslos geblieben:
· 2004 wurde bei 388 Personen (0,06% der nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten) von Strafe abgesehen.
· Im Unterschied zum Absehen von Strafe haben sich die Fälle der Verwarnung mit Strafvorbehalt seit 1975 (956 Personen mit Verwarnung) zwar verfünffacht (2004: 6.642, 1,0% der nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten). Insgesamt aber ist auch dieses Institut angesichts der einfacheren Erledigungsmöglichkeit gem. § 153a StPO in quantitativer Hinsicht weitgehend bedeutungslos geblieben.
Untersuchungshaft ist ein Grundrechtseingriff, der legitimiert wird durch Zwecke der Verfahrens- und Vollstreckungssicherung und der durch den Grundsatz der Unschuldsvermutung begrenzt wird. Wegen des Grundrechtseingriffs ist im Einzelfall immer abzuwägen zwischen dem Bedürfnis nach wirksamer Strafverfolgung und dem Freiheitsrecht und -anspruch des einzelnen. "Den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmässig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen (ist) ständig der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten als Korrektiv (entgegenzuhalten). Dies bedeutet: Die Untersuchungshaft muss in Anordnung und Vollzug von dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit beherrscht werden" (BVerfGE 19, 342 [347]). Durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1964 wurde der Verhältnismässigkeitsgrundsatz, der als allgemeiner, aus dem Rechtsstaatsprinzip sich ergebender Rechtsgrundsatz für alle Massnahmen des Staates gegenüber dem Bürger gilt, ausdrücklich für die Untersuchungshaft kodifiziert. Untersuchungshaft darf gem. § 112 Abs. 1 S. 2 StPO "nicht angeordnet werden, wenn sie ... zu der zu erwartenden Strafe ... ausser Verhältnis steht". Sonst würde die angeordnete - und regelmässig auch vollzogene - Untersuchungshaft stärker in das Freiheitsrecht des als unschuldig Geltenden eingreifen als die Reaktion, die aus der Verurteilung des als schuldig Erkannten folgt. Daraus folgt:
· Weniger einschneidende Massnahmen haben Vorrang. Selbst dort, wo Untersuchungshaft sich als geeignet und erforderlich ausweist, ist die Eingriffsintensität der Untersuchungshaft abzuwägen gegenüber dem angestrebten Ziel, den staatlichen Strafanspruch zu verwirklichen.
· Anordnung und Vollzug der Untersuchungshaft müssen im rechten Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu der voraussichtlich zu erwartenden Strafe stehen. Untersuchungshaft ist deshalb bereits dann unverhältnismässig, wenn die zu erwartende Strafe nicht ebenfalls in Freiheitsentzug besteht. Wegen der Problematik einer solchen Prognoseentscheidung in dem Verfahrensstadium der Untersuchungshaftanordnung sollte der Erlass eines Haftbefehls jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu erwarten ist, weil Strafen bis zu dieser Höhe in der Regel auszusetzen sind und auch ausgesetzt werden.
· Die Dauer von Untersuchungshaft darf erstens "nicht ausser Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe stehen" (BVerfGE 20, 45 [49]). Zweitens kann sich "mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung vergrössern" (BVerfGE 36, 264 [270]).
Wegen dieser Abhängigkeit der Untersuchungshaftanordnung von der Sanktionsprognose war deshalb an sich zu erwarten, dass im Gefolge der Strafrechtsreform von 1969 sowohl die Untersuchungshaftraten als auch der Anteil der Untersuchungsgefangenen, der lediglich zu ambulanten Sanktionen verurteilt wird, deutlich zurückgehen würden. Eine derartige Erwartung war deshalb begründet, weil sonst durch die Untersuchungshaftpraxis die Wertentscheidung des im materiellen Strafrecht verwirklichten Reformprogramms vereitelt werden würde. Die Überzeugung, dass die kurze Freiheitsstrafe in aller Regel spezialpräventiv mehr schadet als nützt, hat den Gesetzgeber bewogen, die Verhängung und den Vollzug dieser Strafe soweit als möglich auszuschliessen. Diese Entscheidung würde durchkreuzt, würde gleichwohl gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft angeordnet werden. Zwar haben Untersuchungshaft und Freiheitsstrafe verschiedene Aufgaben, die Eingriffsintensität und die Folgen sind bei Untersuchungshaft aber nicht selten stärker als bei der Freiheitsstrafe. Diese kennt vielfältige Möglichkeiten der Lockerung, die bei der Untersuchungshaft wegen ihrer Sicherungsfunktion in der Regel gerade nicht bestehen. Untersuchungshaft wirkt infolgedessen nicht selten persönlich destabilisierender und sozial wie beruflich desintegrierender als Freiheitsstrafe.
Die Erwartung, dass die Untersuchungshaftraten, d.h. die Anteile der Untersuchungsgefangenen an den jeweiligen Verurteilten eines Berichtsjahres, parallel zum Rückgang stationärer Sanktionen zurückgehen würden, hat sich nicht erfüllt. Die Untersuchungshaftraten der nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten blieben weitgehend konstant; erst Mitte der 80er Jahre erfolgte, nicht zuletzt unter dem Einfluss von Wissenschaft und Öffentlichkeit, ein deutlicher Rückgang auf zuletzt 3,7%; seit 1990 sind, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Reaktion auf Ausländerkriminalität, die Untersuchungshaftraten wieder deutlich angestiegen (1999: 5,0%), erst in den letzten beiden Jahren erfolgte ein leichter Rückgang (2004: 4,0%) (Schaubild 19a).
Da Untersuchungshaft indes bei schweren Delikten häufiger angeordnet wird als bei leichten Delikten, werden bei zunehmendem Gebrauch von Diversion die auf Verurteilte bezogenen Untersuchungshaftraten im zeitlichen Längsschnitt zunehmend überhöht; im Vergleich von allgemeinem und Jugendstrafrecht sind die Untersuchungshaftraten bei jungen Menschen stärker als die der Erwachsenen verfälscht (Schaubild 19b).
Schaubild 19a: Untersuchungshaftraten nach Jugendstrafrecht und nach Allgemeinem Strafrecht (Zeitreihe)
Figure 19a: Offenders Remanded in Custody under Juvenile Penal Law and under General Penal Law
Schaubild 19b: Untersuchungshaftraten nach Jugendstrafrecht und nach Allgemeinem Strafrecht (Zeitreihe)
Figure 19b: Offenders Remanded in Custody under Juvenile Penal Law and under General Penal Law
Erwartungswidrig wird ferner nur jeder zweite (2004: 52,9%) nach allgemeinem Strafrecht verurteilte Untersuchungsgefangene zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt (Schaubild 20). Ein ganz erheblicher Teil der Verurteilten erlebt deshalb den Freiheitsentzug nur in seiner resozialisierungsfeindlichsten Form, nämlich in Form der Untersuchungshaft.
Schaubild 20: Untersuchungsgefangene nach Art der Sanktion (Allg. Strafrecht) (Zeitreihe)
Figure 20: Remanded Prisoners by Type of Sanction (General Penal Law) (Timeline)
Die absolute Zahl der verurteilten Jugendlichen und (der nach allgemeinem oder nach Jugendstrafrecht verurteilten) Heranwachsenden hatte 1982 den bisherigen Höhepunkt mit 194.296 Verurteilten erreicht. Bis 1992 ging die Zahl der Verurteilten auf die Hälfte zurück (1992: 96.451), seitdem steigen die Verurteiltenzahlen wieder an (2004: 134.636) (Schaubild 21). Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich auch, wenn die nach allgemeinem Strafrecht verurteilten Heranwachsenden ausgeklammert werden. 1982 wurden 149.760 Jugendliche und Heranwachsende nach Jugendstrafrecht verurteilt, 1992 lediglich noch 71.839, 2004 waren es 105.523 . Dieser Anstieg wurde durch den zunehmenden Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten in hohem Masse gedämpft. Denn die absoluten Zahlen der nach Jugendstrafrecht (sowohl gem. §§ 45, 47 JGG informell als auch der formell) Sanktionierten haben seit 1991 deutlich zugenommen (1991: 193.000; 2003: 349.000) (Schaubild 22).
Schaubild 21: Durch die Jugendgerichte Verurteilte (Zeitreihe)
Figure 21: Offenders Sentenced in Youth Court (Timeline)
Schaubild 22: Nach Jugendstrafrecht informell und formell Sanktionierte (Zeitreihe)
Figure 22: Under Juvenile Penal Law Informally and Formally Sanctioned Offenders
Die durch das Jugendgerichtsgesetz von 1953 erfolgte partielle Einbeziehung der Heranwachsenden wurde seinerzeit als Ausnahme und als Experiment verstanden: Die Praxis sollte mit der neuen Lösung Erfahrungen sammeln, um beurteilen zu können, ob die gefundene Lösung durch Erweiterung oder Einengung korrigiert werden müsse. Die als Ausnahme gedachte Einbeziehung der Heranwachsenden in das Jugendstrafrecht ist inzwischen die Regel: 1955 wurden lediglich 22,2% aller Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht verurteilt (Schaubild 23). Der vorläufige Höhepunkt war 1988 mit 65,0% erreicht, danach gingen die Raten zurück bis auf 57,7% (1994), in der zweiten Hälfte der 90er Jahre lagen die Raten zwischen 59 und 60%. In den letzten Jahren sind sie wieder deutlich angestiegen und haben 2003 mit 64,5% fast wieder den Spitzenwert von 1988 erreicht. 2004 ist die Rate allerdings wieder auf 62,6% zurückgegangen. Dieser Rückgang in der ersten Hälfte der 90er Jahre ist nur bei vordergründiger Betrachtung Ausdruck einer zurückhaltenderen Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende. Die genauere Analyse zeigt nämlich, dass Grund hierfür eine seit Ende der 80er Jahre zu beobachtende zunehmende Anwendung von allgemeinem Strafrecht auf nichtdeutsche Heranwachsende ist. Die Rate der nach Jugendstrafrecht verurteilten deutschen Heranwachsenden stieg dagegen bis 1983 auf etwas mehr als 60%; dieses hohe Niveau blieb seitdem - bei nur minimalen Schwankungen (1988: 64,7%; 1994 61,7%; 2003 66,0%; 2004: 63,7%) - erhalten.
Schaubild 23: Die strafrechtliche Behandlung der Heranwachsenden (Zeitreihe)
Figure 23: The Application of Criminal Law to Young Adults (Timeline)
Die deliktsspezifische Analyse zeigt, dass die Einbeziehung der Heranwachsenden in das Jugendstrafrecht tatsächlich nach anderen Kriterien als denen des § 105 JGG erfolgt. Die Anwendung von Jugendstrafrecht nimmt, jedenfalls in der Tendenz, mit der Schwere der Straftat zu. Deliktsspezifische Ausfilterungseffekte durch unterschiedlichen Gebrauch der Diversionsmöglichkeiten sind eher bei leichterer und mittelschwerer Kriminalität zu erwarten; sie erklären jedenfalls nicht das Ausmass der Unterschiede in der Anwendung von Jugendstrafrecht. Auf Delikte, die keine schweren Rechtsfolgen nach sich ziehen und in einem summarischen Verfahren behandelt werden können, findet eher allgemeines Strafrecht Anwendung. Dies gilt insbesondere für Verkehrsdelikte (Schaubild 24).
Schaubild 24: Die strafrechtliche Behandlung der Heranwachsenden, nach Hauptdeliktsgruppen
Figure 24: The Application of Criminal Law to Young Adults, by Offence
Entsprechend der Zielsetzung des JGG macht die Praxis von den Einstellungsmöglichkeiten der §§ 45, 47 JGG in noch stärkerem Masse als im allgemeinen Strafrecht Gebrauch. Allein zwischen 1981 und 2004 dürfte sich die Diversionsrate von 44% auf 69% erhöht haben (Schaubild 25). Der aus Schaubild 25 ersichtliche Anstieg 1997/1998 ist, wie in Tabelle A3 (im Anhang) gezeigt, ein nur scheinbarer, weil die Werte für die Vorjahre unterschätzt waren. Wie die seitherigen Ergebnisse zeigen, ist der Wert von 69% Einstellung stabil geblieben. Demnach ist die Einstellung des Verfahrens die Regel, die Verurteilung ist die Ausnahme. Im Unterschied zum allgemeinen Strafrecht, wo der vermehrte Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten dazu geführt hat, dass die Verurteiltenzahlen trotz des Anstiegs der Zahl der sanktionierbaren Personen in etwa konstant geblieben ist, wurde im Jugendstrafrecht trotz (bis 1991) sinkender Fallzahlen vermehrt eingestellt (Schaubild 22). Diversion dient hier nicht nur, wie vornehmlich im allgemeinen Strafrecht, der Verfahrensentlastung, vielmehr wird das spezialpräventive Konzept des Gesetzgebers, der eine Verfahrenseinstellung kriminalpolitisch für aussichtsreich und verantwortbar hält (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes vom 27.11.1989, BT-Drs. 11/5829, S. 1, 13), von der Praxis umzusetzen versucht.
Schaubild 25: Diversionsraten (StA und Gerichte) im Jugendstrafrecht
Figure 25: Diversion Rates (Public Prosecutor and Courts) under Juvenile Penal Law
Erwartungsgemäss ist die Diversionsrate im Jugendstrafrecht bei "Ersttätern", definiert über den ersten Eintrag im Bundeszentralregister (BZR), noch höher und dürfte deutlich zugenommen haben: Wie eine Auswertung der Eintragungen im BZR für die beiden Geburtsjahrgänge 1961 und 1967 gezeigt hat, wurden von sämtlichen erstmals im Jugendalter im BZR registrierten männlichen Jugendlichen des Geburtsjahrgangs 1961 53,5% informell sanktioniert; beim Geburtsjahrgang 1967 waren es schon 65,0% (Heinz, Wolfgang/ Spiess, Gerhard/Storz, Renate: Prävalenz und Inzidenz strafrechtlicher Sanktionierung im Jugendalter, in: Kaiser/Kury/Albrecht [Hrsg.]: Kriminologische Forschung in den 80er Jahren, Freiburg i.Br. 1988, S. 655, Tab. 9). Der erste Kontakt mit der Justiz endete also schon in der zweiten Hälfte der 70er und in der ersten Hälfte der 80er Jahre für den männlichen jugendlichen "Ersttäter" im Regelfall ohne Verurteilung. Inzwischen dürfte die Einstellungsrate für "Ersttäter" noch höher liegen. Wie eine Auswertung der für die Rückfallstatistik (Bezugsjahr 1994) erhobenen BZR-Daten ergeben hat, war die Diversionsrate bei jugendlichen Ersttätern 1994 erwartungsgemäss höher als Anfang der 80er Jahre. Bei erstmals registrierten deutschen Jugendlichen betrug die Diversionsrate insgesamt 88%, bei deutschen Ersttätern leichter Eigentumskriminalität (§§ 242, 247, 248a StGB) sogar 94% (vgl. Schaubild 27).
Zu diesem Anstieg hat entscheidend die Jugendstaatsanwaltschaft beigetragen (Schaubild 25). Denn es hat, gemessen an relativen, auf alle Sanktionierten bezogenen Zahlen, vor allem das Absehen von der Verfolgung nach § 45 JGG zugenommen, insbesondere die Einstellung ohne Einschaltung des Richters (§ 45 Abs. 1 und Abs. 2 JGG, d.h. § 45 Abs. 2 JGG a.F.; 1981: 13,1%, 2004: 53,3%). Die Staatsanwälte haben hierbei ihre "Sanktionskompetenz" nicht nur zu Lasten von Anklagen ausgebaut, sondern auch zu Lasten der Beteiligung des Jugendrichters nach § 45 Abs. 3 (§ 45 Abs. 1 a.F.) JGG und § 47 JGG.
Der Anteil der Verurteilten an allen (informell und formell) Sanktionierten ging dementsprechend zwischen 1981 und 2003 um 25 Prozentpunkte zurück, was überwiegend auf einem Rückgang der Verhängung von Erziehungsmassregeln und ambulanten Zuchtmitteln (1981 .. 2004: -16,7%) beruhte, aber auch, wenngleich in deutlich geringerem Masse, von Jugendarrest (1981-2004: -5,7%) und Jugendstrafe (1981-2004: -2,9%) (Schaubild 26).
Schaubild 26: Entwicklung der Sanktionspraxis im Jugendstrafrecht
Figure 26: Development of Sanctioning Practice in Juvenile Penal Law
Zu den rechtsstaatlichen Defiziten zählt, dass die Einstellungsmöglichkeiten des JGG in regional extrem unterschiedlichem Masse genutzt werden. Die Unterschiede im Gebrauch der §§ 45, 47 JGG übersteigen jene beim Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten der §§ 153, 153a, 153b StPO bei weitem (vgl. Schaubilder 8 und 27; 9 und 28). So betrug die Diversionsrate 2004 im Saarland 51,4%, in Hamburg 81,7%, in Bremen 86,0% (Schaubild 28).
Unterschiede bestehen nicht nur hinsichtlich des Ausmasses, in dem von §§ 45, 47 JGG Gebrauch gemacht wird. Höchst unterschiedlich ist vor allem das Mass, in dem der Jugendstaatsanwalt entscheidet bzw. der Jugendrichter eingeschaltet wird. 2004 wurde in Rheinland-Pfalz bei 66,8%, in Hamburg bei 60,6% aller (informell oder formell) Sanktionierten das Verfahren gem. § 45 Abs. 1 oder 2 JGG eingestellt, in Bayern dagegen lediglich bei 34,9%. Unter Beteiligung des Jugendrichters gem. §§ 45 Abs. 3, 47 JGG erfolgte in Bayern, das mit 60,5% mit die niedrigste Diversionsrate hatte, bei 25,6% aller Sanktionierten die Verfahrenserledigung, in Baden-Württemberg mit einer etwas höheren Diversionsrate (68,2%) wurde der Jugendrichter nur in 8,6% der Fälle eingeschaltet, in Rheinland-Pfalz sogar – trotz einer nochmals höheren Diversionsrate (70,8%) - nur in 4,0% aller Fälle. Hierdurch ergibt sich eine ungleiche Belastung, wird doch im Falle des § 47 JGG Anklage erhoben, wo in vergleichbaren Fällen in anderen Ländern das Verfahren ohne Anklage eingestellt wird. Der Kilometerstein des Tatortes entscheidet somit in nicht unerheblichem Masse nicht nur darüber, ob das Verfahren eingestellt oder mit einer Verurteilung abgeschlossen wird, sondern auch darüber, ob in unterschiedlicher Weise belastend (intervenierend) eingestellt wird.
Diese Diskrepanzen beruhen in diesem Ausmass nicht auf einer unterschiedlichen Kriminalitätsstruktur oder auf Abweichungen in den Merkmalen der Täter in den einzelnen Ländern. Wie Analysen aus der ersten Hälfte der 80er Jahre zeigten, bestanden die Unterschiede vor allem bei Ersttätern, bei Mehrfachauffälligen wurde in der Mehrzahl der Länder nur ausnahmsweise eingestellt. So konnte z.B. Storz bei ihrer Auswertung der Eintragungen im Bundeszentralregister für die Jugendlichen des Geburtsjahrganges 1961 zeigen, dass bei einer ersten Auffälligkeit wegen "einfachen Diebstahls" (§§ 242, 247, 248a StGB) in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg über 80% aller Verfahren nach §§ 45, 47 JGG eingestellt worden waren; in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war dies lediglich bei rd. 43% der Fall. Vergleichbare Unterschiede wurden festgestellt bei einer ersten Auffälligkeit wegen "Fahren ohne Fahrerlaubnis" (§ 21 StVG), einem sog. Taxendelikt, bei dem typischerweise nach objektiven Kriterien routinemässig entschieden wird (vgl. Storz, Renate: Jugendstrafrechtliche Reaktionen und Legalbewährung, in: Heinz/Storz: Diversion im Jugendstrafverfahren der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992, S. 155 Tab. 11).
Die Erfahrungen der Praxis mit den Diversionsmöglichkeiten des Jugendstrafrechts haben inzwischen - und zwar in allen Bundesländern - zu einer beträchtlichen Ausweitung ihrer Anwendung geführt: Wie die Auswertung der für die Rückfallstatistik (Bezugsjahr 1994) erhobenen Daten ergabt, wurde bei den im Bundeszentralregister/Erziehungsregister erstmals wegen eines leichten Eigentumsdelikts (§§ 242, 247, 248a StGB) als einziges Delikt registrierten deutschen Jugendlichen (zum Zeitpunkt der Entscheidung) im Schnitt aller Länder in 94% der Fälle von den Diversionsmöglichkeiten des JGG Gebrauch gemacht. Die Spannweite reichte von über 99% (Hamburg, Bremen, Berlin) bis 85% (Bayern) (vgl. Schaubild 27). Während bei den erstmals Registrierten sich die Praxis in Richtung der Nutzung der Diversion im Regelfall bereits weitgehend vereinheitlicht hat, finden sich nunmehr ganz erhebliche Unterschiede in der Verfahrenspraxis gegenüber den wiederholt in Erscheinung getretenen Jugendlichen. Bei der Reaktion auf die dritte oder weitere erfasste Straffälligkeit eines Jugendlichen lag die Spannweite der Diversionsentscheidungen bei 67 Prozentpunkten (Hamburg: 96%; Bayern: 29%). Insbesondere bei wiederholt Auffälligen sind danach die Risiken einer förmlichen Verurteilung in den Ländern - selbst innerhalb der selben Deliktsgruppe - höchst unterschiedlich.
Schaubild 27: Diversionsraten bei deutschen Jugendlichen (zum Zeitpunkt der Entscheidung) wegen leichter Eigentumsdelikte (242, 247, 248a StGB als einziges Delikt) in Abhängigkeit von der Vorbelastung, nach Ländern (1994).
Datenquelle: Daten aus dem Bundeszentral- und Erziehungsregister, Entscheidungsjahr 1994. Deutsche Jugendliche (zum Zeitpunkt der Entscheidung); entscheidungsbezogen (auch mehrere Entscheidungen zu derselben Person)
Schaubild 28: Diversionsraten (StA und Gerichte) im Jugendstrafrecht, 1981 .. 2002. Anteile der staatsanwaltlichen und gerichtlichen Einstellungen gem. §§ 45, 47 JGG, bezogen auf informell und formell Sanktionierte, nach Ländern.
Schaubild 29: Diversionsraten im Jugendstrafrecht, nach Ländern.
Figure 29: Rates of Diversion in Juvenile Penal Law, by State.
Innerhalb der formellen, d.h. der durch Urteil verhängten Sanktionen kam es zu einer Zurückdrängung stationärer Sanktionen zugunsten solcher ambulanter, also den Freiheitsentzug vermeidender Massnahmen. 1955 entfielen lediglich 50,4% auf ambulante Sanktionen als schwerste Massnahme, 2004 waren es dagegen 74,8% (Schaubild 30).
Schaubild 30: Entwicklung der Sanktionspraxis im Jugendstrafrecht
Figure 30: The Development of Sanctioning Practice under Juvenile Penal Law
Unter den ambulanten Sanktionen - als schwerster Massnahme - haben insbesondere die ambulanten Erziehungsmassregeln und die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung zunehmend an Bedeutung gewonnen (Schaubild 31). Der in der zweiten Hälfte der 70er Jahre erfolgte Bedeutungsgewinn der ambulanten Erziehungsmassregeln, genauer: der Weisungen, ging im Gefolge des 1. JGGÄndG allerdings wieder verloren zugunsten der ambulanten Zuchtmittel, namentlich zugunsten der 1990 eingeführten Arbeitsauflage, wobei es sich hierbei um einen Austausch zwischen Arbeitsweisung und Arbeitsauflage gehandelt haben dürfte. Dementsprechend ist der Anteil der ambulanten Zuchtmittel, und zwar insbesondere in Form von Verwarnung und Auflage, wieder deutlich gestiegen auf zuletzt (2004) 76,8%. aller ambulanten Sanktionen.
Schaubild 31: Ambulante Sanktionen nach Jugendstrafrecht
Figure 31: Non-custodial Sanctions under Juvenile Penal Law
Unter den Erziehungsmassregeln dominieren die Weisungen (Schaubild 32). Wie die Fürsorgeerziehung und Erziehungsbeistandschaft nach altem Recht, so sind auch die an deren Stelle getretenen Hilfen zur Erziehung (§ 12 JGG i.V.m. KJGH) quantitativ bedeutungslos.
Schaubild 32: Nach Jugendstrafrecht zu Erziehungsmassregeln Verurteilte (Zeitreihe)
Figure 32: Offenders Sentenced under Juvenile Penal Law to Disciplinary Measures (Timeline)
In der StVStat werden die verhängten formellen Sanktionen im wesentlichen nur der Art nach ausgewiesen. Die Inhalte der Massnahmen, also z.B. die Art der erteilten Weisung, die Höhe der Geldauflage, die Stunden der angeordneten Arbeitsauflage, werden, abgesehen von dem Nachweis der Dauer der bedingten und unbedingten Jugendstrafe, nicht erhoben. Aussagen über die Art der Weisungen sind deshalb anhand der StVStat nicht möglich.
Erprobt und institutionalisiert wurden in den letzten Jahrzehnten insbesondere die sog. "neuen ambulanten Massnahmen nach dem JGG", d.h. Betreuungsweisungen, sozialer Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich und Arbeitsweisungen. Dem Jugendlichen und Heranwachsenden sollen hierdurch stützende, helfende, chancenverbessernde und integrierende Massnahmen angeboten werden. Dem Jugendstaatsanwalt und dem Jugendrichter werden zusätzliche ambulante sozialpädagogische Alternativen zu stationären Sanktionen eröffnet. In jüngster Zeit werden zunehmend die Schadenswiedergutmachung und der Täter-Opfer-Ausgleich favorisiert. Beim jugendlichen Straftäter soll hierdurch die Wahrnehmung von Opferschäden gefördert, soziale Verantwortung aktiviert und die Chance einer privatautonomen Lösung genutzt werden. Über den Umfang, in dem von diesen "neuen ambulanten Massnahmen" Gebrauch gemacht wird, liegen keine statistischen Angaben für die Bundesrepublik vor. Aus Umfrageergebnissen lässt sich jedoch auf einen deutlich zunehmenden Gebrauch schliessen; wenngleich insgesamt gesehen die absoluten Zahlen noch relativ niedrig sind.
Innerhalb der Zuchtmittel fand eine Verschiebung statt, und zwar von Jugendarrest zugunsten vor allem von Auflagen (Schaubild 33). Unter den Auflagen dominiert die Auflage, einen Geldbetrag zu zahlen; erst im Gefolge des 1. JGGÄndG hat die Arbeitsauflage - zu Lasten der Erziehungsmassregeln und zu Lasten der Zahlung eines Geldbetrages - deutlich an Bedeutung gewonnen (Schaubild 34). Die weiteren Auflagen sind quantitativ bedeutungslos.
Schaubild 33: Nach Jugendstrafrecht zu Zuchtmitteln Verurteilte (Zeitreihe)
Figure 33: Offenders Sentenced to Disciplinary Measures under Juvenile Penal Law (Timeline)
Schaubild 34: Nach Jugendstrafrecht zu Auflagen Verurteilte (Zeitreihe)
Figure 34: Offenders Sentenced to Conditions under Juvenile Penal Law (Timeline)
74,9% aller stationären Sanktionen entfallen derzeit (2004) auf durch Urteil verhängten Jugendarrest, und zwar zu etwa gleichen Teilen auf Dauer- und auf Freizeitarrest (Schaubild 35). Kurzarrest war und ist weitgehend bedeutungslos.
Schaubild 35: Nach Jugendstrafrecht zu Jugendarrest Verurteilte (Zeitreihe)
Figure 35: Offenders Sentenced to Youth Detention under Juvenile Penal Law (Timeline)
Die - durch das 1. JGGÄndG aufgehobene - Jugendstrafe von (relativ) unbestimmter Dauer hatte schon Ende der 50er Jahre zugunsten der Jugendstrafen von mehr als einem Jahr kontinuierlich und drastisch an Bedeutung verloren (Schaubild 36).
Schaubild 36: Dauer der Jugendstrafen (Zeitreihe)
Figure 36: Length of Youth Sentences (Timeline)
Der Anteil der insgesamt zu Jugendstrafe Verurteilten an allen Verurteilten war seit Beginn der 60er Jahre und bis 1990 (1990: 15,7%) im wesentlichen konstant (Schaubild 30). In den letzten Jahren stieg diese Rate jedoch deutlich an auf ihren bisherigen Höchststand von 19,5% (1994); 2004 beträgt diese Rate 16,5%. Dies geht vor allem zurück auf Anstiege bei mittel- (1 Jahr bis 2 Jahre) und bei langfristigen (über 2 Jahre) Jugendstrafen (Schaubild 36).
Wegen des hohen und zunehmenden Anteils der gem. §§ 45, 47 JGG eingestellten, also nicht zur Verurteilung führenden Verfahren ist jedoch eine derartige, lediglich auf die Anteile an den Verurteilten abstellende Betrachtungsweise irreführend. Denn durch Einstellungen gelangen - empirisch gesehen - die leichteren Fälle nicht mehr zur Verurteilung, weshalb sich unter den Verurteilungen der relative Anteil der "schweren" Fälle, für die - ebenfalls empirisch betrachtet - eher freiheitsentziehende Sanktionen als "erforderlich" erachtet werden, deutlich erhöht. Notwendig ist deshalb eine Bezugnahme auf die "Sanktionierten", d.h. die Gesamtzahl der Personen, die entweder verurteilt worden sind oder bei denen das Verfahren eingestellt worden ist (Schaubild 37, der Rückgang 1998 vs. 1997 ist ein nur scheinbarer, weil, wie gezeigt [vgl. Tabelle A3 im Anhang], die Bezugsgrösse [Sanktionierte insg.] in den Vorjahren unterschätzt war). Dabei zeigt sich, jedenfalls für den Zeitraum ab 1981, für den statistische Daten vorliegen, ein leichter Rückgang der insgesamt verhängten Jugendstrafen. Dieser Rückgang beruht auf der Entwicklung bei Jugendstrafen bis 12 Monate. Der Anteil der Jugendstrafen zwischen 12 Monaten und 2 Jahren ist indes leicht gestiegen.
Schaubild 37: Dauer der Jugendstrafen (Zeitreihe)
Figure 37: Length of Youth Sentences (Timeline)
Zwischen ausgesetzter und unbedingt verhängter Jugendstrafe fand ein Austausch statt. 2004 wurden 62,1% aller Jugendstrafen zur Bewährung ausgesetzt (70,0% der aussetzungsfähigen Jugendstrafen), 1955 waren es lediglich 32,4%. Die Aussetzungsquoten sind umso höher, je kürzer die verhängten Jugendstrafen sind, aber selbst bei Jugendstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren wurden 2004 55,9% der Jugendstrafen zur Bewährung ausgesetzt (Schaubild 37).
Schaubild 38: Aussetzungsraten bei Jugendstrafen (Zeitreihe)
Figure 38: Rates of Suspension of Juvenile Custodial Sentences
Wie im allgemeinen Strafrecht, so wurde auch im Jugendstrafrecht vermehrt eine nach "klassischen" prognostischen Kriterien "schwierige" Klientel in die Strafaussetzung zur Bewährung einbezogen. Wie dort, so ging auch hier die Ausdehnung der Strafaussetzung nicht nur einher mit einer deutlichen Erhöhung des Anteils der besonders risikobelasteten Probandengruppe (Schaubild 39), sondern auch mit einem deutlichen Anstieg der Straferlassquote, namentlich bei den als besonders risikobelastet geltenden Gruppen (Schaubild 40); in den letzten Jahren gehen, wie im allgemeinen Strafrecht, die Erlassquoten indes wieder zurück. Wie der Vergleich der Erlassquoten für unterschiedlich vorbelastete Gruppen zeigt, liegen die Bewährungsquoten der vorbelasteten Probanden unter der prognostisch günstigsten Gruppe der erstmals Verurteilten; in der positiven Entwicklung bleiben sowohl die Gruppe der bereits zuvor verurteilten als auch die Untergruppe der bereits zuvor unter Bewährungsaufsicht gestellten Probanden nicht hinter derjenigen der erstmals verurteilten Probanden zurück.
Schaubild 39: Beendete Bewährungsaufsichten nach früherer Verurteilung der Probanden
Figure 39: Probation/Parole Completed by Offenders with Previous Convictions
Schaubild 40: Durch Bewährung beendete Bewährungsaufsichten
Figure 40: Probation Supervision Ended Through Parole
Mit der Untersuchungshaft werden sämtliche Nachteile der kurzfristigen Jugendstrafe beibehalten, wenn nicht gar noch verschärft. Von einer erzieherischen Gestaltung und Wirkung des Untersuchungshaftvollzugs kann in der Regel nicht gesprochen werden. Der Gesetzgeber hat deshalb in § 72 JGG die Subsidiarität der Untersuchungshaft festgelegt; durch das 1. JGGÄndG von 1990 wurde dieses Subsidiaritätsgebot verstärkt. Erwartet wurde, dass die in § 72 Abs. 1 S. 2 JGG ausdrücklich vorgesehene Pflicht zur Prüfung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ebenso wie der Begründungszwang nicht ohne Einfluss auf die Fallzahlen bleiben dürfte. Eingeschränkt werden sollte die Untersuchungshaft ferner durch die Erleichterung der Unterbringung in einem Erziehungsheim, durch Einbeziehung einer Haftentscheidungshilfe sowie durch die Einschränkung der Untersuchungshaft gegen 14- und 15jährige.
Dennoch sind, wie die seit 1975 verfügbaren Daten der StVStat zeigen, die (auf Verurteilte bezogenen) Untersuchungshaftraten im Jugendstrafrecht nicht, wie angesichts des jugendstrafrechtlichen Subsidiaritätsgebots zu erwarten war, wesentlich niedriger als im allgemeinen Strafrecht; seit 1988 sind sie sogar deutlich höher und stärker angestiegen (Schaubild 19a). In der ersten Hälfte der 90er Jahre war die U-Haftrate im statistisch überblickbaren Zeitraum höher als je zuvor; erst seit 1994 gehen die Raten deutlich zurück. Dies dürfte mit eine Folge der Entwicklung im Bereich der Ausländerkriminalität sein.
Die altersspezifische Differenzierung ergibt, dass die Untersuchungshaftraten bei den Heranwachsenden deutlich über, die entsprechenden Raten der Jugendlichen dagegen deutlich unter jenen der Erwachsenen liegen. Wie Jehle bei seiner Analyse der Individualdatensätze der StVStat (Jehle, Jörg-Martin: Entwicklung der Untersuchungshaft bei Jugendlichen und Heranwachsenden vor und nach der Wiedervereinigung, Bonn 1995, S. 50 ff) zeigen konnte, sind die Haftraten vor allem bei der Gruppe der Nichtdeutschen angestiegen, die weder aus "Gastarbeiterländern" noch aus EU-Ländern stammt. Die Reaktion auf Zuwandererkriminalität führt auch zu Unterschieden in der Haftanordnung: Diese Gruppe wird "überwiegend wegen weniger schwerer Delikte sowie für kürzere Zeit verhaftet und erhält geringere Strafen" (Jehle aaO., S. 66). Aber auch bei Berücksichtigung der Probleme der Zuwandererkriminalität bleibt die Haftpraxis hinter den gesetzlichen Intentionen zurück: "So erscheinen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit die immer noch hohen Anteile von Vermögensdelikten im weiteren Sinne, von kurzer Haftdauer und von ambulanten Sanktionen bei jugendlichen Abgeurteilten mit Untersuchungshaft problematisch. Dass bei der Anordnungspraxis durchaus Spielräume bestehen, darauf weisen die erheblichen regionalen Unterschiede hin. ... Der Befund, dass Jugendliche wegen weniger schwerer Delikte und kürzer inhaftiert sowie seltener mit vollstreckbaren Freiheitsentziehungen sanktioniert werden als Erwachsene, kann auch so gedeutet werden, dass hier neben strafrechtlichen Kriterien die soziale und persönliche Situation der Verhafteten eine verstärkte Rolle spielt. Insoweit werden offenbar die vom Gesetzgeber vorgesehenen Instrumente, insbesondere Einschaltung der Jugendgerichtshilfe und die Bereitstellung alternativer Heimplätze, in der Praxis nicht im intendierten Mass wirksam." (Jehle aaO., S. 9).
Untersuchungshaft darf gem. § 112 Abs. 1 S. 2 StPO "nicht angeordnet werden, wenn sie ... zu der zu erwartenden Strafe ... ausser Verhältnis steht". Sonst würde die angeordnete - und regelmässig auch vollzogene - Untersuchungshaft stärker in das Freiheitsrecht des als unschuldig Geltenden eingreifen als die Reaktion, die aus der Verurteilung des als schuldig Erkannten folgt. Wegen dieser Abhängigkeit der Untersuchungshaftanordnung von der Sanktionsprognose ist deshalb zu erwarten, dass weitaus mehr Untersuchungsgefangene zu stationären als zu ambulanten Sanktionen verurteilt werden. Erwartungswidrig wird aber nur jeder zweite (2004: 49,3%) nach Jugendstrafrecht verurteilte Untersuchungsgefangene zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verurteilt. Wie im allgemeinen Strafrecht, so erlebt auch im Jugendstrafrecht ein ganz erheblicher Teil der Verurteilten deshalb den Freiheitsentzug nur in seiner resozialisierungsfeindlichsten Form, nämlich in Form der Untersuchungshaft (Schaubild 41).
Schaubild 41: Untersuchungsgefangene nach Art der Sanktion (Jugendstrafrecht)
Figure 41: Offenders Remanded in Custody, by Type of Sanction (Juvenile Penal Law)
Wie der Vergleich der freiheitsentziehenden Sanktionen nach allgemeinem und nach Jugendstrafrecht zeigt, werden, und zwar auch bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Diversionsraten, im Jugendstrafrecht mehr freiheitsentziehende Sanktionen angeordnet als im allgemeinen Strafrecht (Schaubild 42; Schaubild 43). Der Unterschied wird, bei Kontrolle des Umrechnungsverfahrens für die informell Sanktionierten (vgl. Tabellen A3 und A4 im Anhang), für 1998 eher noch grösser.
Schaubild 42: Dauer der nach Allg./nach Jugendstrafrecht verhängten Freiheitsstrafen
Figure 42: Length of Custodial Sentences Imposed under General and under Juvenile Penal Law
Schaubild 43: Freiheitsentziehende Strafen nach Jugend- und nach Allgem. Strafrecht (Zeitreihe)
Figure 43: Custodial Sentenced under Juvenile and Under General Penal Law (Timeline)
Im Jugendstrafrecht werden im statistisch überblickbaren Zeitraum ab 1981, bezogen auf alle Sanktionierten, deutlich mehr freiheitsentziehende Sanktionen mit einer Dauer zwischen 12 und 24 Monaten verhängt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, trifft dies auch zu bei Sanktionen mit einer Dauer von mehr als 24 Monaten (Schaubild 44). Im allgemeinen Strafrecht werden dementsprechend etwas häufiger Strafen zwischen 6 und 12 Monaten verhängt. Die Freiheitsstrafen unter 6 Monaten des allgemeinen Strafrechts haben im Jugendstrafrecht wegen der Mindestdauer der Jugendstrafe von 6 Monaten keine Entsprechung. Auffallend ist indes, dass Jugendarrest weitaus häufiger verhängt wird als die kurze Freiheitsstrafe nach allgemeinem Strafrecht.
Schaubild 44: Dauer der nach Allg./nach Jugendstrafrecht verhängten Freiheitsstrafen (Zeitreihe)
Offenbar vertrauen Jugendrichter in höherem Masse auf die - empirisch allerdings nicht gestützte - Annahme einer rückfallmindernden Wirkung freiheitsentziehender Sanktionen. Durch Art und Schwere der Kriminalität dürfte dieser Unterschied jedenfalls kaum erklärbar sein, ist doch Jugendkriminalität im Schnitt weniger schwer als die Kriminalität von Erwachsenen.
Trotz des an der StVStat ablesbaren Befunds der nachhaltigen Zurückdrängung der verhängten, vollstreckbaren Freiheitsstrafe nimmt die Bundesrepublik im europäischen pönologischen Vergleich keinen der vorderen Plätze ein. Dem am häufigsten verwendeten Indikator zufolge, der Gefangenenrate, d.h. der Zahl der Vollzugsinsassen pro 100.000 der jeweiligen Wohnbevölkerung, weist die Bundesrepublik Deutschland eine relativ hohe Gefangenenrate auf (Schaubild 45). Dies ist vor allem eine Folge des Gebrauchs von mittel- und langfristigen Freiheitsstrafen. Im europäischen Vergleich zählt Deutschland zu jenen Ländern, die eher von Strafen mit vergleichsweise langer Dauer Gebrauch machen (hierzu, auch mit Daten zur Entwicklung der Gefangenenraten in Europa seit 1984, s. Dünkel. Frieder: Der deutsche Strafvollzug im internationalen Vergleich <www.uni-greifswald.de/~ls3/Strafvollzug%20BRD.pdf>).
Schaubild 45: Gefangene in westeuropäischen Staaten
Figure 45: Prisioners in Western European States
Der Anteil der Abgeurteilten, gegen die freiheitsentziehende Massregeln der Besserung und Sicherung (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt, in Sicherungsverwahrung) angeordnet wurden, ist insgesamt sehr gering, in den letzten zwei Jahrzehnten jedoch deutlich gestiegen (vgl. Tabelle 4). 1976 kamen auf 100 Abgeurteilte 0,10 mit freiheitsentziehenden Massregeln, 2003 0,28. Dieser Anstieg geht vor allem zurück auf die zunehmend häufiger angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Sicherungsverwahrung wird immer noch relativ zurückhaltend angeordnet, wenngleich mit insgesamt leicht steigender Tendenz. Freilich wird nur die Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB nachgewiesen; die Anordnung von vorbehaltener bzw. nachträglicher Sicherungsverwahrung wird in den Strafrechtspflegestatistiken nicht erfasst.
Die Anordnung von freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, insbesondere die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, ist – insgesamt gesehen – eine seltene Ausnahme. Wie die deliktsspezifische Analyse zeigt, sind die Anteile deutlich höher bei Straftaten gegen das Leben (ohne Straftaten im Strassenverkehr) (vgl. Tabelle 5a/5b). 2004 wurden bei 15,2% der wegen vorsätzlicher Tötungsdelikte (Mord oder Totschlag) Angeklagten eine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, darunter überwiegend – 74,0% - bei Schuldunfähigen. Die Unterbringungsquoten bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind demgegenüber geringer, liegen aber immer noch deutlich über dem Durchschnitt. Die Schuldunfähigkeit steht bei dieser Deliktskategorie nicht im Vordergrund.
Entsprechend der gesetzlichen Regelung wird bei abgeurteilten Schuldunfähigen überwiegend eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt angeordnet. 2004 war dies bei drei von vier Abgeurteilten (79,2%) der Fall (vgl. Tabelle 6a). In Fällen der Schwerkriminalität ist der Anteil der abgeurteilten Schuldunfähigen, bei denen eine Unterbringung angeordnet wurde, mit 90% oder mehr deutlich höher. Die Unterbringungsraten beliefen sich 2004 bei Delikten gegen das Leben auf 100%, bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf rd. 93%, bei Raub, räuberische Erpressung auf 97% und bei Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit auf 91%.
Im Unterschied zur Schuldunfähigkeit führt die Feststellung verminderter Schuldfähigkeit zwar regelmässig zu einer Strafmilderung, nicht aber zu einer Unterbringung, und zwar selbst bei schweren Straftaten (vgl. Tabelle 6b). So erfolgte 2004 z.B. keine Unterbringung bei rd. 62,1% der im Zusammenhang mit Delikten gegen das Leben Abgeurteilten (vorsätzliche Tötungsdelikte: 61,5%), bei denen eine verminderte Schuldfähigkeit festgestellt wurde.
Tabelle 4: Abgeurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der
Besserung und Sicherung 1976 bis 2004.
Früheres Bundesgebiet mit Berlin-West, seit
1995 einschl. Berlin-Ost
|
Abgeurteilte |
||||||||||
|
darunter
mit freiheits- entziehenden Massregeln |
Unterbringung in |
|||||||||
Psychiatrischem Krankenhaus |
Entziehungsanstalt |
Sicherungsverwahrung |
|||||||||
|
dar.: schuldunfähig |
|
dar.: schuldunfähig |
||||||||
N |
N |
% von (1) |
N |
% von (2) |
N |
N |
% von (2) |
N |
N |
% von (2) |
|
|
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
(8) |
(9) |
(10) |
(11) |
1976 |
839.679 |
874 |
0,10 |
410 |
46,9 |
258 |
404 |
46,2 |
62 |
60 |
6,9 |
1977 |
882.855 |
869 |
0,10 |
389 |
44,8 |
201 |
429 |
49,4 |
49 |
51 |
5,9 |
1978 |
917.532 |
895 |
0,10 |
377 |
42,1 |
251 |
483 |
54,0 |
64 |
35 |
3,9 |
1979 |
906.232 |
984 |
0,11 |
370 |
37,6 |
229 |
570 |
57,9 |
50 |
44 |
4,5 |
1980 |
928.906 |
992 |
0,11 |
366 |
36,9 |
233 |
585 |
59,0 |
48 |
41 |
4,1 |
1981 |
952.091 |
956 |
0,10 |
395 |
41,3 |
232 |
504 |
52,7 |
33 |
57 |
6,0 |
1982 |
981.083 |
965 |
0,10 |
408 |
42,3 |
240 |
519 |
53,8 |
49 |
38 |
3,9 |
1983 |
998.208 |
968 |
0,10 |
420 |
43,4 |
268 |
521 |
53,8 |
49 |
27 |
2,8 |
1984 |
966.339 |
974 |
0,10 |
427 |
43,8 |
256 |
511 |
52,5 |
44 |
36 |
3,7 |
1985 |
924.912 |
990 |
0,11 |
425 |
42,9 |
267 |
526 |
53,1 |
43 |
39 |
3,9 |
1986 |
908.652 |
994 |
0,11 |
410 |
41,2 |
248 |
544 |
54,7 |
41 |
40 |
4,0 |
1987 |
890.666 |
1.040 |
0,12 |
391 |
37,6 |
235 |
610 |
58,7 |
47 |
39 |
3,8 |
1988 |
903.211 |
1.095 |
0,12 |
447 |
40,8 |
249 |
616 |
56,3 |
28 |
32 |
2,9 |
1989 |
888.089 |
1.086 |
0,12 |
428 |
39,4 |
252 |
631 |
58,1 |
56 |
27 |
2,5 |
1990 |
878.305 |
1.089 |
0,12 |
432 |
39,7 |
276 |
626 |
57,5 |
48 |
31 |
2,8 |
1991 |
869.195 |
1.236 |
0,14 |
474 |
38,3 |
324 |
724 |
58,6 |
72 |
38 |
3,1 |
1992 |
883.056 |
1.397 |
0,16 |
553 |
39,6 |
337 |
810 |
58,0 |
60 |
34 |
2,4 |
1993 |
931.051 |
1.304 |
0,14 |
467 |
35,8 |
307 |
810 |
62,1 |
79 |
27 |
2,1 |
1994 |
936.459 |
1.505 |
0,16 |
551 |
36,6 |
358 |
914 |
60,7 |
49 |
40 |
2,7 |
1995 |
937.385 |
1.361 |
0,15 |
559 |
41,1 |
345 |
757 |
55,6 |
28 |
45 |
3,3 |
1996 |
944.324 |
1.548 |
0,16 |
628 |
40,6 |
410 |
874 |
56,5 |
38 |
46 |
3,0 |
1997 |
960.334 |
1.901 |
0,20 |
739 |
38,9 |
464 |
1.116 |
58,7 |
46 |
46 |
2,4 |
1998 |
974.187 |
1.892 |
0,19 |
770 |
40,7 |
454 |
1.061 |
56,1 |
40 |
61 |
3,2 |
1999 |
940.683 |
1.955 |
0,21 |
709 |
36,3 |
466 |
1.191 |
60,9 |
43 |
55 |
2,8 |
2000 |
908.261 |
2.085 |
0,23 |
758 |
36,4 |
497 |
1.267 |
60,8 |
48 |
60 |
2,9 |
2001 |
890.099 |
2.234 |
0,25 |
790 |
35,4 |
512 |
1.370 |
61,3 |
52 |
74 |
3,3 |
2002 |
893.005 |
2.452 |
0,27 |
864 |
35,2 |
557 |
1.532 |
62,5 |
45 |
56 |
2,3 |
2003 |
911.848 |
2.585 |
0,28 |
876 |
33,9 |
536 |
1.643 |
63,6 |
34 |
66 |
2,6 |
2004 |
958.259 |
2.642 |
0,28 |
968 |
36,6 |
666 |
1.609 |
60,9 |
52 |
65 |
2,5 |
Änderung |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
in % |
14,1 |
202,3 |
|
136,1 |
|
|
298,3 |
|
|
8,3 |
|
absolut |
118.580 |
1.768 |
|
558 |
|
|
1.205 |
|
|
5 |
|
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgung 1976-2004.
Tabelle 5a: Wegen Verbrechen oder Vergehen Abgeurteilte mit
freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach Deliktsart.
Früheres Bundesgebiet mit Berlin 2004. Absolute Zahlen
|
Abgeurteilte |
Abgeurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln |
||||
Insge- |
Unterbringung in Psychiatrie insg. |
darunter: schuldunfähig |
|
|
||
Straftaten insgesamt |
958.259 |
2.642 |
968 |
666 |
1.609 |
65 |
Straftaten gg. die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b) |
9.894 |
256 |
161 |
67 |
69 |
26 |
Straftaten gegen das Leben (ohne Verkehr) (§§ 211-222) |
1.290 |
202 |
123 |
91 |
65 |
14 |
- vollendeter Mord (§ 211) |
171 |
13 |
8 |
4 |
4 |
1 |
- versuchter Mord (§§ 211, 22) |
123 |
30 |
15 |
13 |
10 |
5 |
- Totschlag (§§ 212, 213) |
514 |
157 |
100 |
74 |
49 |
8 |
gg. die körperliche Unversehrtheit (ohne Verkehr) (§§ 223-231) |
97.970 |
577 |
325 |
261 |
250 |
2 |
- gefährliche Körperverletzung (§ 224) |
37.760 |
378 |
222 |
169 |
156 |
0 |
- Körperverl. mit Todesfolge (§ 227) |
82 |
19 |
2 |
2 |
16 |
1 |
Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242-248c) |
185.550 |
285 |
44 |
24 |
240 |
1 |
- Einbruchsdiebstahl einschl. Wohnungseinbruch (§§ 243 I, 244 I Nr. 3) |
19.892 |
157 |
28 |
16 |
128 |
1 |
- Diebst. in anderen besonders schweren Fällen (§ 243 I Nr. 2-7) |
6.612 |
23 |
3 |
1 |
20 |
0 |
- Diebstahl mit Waffen (§ 244 I 1) |
1.933 |
24 |
3 |
2 |
21 |
0 |
- Bandendiebstahl (§ 244 I 2) |
944 |
6 |
1 |
0 |
5 |
0 |
Raub, Erpressung, räub. Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249-255, 316a) |
13.014 |
425 |
95 |
68 |
315 |
15 |
- einfacher Raub (§ 249) |
3.816 |
76 |
30 |
22 |
44 |
2 |
- schwerer Raub (§ 250) |
2.201 |
125 |
20 |
11 |
99 |
6 |
- Raub mit Todesfolge (§ 251) |
25 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
Betrug und Untreue (§§ 263-266b) |
165.029 |
63 |
20 |
12 |
40 |
3 |
Gemeingefährl.
Straftaten (ohne Verkehr) |
5.726 |
223 |
140 |
95 |
81 |
2 |
Straftaten im Strassenverkehr |
223.784 |
113 |
13 |
12 |
100 |
0 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 2004. - §§ ohne weitere Angabe: StGB.
Tabelle 5b: Wegen Verbrechen oder Vergehen Abgeurteilte mit
freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach
Deliktsart.
Früheres Bundesgebiet mit Berlin 2004. (in % der Abgeurteilten)
|
Abgeurteilte |
Abgeurteilte
mit freiheitsentziehenden Massregeln |
||||
Insge- |
Unterbringung in Psychiatrie insg. |
darunter:
schuldunfähig |
Entziehungsanstalt |
Sicherungsverwahrung |
||
Straftaten insgesamt |
958.259 |
0,28 |
0,10 |
68,8 |
0,17 |
0,01 |
Straftaten gg. die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b) |
9.894 |
2,59 |
1,63 |
41,6 |
0,70 |
0,26 |
Straftaten gegen das Leben (ohne Verkehr) (§§ 211-222) |
1.290 |
15,66 |
9,53 |
74,0 |
5,04 |
1,09 |
- vollendeter Mord (§ 211) |
171 |
7,60 |
4,68 |
50,0 |
2,34 |
0,58 |
- versuchter Mord (§§ 211, 22) |
123 |
24,39 |
12,20 |
86,7 |
8,13 |
4,07 |
- Totschlag (§§ 212, 213) |
514 |
30,54 |
19,46 |
74,0 |
9,53 |
1,56 |
gg. die körperliche Unversehrtheit (ohne Verkehr) (§§ 223-231) |
97.970 |
0,59 |
0,33 |
80,3 |
0,26 |
0,00 |
- gefährliche Körperverletzung (§ 224) |
37.760 |
1,00 |
0,59 |
76,1 |
0,41 |
0,00 |
- Körperverl. mit Todesfolge (§ 227) |
82 |
23,17 |
2,44 |
100,0 |
19,51 |
1,22 |
Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242-248c) |
185.550 |
0,15 |
0,02 |
54,5 |
0,13 |
0,00 |
- Einbruchsdiebstahl einschl. Wohnungseinbruch (§§ 243 I, 244 I Nr. 3) |
19.892 |
0,79 |
0,14 |
57,1 |
0,64 |
0,01 |
- Diebst.in anderen besonders schweren Fällen (§ 243 I Nr. 2-7) |
6.612 |
0,35 |
0,05 |
33,3 |
0,30 |
0,00 |
- Diebstahl mit Waffen (§ 244 I 1) |
1.933 |
1,24 |
0,16 |
66,7 |
1,09 |
0,00 |
- Bandendiebstahl (§ 244 I 2) |
944 |
0,64 |
0,11 |
0,0 |
0,53 |
0,00 |
Raub, Erpressung, räub. Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249-255, 316a) |
13.014 |
3,27 |
0,73 |
71,6 |
2,42 |
0,12 |
- einfacher Raub (§ 249) |
3.816 |
1,99 |
0,79 |
73,3 |
1,15 |
0,05 |
- schwerer Raub (§ 250) |
2.201 |
5,68 |
0,91 |
55,0 |
4,50 |
0,27 |
- Raub mit Todesfolge (§ 251) |
25 |
0,00 |
0,00 |
0,0 |
0,00 |
0,00 |
Betrug und Untreue (§§ 263-266b) |
165.029 |
0,04 |
0,01 |
60,0 |
0,02 |
0,00 |
Gemeingefährl.
Straftaten (ohne Verkehr) |
5.726 |
3,89 |
2,44 |
67,9 |
1,41 |
0,03 |
Straftaten im Strassenverkehr |
223.784 |
0,05 |
0,01 |
92,3 |
0,04 |
0,00 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 2004. - §§ ohne weitere Angabe: StGB.
Tabelle 6a: Schuldunfähige Abgeurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach Deliktsart. Früheres Bundesgebiet mit Berlin 2004.
|
Abgeurteilte |
Schuldunfähig Abgeurteilte |
||||||||||
|
Insge-samt |
davon schuld-unfähig |
insgesamt |
ohne Unterbringg. |
mit Unterbringung |
Unterbringung in |
||||||
N |
in % der schuldunf. Abg. |
|
in % der schuldunf. Abg. |
Psychiatrie |
in % der schuldunf. Abg. |
Entziehungsanstalt |
in % der schuldunf. Abg. |
|||||
|
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(7) |
(8) |
(9) |
(10) |
(11) |
(12) |
|
Straftaten insgesamt |
958.259 |
0,1 |
906 |
188 |
20,8 |
718 |
79,2 |
666 |
73,5 |
52 |
5,7 |
|
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b) |
9.894 |
0,7 |
73 |
5 |
6,8 |
68 |
93,2 |
67 |
91,8 |
1 |
1,4 |
|
Straftaten gegen das Leben (ohne Verkehr) (§§ 211-222) |
1.290 |
7,1 |
92 |
0 |
0,0 |
92 |
100,0 |
91 |
98,9 |
1 |
1,1 |
|
- vollendeter Mord (§ 211) |
171 |
2,3 |
4 |
0 |
0,0 |
4 |
100,0 |
4 |
100,0 |
0 |
0,0 |
|
- versuchter Mord (§§ 211, 22) |
123 |
10,6 |
13 |
0 |
0,0 |
13 |
100,0 |
13 |
100,0 |
0 |
0,0 |
|
- Totschlag (§§ 212, 213) |
514 |
14,6 |
75 |
0 |
0,0 |
75 |
100,0 |
74 |
98,7 |
1 |
1,3 |
|
gg. die körperliche Unversehrtheit (ohne Verkehr) (§§ 223-231) |
97.970 |
0,3 |
305 |
27 |
8,9 |
278 |
91,1 |
261 |
85,6 |
17 |
5,6 |
|
- gefährliche Körperverletzung (§ 224) |
37.760 |
0,5 |
194 |
11 |
5,7 |
183 |
94,3 |
169 |
87,1 |
14 |
7,2 |
|
- Körperverl. mit Todesfolge (§ 227) |
82 |
3,7 |
3 |
1 |
33,3 |
2 |
66,7 |
2 |
66,7 |
0 |
0,0 |
|
Diebstahl u. Unterschlagung (§§ 242-248c) |
185.550 |
0,0 |
44 |
11 |
25,0 |
33 |
75,0 |
24 |
54,5 |
9 |
20,5 |
|
- Einbruchsdiebstahl einschl. Wohnungseinbruch (§§ 243 I, 244 I Nr. 3) |
19.892 |
0,1 |
20 |
1 |
5,0 |
19 |
95,0 |
16 |
80,0 |
3 |
15,0 |
|
- Diebst.in
anderen bes. schweren Fällen |
6.612 |
0,1 |
4 |
0 |
0,0 |
4 |
100,0 |
1 |
25,0 |
3 |
75,0 |
|
- Diebstahl mit Waffen (§ 244 I 1) |
1.933 |
0,2 |
3 |
1 |
33,3 |
2 |
66,7 |
2 |
66,7 |
0 |
0,0 |
|
- Bandendiebstahl (§ 244 I 2) |
944 |
0,0 |
0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
|
Raub, Erpressung, räub. Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249-255, 316a) |
13.014 |
0,6 |
77 |
2 |
2,6 |
75 |
97,4 |
68 |
88,3 |
7 |
9,1 |
|
- einfacher Raub (§ 249) |
3.816 |
0,6 |
22 |
0 |
0,0 |
22 |
100,0 |
22 |
100,0 |
0 |
0,0 |
|
- schwerer Raub (§ 250) |
2.201 |
0,5 |
12 |
1 |
8,3 |
11 |
91,7 |
11 |
91,7 |
0 |
0,0 |
|
- Raub mit Todesfolge (§ 251) |
25 |
0,0 |
0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
|
Betrug und Untreue (§§ 263-266b) |
165.029 |
0,0 |
17 |
5 |
29,4 |
12 |
70,6 |
12 |
70,6 |
0 |
0,0 |
|
Gemeingefährl. Straftaten (ohne Verkehr) (§§ 306-323c [ohne 316a]) |
5.726 |
3,0 |
173 |
68 |
39,3 |
105 |
60,7 |
95 |
54,9 |
10 |
5,8 |
|
Straftaten im Strassenverkehr |
223.784 |
0,0 |
72 |
56 |
77,8 |
16 |
22,2 |
12 |
16,7 |
4 |
5,6 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 2004 - §§ ohne weitere Angabe: StGB.
Tabelle 6b: Vermindert schuldfähige Verurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach Deliktsart. Früheres Bundesgebiet mit Berlin 2004.
|
Abgeurteilte |
Vermindert schuldfähige Verurteilte |
|||||||||||
insgesamt |
Davon |
insgesamt |
ohne Unterbringung |
mit Unterbringung |
Unterbringung in |
||||||||
N |
in % d. verm. schuldfäh. Verurt. |
N |
in % d. verm. schuldfäh. Verurt. |
Psychiatrie |
in % d. verm. schuldfäh. Verurt. |
Entziehungsanstalt |
in % d. verm. schuldfäh. Verurt. |
Sicherungsverw. |
in % d. verm. schuldfäh. Verurt. |
||||
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
(8) |
(9) |
(10) |
(11) |
(12) |
(13) |
|
Straftaten insgesamt |
958.259 |
2,11 |
20.234 |
19.175 |
94,8 |
1.059 |
5,2 |
299 |
1,5 |
749 |
3,7 |
11 |
0,1 |
Straftaten gg die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b) |
9.894 |
5,73 |
567 |
433 |
76,4 |
134 |
23,6 |
94 |
16,6 |
36 |
6,3 |
4 |
0,7 |
Straftaten
gegen das Leben (ohne Verkehr) |
1.290 |
15,97 |
206 |
128 |
62,1 |
78 |
37,9 |
32 |
15,5 |
42 |
20,4 |
4 |
1,9 |
- vollendeter Mord (§ 211) |
171 |
8,77 |
15 |
8 |
53,3 |
7 |
46,7 |
4 |
26,7 |
3 |
20,0 |
0 |
0,0 |
- versuchter
Mord |
123 |
15,45 |
19 |
13 |
68,4 |
6 |
31,6 |
2 |
10,5 |
2 |
10,5 |
2 |
10,5 |
- Totschlag (§§ 212, 213) |
514 |
32,30 |
166 |
102 |
61,4 |
64 |
38,6 |
26 |
15,7 |
36 |
21,7 |
2 |
1,2 |
gg. die körperliche Unversehrtheit (ohne Verkehr) (§§ 223-231) |
97.970 |
5,48 |
5.367 |
5.173 |
96,4 |
194 |
3,6 |
62 |
1,2 |
131 |
2,4 |
1 |
0,0 |
- gefährl. Körperverletzung (§ 224) |
37.760 |
6,16 |
2.327 |
2.199 |
94,5 |
128 |
5,5 |
52 |
2,2 |
76 |
3,3 |
0 |
0,0 |
- KV mit Todesfolge (§ 227) |
82 |
36,59 |
30 |
19 |
63,3 |
11 |
36,7 |
0 |
0,0 |
10 |
33,3 |
1 |
3,3 |
Diebstahl u. Unterschlagung (§§ 242-248c) |
185.550 |
2,85 |
5.280 |
5.134 |
97,2 |
146 |
2,8 |
20 |
0,4 |
126 |
2,4 |
0 |
0,0 |
- Einbruchsdiebstahl einschl. Wohngseinbr. (§§ 243 I, 244 I Nr. 3) |
19.892 |
6,69 |
1.331 |
1.251 |
94,0 |
80 |
6,0 |
12 |
0,9 |
68 |
5,1 |
0 |
0,0 |
- Diebst.in anderen bes. schweren Fällen (§ 243 I Nr. 2-7) |
6.612 |
7,83 |
518 |
504 |
97,3 |
14 |
2,7 |
2 |
0,4 |
12 |
2,3 |
0 |
0,0 |
- Diebst. m. Waffen (§ 244 I 1) |
1.933 |
12,26 |
237 |
226 |
95,4 |
11 |
4,6 |
1 |
0,4 |
10 |
4,2 |
0 |
0,0 |
-
Bandendiebstahl |
944 |
3,50 |
33 |
28 |
84,8 |
5 |
15,2 |
1 |
3,0 |
4 |
12,1 |
0 |
0,0 |
Raub, Erpressung, räub. Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249-255, 316a) |
13.014 |
8,33 |
1.084 |
876 |
80,8 |
208 |
19,2 |
26 |
2,4 |
180 |
16,6 |
2 |
0,2 |
- einfacher Raub (§ 249) |
3.816 |
7,13 |
272 |
243 |
89,3 |
29 |
10,7 |
8 |
2,9 |
21 |
7,7 |
0 |
0,0 |
- schwerer Raub (§ 250) |
2.201 |
10,04 |
221 |
152 |
68,8 |
69 |
31,2 |
9 |
4,1 |
58 |
26,2 |
2 |
0,9 |
- Raub mit Todesfolge (§ 251) |
25 |
16,00 |
4 |
4 |
100,0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
0 |
0,0 |
Betrug und
Untreue |
165.029 |
0,39 |
649 |
623 |
96,0 |
26 |
4,0 |
8 |
1,2 |
18 |
2,8 |
0 |
0,0 |
Gemeingef. Straftaten (ohne Verkehr) (§§ 306-323c [ohne 316a]) |
5.726 |
6,10 |
349 |
274 |
78,5 |
75 |
21,5 |
45 |
12,9 |
30 |
8,6 |
0 |
0,0 |
Straftaten im Strassenverkehr |
223.784 |
1,28 |
2.867 |
2.834 |
98,8 |
33 |
1,2 |
1 |
0,0 |
32 |
1,1 |
0 |
0,0 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 2003 - §§ ohne weitere Angabe: StGB.
Unter den nicht-freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung (Führungsaufsicht, Berufsverbot, Entziehung der Fahrerlaubnis) dominiert die Fahrerlaubnisentziehung (Tabelle 7). Sie wird dann angeordnet, wenn jemand bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers eine rechtswidrige Tat begangen hat, z.B. eine fahrlässige Körperverletzung im Strassenverkehr oder eine Trunkenheitsfahrt. Mit der Fahrerlaubnisentziehung wird eine Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis verbunden. Alternativ kann als Denkzettelstrafe gegen Kraftfahrzeugfahrer neben einer Freiheits- oder Geldstrafe eine Fahrverbot verhängt werden (§ 44 StGB). Im Unterschied zur Fahrerlaubnisentziehung bleibt der Verurteilte bei dieser Nebenstrafe Inhaber der Fahrerlaubnis, er darf von ihr nur für die im Urteil bestimmte Dauer (ein bis drei Monate) keinen Gebrauch machen.
2004 wurden im früheren Bundesgebiet (einschliesslich Berlin) insgesamt 52% der wegen Straftaten im Strassenverkehr Abgeurteilten die Fahrerlaubnis entzogen und 14% der wegen dieser Straftaten Verurteilten ein Fahrverbot erteilt (Tabelle 7). In den letzten zwei Jahrzehnten wurde von diesen Reaktionsmöglichkeiten zunehmend Gebrauch gemacht. Seit Mitte der 70er Jahre stieg der Anteil der mit einer Fahrerlaubnisentziehung oder einem Fahrverbot belegten Abgeurteilten von 52% (1976) auf 64,3% (2004) an. Mit einem Anteil zwischen 80% und 89% an allen Fahrerlaubnisentziehungen/Fahrverboten dominiert die Fahrerlaubnisentziehung, wenngleich der Anteil des Fahrverbots relativ zunimmt.
Tabelle 7: Entziehung der Fahrerlaubnis (Sperre) und Fahrverbot wegen Straftaten im Strassenverkehr. Früheres Bundesgebiet mit Berlin-West, seit 1994 einschl. Berlin-Ost.
|
Wegen Straftaten im Strassenverkehr Abgeur |
Entziehung der Fahrerlaubnis / Fahrverbot (zusammen) |
|
Entziehung der Fahrerlaubnis (Sperre) |
Fahrverbot |
|||||
% / (2) (Entzug und Fahrverbot zus.) |
% / (1) (wg Str.V. Abgeurteilte) |
mehr als 6 Mon. |
% / (1) (wg Str.V. Verur-teilte) |
1 Monat % / Fahrverbot |
>1 bis 2 Mon. % / Fahrverbot |
>2 bis 3 Mon. % / Fahrverbot |
||||
Jahr |
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
(8) |
(9) |
(10) |
1976 |
351.574 |
183 751 |
52,3 |
89,0 |
46,5 |
68,7 |
6,5 |
30,1 |
23,2 |
46,7 |
1977 |
374.538 |
198 214 |
52,9 |
88,6 |
46,9 |
69,2 |
7,0 |
30,7 |
22,9 |
46,5 |
1978 |
387.581 |
206 869 |
53,4 |
88,2 |
47,1 |
69,4 |
7,3 |
29,8 |
22,5 |
47,7 |
1979 |
381.314 |
203 272 |
53,3 |
87,4 |
46,6 |
70,2 |
8,0 |
29,2 |
21,9 |
48,9 |
1980 |
392.184 |
215 057 |
54,8 |
86,2 |
47,3 |
71,0 |
9,0 |
27,0 |
19,9 |
53,1 |
1981 |
385.595 |
213 307 |
55,3 |
85,2 |
47,1 |
71,3 |
9,8 |
26,1 |
19,4 |
54,5 |
1982 |
373.189 |
213 210 |
57,1 |
84,0 |
48,0 |
72,5 |
10,9 |
23,8 |
18,9 |
57,2 |
1983 |
365.742 |
214 832 |
58,7 |
83,7 |
49,1 |
74,1 |
11,4 |
23,2 |
18,3 |
58,4 |
1984 |
343.235 |
206 413 |
60,1 |
83,2 |
50,0 |
74,9 |
12,1 |
23,5 |
17,6 |
58,9 |
1985 |
318.797 |
196 082 |
61,5 |
83,0 |
51,1 |
74,7 |
12,4 |
23,3 |
17,8 |
59,0 |
1986 |
309.334 |
190 242 |
61,5 |
83,6 |
51,4 |
74,5 |
12,0 |
23,2 |
17,6 |
59,2 |
1987 |
301.403 |
185 909 |
61,7 |
83,5 |
51,5 |
74,9 |
12,1 |
24,5 |
17,7 |
57,8 |
1988 |
303.725 |
189 839 |
62,5 |
83,7 |
52,3 |
75,9 |
12,1 |
24,6 |
17,7 |
57,7 |
1989 |
302.033 |
190 696 |
63,1 |
84,2 |
53,2 |
76,3 |
11,7 |
24,4 |
17,4 |
58,2 |
1990 |
301.967 |
194 232 |
64,3 |
84,5 |
54,4 |
76,7 |
11,6 |
24,3 |
17,7 |
58,0 |
1991 |
302.242 |
200 015 |
66,2 |
85,4 |
56,5 |
75,3 |
11,1 |
24,3 |
17,9 |
57,8 |
1992 |
299.783 |
195 486 |
65,2 |
85,6 |
55,8 |
74,1 |
10,7 |
24,4 |
17,2 |
58,3 |
1993 |
299.253 |
193 035 |
64,5 |
85,5 |
55,2 |
75,4 |
10,7 |
24,7 |
16,8 |
58,5 |
1994 |
298.928 |
194 309 |
65,0 |
86,3 |
56,1 |
75,7 |
10,1 |
25,1 |
16,1 |
58,7 |
1995 |
298.010 |
192 542 |
64,6 |
86,1 |
55,6 |
76,7 |
10,2 |
25,8 |
16,0 |
58,3 |
1996 |
286.727 |
188.016 |
65,6 |
85,3 |
55,9 |
77,3 |
11,0 |
27,1 |
16,3 |
56,5 |
1997 |
282.490 |
188.723 |
66,8 |
85,2 |
56,9 |
77,9 |
11,2 |
27,8 |
16,6 |
55,6 |
1998 |
267.957 |
179.070 |
66,8 |
84,5 |
56,4 |
79,0 |
11,7 |
27,4 |
15,7 |
56,9 |
1999 |
243.426 |
161.814 |
66,5 |
83,6 |
55,6 |
79,1 |
12,4 |
28,2 |
16,5 |
55,3 |
2000 |
238.454 |
156.717 |
65,7 |
82,6 |
54,3 |
79,3 |
13,0 |
30,9 |
16,6 |
52,6 |
2001 |
229.610 |
150.891 |
65,7 |
82,1 |
53,9 |
78,2 |
13,4 |
31,3 |
16,9 |
51,8 |
2002 |
224.562 |
146.700 |
65,3 |
81,2 |
53,0 |
77,9 |
14,0 |
32,4 |
16,7 |
50,9 |
2003 |
222.894 |
144.234 |
64,7 |
81,1 |
52,5 |
78,0 |
14,0 |
34,1 |
16,9 |
49,0 |
2004 |
223.784 |
143.929 |
64,3 |
80,9 |
52,0 |
77,5 |
14,0 |
33,9 |
17,0 |
49,1 |
Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Rechtspflege. Fachserie 10. Reihe 3: Strafverfolgungsstatistik 1976-2004.
Ambulante Erziehungsmassregeln (Jugendstrafrecht): Weisung, Erziehungsbeistandschaft bzw. (seit 1990) ambulante Hilfe zur Erziehung i.S. von § 12 Nr. 1 JGG.
Ambulante Massnahmen bzw. Sanktion (Jugendstrafrecht): ambulante Erziehungsmassregeln (Weisung, Erziehungsbeistandschaft bzw. [seit 1990] ambulante Hilfe zur Erziehung i.S. von § 12 Nr. 1 JGG), ambulante Zuchtmittel (Verwarnung, Auflage), zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe.
Ambulante Zuchtmittel (Jugendstrafrecht): Verwarnung und Auflagen.
Ambulante
Sanktionen (insgesamt): 1923 bis 1936: Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe
gegenüber Jugendlichen gem. § 10 JGG 1923. 1937 bis
1939 wurde in der amtlichen Statistik die Aussetzung der Freiheitsstrafe bei
Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) nicht mehr ausgewiesen.
Der Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen ist deshalb um bis zu 2
Prozentpunkte überschätzt.
Ab 1954: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Geldstrafe sowie Aussetzungen
zur Bewährung bei Gefängnis und Haft.
Die gem. § 23 Abs. 1 StGB a.F. mögliche Strafaussetzung bei Einschliessungsstrafe von nicht
mehr als 9 Monaten wurde in der amtlichen Statistik überhaupt nicht, die
Aussetzung von Strafarrest zur Bewährung (§ 14
Wehrstrafgesetz - WStG) bis 1974 nicht nachgewiesen. Quantitativ sind die nicht
nachgewiesenen Aussetzungen bei Einschliessung und Strafarrest bedeutungslos. Seit 1970 Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafe
sowie - seit 1975 - bei Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht ab 1954: ambulante
Erziehungsmassregeln (Weisung, Erziehungsbeistandschaft bzw. [seit 1990]
ambulante Hilfe zur Erziehung i.S. von § 12 Nr. 1JGG), ambulante Zuchtmittel (Verwarnung, Auflage),
zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe. Durch Art. 11 Nr. 6 des 1. StrRG 1969 wurde zum 1.4.1970 die Strafaussetzung zur Bewährung auch bei Jugendstrafen
von mehr als einem bis einschliesslich zwei Jahren eingeführt. In der amtlichen
Statistik wurden diese "unter besonderen Umständen" möglichen
Aussetzungen erst seit 1975 ausgewiesen.
Aussetzungsrate: Anteil der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen (nach allgemeinem Strafrecht) bzw. Jugendstrafen (nach Jugendstrafrecht) an den jeweils aussetzungsfährigen Freiheits- bzw. Jugendstrafen.
Beendete Bewährungsaufsichten nach früherer Verurteilung: Im jeweiligen Berichtsjahr
beendete Unterstellungen nach allgemeinem Strafrecht bzw. nach Jugendstrafrecht
(Aussetzung der Freiheitsstrafe bzw. der Jugendstrafe, des Strafrestes bei
Freiheitsstrafe bzw. der Jugendstrafe, und zwar auch, soweit im Wege der Gnade)
unter einen hauptamtlichen Bewährungshelfer.
Hinsichtlich der Probanden wird nachgewiesen, ob sie im Zeitpunkt der zur
Unterstellung führenden Straftat
- bereits früher verurteilt waren,
- bereits früher unter Bewährungs-
oder Führungsaufsicht standen.
Bei den Probanden "ohne frühere Verurteilung" handelt es sich um die
rechnerisch ermittelte Differenz zwischen der Zahl der Probanden, deren
Unterstellung beendet worden ist, und der Zahl der Probanden, die bereits
früher verurteilt worden ist.
Bedingte Jugendstrafe: Zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe.
Durch Bewährung beendete Bewährungsaufsichten: Nicht durch Widerruf, sondern durch Straferlass beendete Unterstellungen unter einen hauptamtlichen Bewährungshelfer, einschliesslich Aufhebungen der Unterstellungen und Erledigung des Berufsverbots.
Deutschland: 1882 bis 1939: Die Angaben
beziehen sich auf das jeweiliges Reichsgebiet;
ab 1950 bis 1960: Die Angaben beziehen sich auf das Bundesgebiet ohne Saarland
und Berlin (West);
ab 1961: Die Angaben beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland nach dem
Gebietsstand vor dem 3.10.1990, sie schliessen Berlin (West) ein. Die
Ergebnisse schliessen Berlin-Ost mit ein ab 1991 in der
Justizgeschäftsstatistik, 1992 in der StVollz-Statistik,
ab 1993 in der StA-Statistik und ab 1995 in der StVStat.
Diversion: Als kriminalpolitisches Konzept wird mit Diversion "Ablenkung", "Umleitung" oder "Wegführung" vom System formeller Sozialkontrolle bezeichnet. In Deutschland wird hierunter die Einstellung des Strafverfahrens - bei Vorliegen der Prozessvoraussetzungen und bei hinreichendem Tatverdacht (sonst: Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO) - durch die Staatsanwaltschaft (staatsanwaltschaftliche Diversion) zur Vermeidung der Anklage oder durch das Gericht (gerichtliche Diversion) zur Vermeidung der Verurteilung verstanden. Die rechtlichen Grundlagen hierfür bilden die §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG, §§ 31a, 37, 38 Abs. 2 BtMG.
Diversionsrate (allgemeines Strafrecht): Anteil der Personen, bei denen das Verfahren nach §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden ist (nach allgemeinem Strafrecht informell Sanktionierte) an allen nach allgemeinem Strafrecht (formell und informell) sanktionierten Personen (nach allgemeinem Strafrecht Verurteilte sowie Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB [= formell Sanktionierte] und nach allgemeinem Strafrecht informell Sanktionierte).
Diversionsrate (insgesamt): Anteil der Personen, bei denen das Verfahren nach §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist (informell Sanktionierte insges.) an allen sanktionierten Personen (nach allgemeinem Strafrecht oder nach Jugendstrafrecht Verurteilte sowie Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, § 27 JGG [= formell Sanktionierte] und informell Sanktionierte insges.).
Diversionsrate (Jugendstrafrecht): Anteil der Personen, bei denen das Verfahren nach
§§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist (nach
Jugendstrafrecht informell Sanktionierte) an allen
nach Jugendstrafrecht sanktionierten Personen (nach Jugendstrafrecht Verurteilte sowie Personen mit Entscheidungen gem.
§ 27 JGG [= formell
Sanktionierte] und nach Jugendstrafrecht informell
Sanktionierte).
§§ 45, 47 JGG hatten bis zum Inkrafttreten des 1. JGGÄndG von 1990 folgenden Wortlaut:
§ 45. Absehen von der Verfolgung.
(1) Ist der Beschuldigte geständig und hält der Staatsanwalt eine Ahndung durch
Urteil für entbehrlich, so kann er bei dem Jugendrichter anregen, dem
Jugendlichen Auflagen zu machen, ihm aufzugeben, Arbeitsleistungen zu
erbringen, seine Teilnahme an einem Verkehrsunterricht anzuordnen oder ihm eine
Ermahnung auszusprechen ... Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so hat
der Staatsanwalt von der Verfolgung abzusehen.
(2) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung
absehen, wenn 1. eine erzieherische Massnahme, die eine Ahndung durch den
Richter entbehrlich macht, bereits angeordnet ist oder 2. die Voraussetzungen
des § 153 der Strafprozessordnung vorliegen.
§ 47.
Einstellung des Verfahrens durch den Richter.
(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen,
wenn
1. er eine Ahndung für entbehrlich hält und gegen den geständigen Angeklagten
eine in § 45 Abs. 1 bezeichnete Massnahme anordnet,
2. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 vorliegen oder
3. der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts ...
(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel
von neuem Anklage erhoben werden.
Einschliessung: Einschliessung trat 1953 an die Stelle von Festungshaft. Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.
Einstellungen durch die Staatsanwaltschaft ohne Auflagen: Einstellungen gem. §§ 153 Abs. 1, 153b Abs. 1 StPO, § 45 Abs. 1 JGG (bzw. § 45 Abs. 2 JGG a.F.) durch die Staatsanwaltschaft.
Einstellungen durch die Staatsanwaltschaft mit Auflagen: Einstellungen gem. § 153a Abs. 1 StPO, §§ 45 Abs. 2, 3 JGG (bzw. § 45 Abs. 1 JGG a.F.) durch die Staatsanwaltschaft.
Einstellungen durch das Gericht: Einstellungen gem. §§ 153 Abs. 2, 153b Abs 2 StPO durch das Gericht; seit 1989 auch Einstellungen gem. §§ 153c Abs. 3, 153d Abs. 2, 153e Abs. 2, 154e Abs. 2, 383 Abs. 2 sowie 390 Abs. 5 i.V. m. 383 Abs. 2 StPO, ferner Einstellungen gem. § 47 JGG.
Festungshaft: Im RStGB 1871 eine nicht entehrende Strafe ("custodia honesta") ohne Arbeitszwang. Festungshaft ersetzte sowohl Zuchthaus als auch Gefängnis und wurde wahlweise mit diesen beiden Strafen bei einer Reihe politischer Straftaten sowie bei Zweikampf angedroht. Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953 durch Einschliessung ersetzt.
Formell Sanktionierte (allgemeines Strafrecht): Alle nach allgemeinen Strafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB).
Formell Sanktionierte (insgesamt): Alle nach allgemeinen Strafrecht und nach Jugendstrafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, 27 JGG).
Formell Sanktionierte (Jugendstrafrecht): Alle nach Jugendstrafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. § 27 JGG).
Freiheitsentziehende Sanktionen zur
Bewährung (Schaubild 3): 1923 bis 1936: Aussetzung der Vollstreckung der
Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen gem. § 10 JGG
1923. 1937 bis 1939 wurde in der amtlichen Statistik die Aussetzung der
Freiheitsstrafe bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) nicht
mehr ausgewiesen. Der Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen ist deshalb um
bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt.
Ab 1954: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Aussetzungen zur
Bewährung bei Gefängnis und Haft.
Die gem. § 23 Abs. 1 StGB a.F. mögliche Strafaussetzung bei Einschliessungsstrafe von nicht
mehr als 9 Monaten wurde in der amtlichen Statistik überhaupt nicht, die
Aussetzung von Strafarrest zur Bewährung (§ 14
Wehrstrafgesetz - WStG) bis 1974 nicht nachgewiesen. Quantitativ sind die nicht
nachgewiesenen Aussetzungen bei Einschliessung und Strafarrest bedeutungslos. Seit 1970 Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafe
sowie - seit 1975 - bei Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Strafaussetzung
zur Bewährung bei Jugendstrafe bis einschliesslich 1 Jahr. Durch Art. 11
Nr. 6 des 1. StrRG 1969 wurde zum 1.4.1970 die Strafaussetzung zur Bewährung auch bei
Jugendstrafen von mehr als einem bis einschliesslich zwei Jahren eingeführt. In
der amtlichen Statistik wurden diese "unter besonderen Umständen"
möglichen Aussetzungen erst seit 1975 ausgewiesen.
Freiheitsentziehende
Sanktionen unbedingt (Schaubild 3, 10): 1882 bis 1939 Zuchthaus,
Gefängnis (soweit nicht zur Bewährung ausgesetzt), Festungshaft und Haft. 1921 bis
1933 einschliesslich Arrest. 1937 bis 1939 sind die Quoten um bis zu 2
Prozentpunkte überschätzt, weil die Strafaussetzung
zur Bewährung bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) in
der amtlichen Statistik nicht mehr ausgewiesen wurde.
Ab 1950: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Zuchthaus,
nicht zur Bewährung ausgesetzte Gefängnisstrafe und Haft.
Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953 auch Einschliessung. Seit
1957 auch der durch das Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957 eingeführte Strafarrest (insgesamt). Seit dem 1.
Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969 nicht zur Bewährung ausgesetzte
Freiheitsstrafe und (seit 1975) unbedingter Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Bis 1953 Jugendgefängnis,
Jugendarrest und Fürsorgeerziehung, ab 1954 nicht zur Bewährung ausgesetzte
Jugendstrafe, Jugendarrest und Fürsorgeerziehung (ab 1991: Heimerziehung).
Gefängnis: Im RStGB 1871 die zweitschwerste, an sich nicht ehrmindernde Strafe mit Arbeitszwang. Gefängnis war vorgesehen für Vergehen. Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.
Haft: Im RStGB 1871 eine leichte, nicht entehrende Strafe, bei der regelmässig Arbeitszwang nicht bestand. Haft war vorgesehen bei Übertretungen. Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.
Hauptdeliktsgruppen (Schaubild 24):
I: Straftaten gegen den Staat, die öffentliche Ordnung (ohne Straftaten im Strassenverkehr) und im Amt (§§ 80-168, 331-357, ohne 142 StGB).
II: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b StGB).
III: Andere Straftaten gegen die Person (o.V.) (§§ 169-173, 185-189, 201-204, 211-222, 223-231, 234-241a StGB).
16: Straftaten gegen das Leben (§§ 211-222 StGB).
17: Körperverletzung (§§ 223-231 StGB).
IV: Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242-248c StGB).
V: Raub und Erpressung, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249-255, 316a StGB).
VI: Andere Vermögensdelikte (§§ 257-261, 263-266b, 267-281, 283-305a StGB).
VII: Gemeingefährliche einschl. Umweltstraftaten (§§ 306-323c, ohne 316a StGB).
VIII: Straftaten im Strassenverkehr nach dem StGB und dem StVG.
IX: Straftaten nach anderen Bundes- und Landesgesetzen (ausser StGB und StVG).
- Straftaten insgesamt
- Straftaten ohne Straftaten im Strassenverkehr
Informell Sanktionierte (allgemeines Strafrecht): Personen, bei denen das Strafverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden ist. Bei den Einstellungen durch das Gericht zählen zu den (informell) sanktionierten Personen seit 1989 auch die - quantitativ bedeutungslosen - Fälle der Einstellungen nach §§ 153c Abs. 3, 153d Abs. 2, 153e Abs. 2, 154e Abs. 2, 383 Abs. 2 sowie 390 Abs. 5 i.V. m. 383 Abs. 2 StPO.
Informell Sanktionierte (Berechnung): Hinsichtlich der Zahlen der informell
sanktionierten Personen handelt es sich um Näherungswerte.
1. Durch die StA informell Sanktionierte: Informationen
hierüber enthält lediglich die StA-Statistik. Um
Näherungswerte handelt es sich deshalb, weil die verfahrensbezogenen Zahlen
der StA-Statistik hinsichtlich der Einstellungen durch die Staatsanwaltschaften
von Verfahren auf Personen umgerechnet und zweitens - bis 1988 einschliesslich
- die Zahlen der StA-Statistik auf das Bundesgebiet
hochgerechnet werden mussten.
Die Zahlen der StA-Statistik wurden umgerechnet (von
Verfahren auf Personen), und zwar entsprechend dem jeweiligen Verhältnis der
mit Auflagen gem. § 153a StPO und § 45 Abs. 1 JGG (a.F.) - bzw. ab 1991 einschliesslich gem. § 37 Abs. 1
BtMG - eingestellten Verfahren zur Zahl der Personen, bei denen die
Verfahrenseinstellung mit Auflagen die schwerste Erledigungsart war. Die
erstmals für 1998 vorliegenden personenbezogenen Daten der StA-Statistik
erlauben es, für 1998 die Grössenordnung der Abweichung von umgerechneten zu
"echten" Personenzahlen zu bestimmen (vgl. Anhang).
Zahlen über Einstellungen nach
§ 45 JGG durch die Staatsanwaltschaft liegen für das
gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
nach
dem Gebietsstand vor dem 3.10.1990 erst seit 1989 vor. Es fehlten
1981-1984
Berlin, Hessen und Schleswig-Holstein; 1985-1987 Hessen und
Schleswig-Holstein;
1988 Schleswig-Holstein. Die für diese Länder fehlenden Werte wurden
auf der
Grundlage der Bevölkerungszahlen und entsprechend dem
Durchschnittswert der
anderen Länder geschätzt und zu Zahlen für das Bundesgebiet
hochgerechnet.
Für 1990 konnte in Hamburg die StA-Statistik nicht
aufbereitet werden. Vom Statistischen Bundesamt wurde zur Schätzung der
Verfahrensergebnisse der einfache Durchschnitt aus den Hamburger Ergebnissen
für 1989 und für 1991 gebildet. 1997 lagen für Hamburg noch keine aktuellen Zahlen
vor, weshalb die Ergebnisse für 1996 eingesetzt wurden. Für Schleswig-Holstein
liegen seit 1997 keine aktuellen Daten vor.
Die Daten der StA-Statistik (hinsichtlich der Einstellungen gem. § 45 JGG durch die Staatsanwaltschaft) beziehen sich in den Jahren
1981-1992 auf Berlin-West, seit 1993 auf Berlin insgesamt. Die StVStat bezieht sich nur auf Berlin-West; erst ab 1995 ist
auch Berlin-Ost mit eingeschlossen. Infolgedessen sind die Diversionsraten
1993-1994 durch die partielle Einbeziehung von Berlin-Ost geringfügig
überschätzt. Werden zur Bestimmung der Fehlergrösse die Werte von 1992 für
Berlin-West zugrundegelegt, ergibt sich eine Überschätzung von 0,5
Prozentpunkten.
2. Durch das Gericht informell Sanktionierte: Zahlen über Einstellungen gem. § 47 JGG
werden sowohl in der Justizstatistik in Strafsachen (verfahrens- und [seit
1989] personenbezogen) als auch in der StVStat
(personenbezogen) ausgewiesen. Die Angaben der Justizgeschäftsstatistik in
Strafsachen zu § 47 JGG sind zwischen 10 und 20
Prozentpunkte höher als die entsprechenden Zahlen der StVStat.
Im Sinne einer konservativen Berechnung werden die niedrigeren Angaben der StVStat zugrundegelegt.
Bis 1988 einschliesslich wurden die verfahrensbezogenen Zahlen der
Justizgeschäftsstatistik über Einstellungen
auf Personen umgerechnet, und zwar nach demselben Schlüssel wie für die StA-Statistik. Ab 1989 sind die personenbezogenen Daten der
Justizgeschäftsstatistik zugrunde gelegt.
Informell Sanktionierte (insgesamt): Personen, bei denen das Strafverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist. Bei den Einstellungen durch das Gericht zählen zu den (informell) sanktionierten Personen seit 1989 auch die - quantitativ bedeutungslosen - Fälle der Einstellungen nach §§ 153c Abs. 3, 153d Abs. 2, 153e Abs. 2, 154e Abs. 2, 383 Abs. 2 sowie 390 Abs. 5 i.V. m. 383 Abs. 2 StPO.
Informell Sanktionierte (Jugendstrafrecht): Personen, bei denen das Strafverfahren gem. §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist.
Internierungsrate (Schaubild 30): Anteil der nach Jugendstrafrecht zu freiheitsentziehenden Sanktionen Verurteilten (unbedingte Jugendstrafe, Jugendarrest, Fürsorgeerziehung bzw. Hilfe zur Erziehung gem. § 12 Nr. 2 JGG) an allen Verurteilten
Sanktionierbare Personen: Nach allgemeinem oder nach Jugendstrafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, 27 JGG) und alle Personen, deren Strafverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, 45, 47 JGG eingestellt worden ist. Eine Verfahrenseinstellung nach diesen Vorschriften setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft hinreichenden Tatverdacht bejaht hat; bei einer Einstellung durch das Gericht wurde zuvor von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.
Sanktionierte (formell oder informell Sanktionierte): Alle (nach allgemeinen oder nach Jugendstrafrecht) Verurteilten (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, 27 JGG) und alle Personen, deren Verfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist.
Sonstige Sanktionen (Schaubild 3): 1882 bis 1924; Verweis
(gegenüber Jugendlichen); 1923 bis 1939: Absehen von Strafe gem. § 6 JGG 1923 zugunsten von Erziehungsmassregeln und gem. § 9
Abs. 4 JGG 1923 in besonders leichten Fällen.
Ab 1950: Ambulante Erziehungsmassregeln und ambulante
Zuchtmittel (jeweils als schwerste Sanktion) nach Jugendstrafrecht
(Erziehungsmassregeln, jedoch ohne Fürsorgeerziehung bzw. Heimerziehung;
Zuchtmittel [bis 1953: Auferlegung besonderer Pflichten gem. § 9 JGG a.F.], jedoch ohne Jugendarrest).
Stationäre Sanktionen (allgemeines Strafrecht): Nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe, nicht zur Bewährung ausgesetzter Strafarrest.
Stationäre Sanktionen (Jugendstrafrecht): unbedingte Jugendstrafe, Jugendarrest, Fürsorgeerziehung bzw. Heimerziehung gem. § 12 JGG.
Strafarrest: Militärische Freiheitsstrafe eigener Art nach Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957, die ausschliesslich gegen Soldaten und militärische Vorgesetzte, die nicht Soldaten sind, verhängt werden kann.
Strafaussetzung zur Bewährung
(allgemeines Strafrecht): Als Fortentwicklung der bisher nur gnadenweise gewährten
Strafaussetzung durch das 3. StrÄG vom 4.8.1953 bei Gefängnis- und Einschliessungsstrafe von nicht mehr als 9
Monaten sowie bei Haftstrafe eingeführt. Die Aussetzung wurde hierbei an die Erwartung
geknüpft, der Verurteilte werde "in Zukunft ein
gesetzmässiges und geordnetes Leben führen". Fakultativ konnte der Verurteilte einem Bewährungshelfer unterstellt werden.
Durch das 1. StrRG vom 25.6.1969 wurde der
Anwendungsbereich der Strafaussetzung zur Bewährung erweitert auf
Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr bei gleichzeitiger Erweiterung
der Aussetzungsvoraussetzungen. Ausnahmsweise ("besondere Umstände in der
Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten")
konnte auch eine Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, ausgesetzt
werden.
Durch das 23. StrÄndG vom 13.4.1986 wurden die Aussetzungsvoraussetzungen bei
Freiheitsstrafen zwischen 1 Jahr und 2 Jahren erweitert ("wenn nach der
Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten
besondere Umstände vorliegen").
Strafaussetzung zur Bewährung (Jugendstrafrecht): Gem. § 20 JGG
1953 konnte eine bestimmte Jugendstrafe "von nicht mehr als einem
Jahr" zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzungsvoraussetzungen
wurden durch das 1. StrRG vom 25.6.1969 neu gefasst
(§ 21 Abs. 1 JGG) und der Anwendungsbereich der
Strafaussetzung zur Bewährung erweitert auf Jugendstrafe, die 2 Jahre nicht
übersteigt.
Durch das EGStGB vom 2.3.1974 wurde aus der
"Kann"-Bestimmung hinsichtlich der Aussetzung bei Jugendstrafen, die
ein Jahr nicht übersteigen, eine "Ist"-Bestimmung.
Durch das 1. JGGÄndG vom 30.8.1990 erhielten die
Aussetzungsvoraussetzungen für Jugendstrafen zwischen einem Jahr und zwei
Jahren ihre gegenwärtige Fassung.
Todesstrafe: Todesstrafe war im RStGB 1871 nur bei vollendetem Mord sowie bei Mordversuch am Kaiser und eigenem Landesherrn angedroht. In der Folgezeit wurde die Todesstrafe auch bei zahlreichen anderen Delikten angedroht. Aufgehoben wurde sie durch Art. 102 des GG vom 23.5.1949.
Unbedingt
verhängte freiheitsentziehende Sanktionen (stationäre Sanktionen): 1882 bis 1939 Zuchthaus,
Gefängnis (soweit nicht - bei Jugendlichen - zur
Bewährung ausgesetzt), Festungshaft und Haft. 1921 bis 1933 einschliesslich Arrest. 1937 bis 1939
sind die Quoten um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt, weil die Strafaussetzung zur Bewährung bei Jugendlichen
(§ 10 JGG 1923) in der amtlichen Statistik nicht mehr
ausgewiesen wurde.
Ab 1950: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Zuchthaus,
nicht zur Bewährung ausgesetzte Gefängnisstrafe und Haft.
Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953 auch Einschliessung. Seit
1957 auch der durch das Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957 eingeführte Strafarrest (insgesamt). Seit dem 1.
Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969 nicht zur Bewährung ausgesetzte
Freiheitsstrafe und (seit 1975) unbedingter Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Bis 1953 Jugendgefängnis,
Jugendarrest und Fürsorgeerziehung, ab 1954 nicht zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe,
Jugendarrest und Fürsorgeerziehung (ab 1991: Heimerziehung).
Untersuchungshaftraten: Anteil der Verurteilten, die zuvor in Untersuchungshaft waren, an allen Verurteilten eines Berichtsjahres.
Verhängungsrate: Anteil der zu Freiheitsstrafe (nach allgemeinem Strafrecht) bzw. zu Jugendstrafe (nach Jugendstrafrecht) Verurteilten an allen nach allgemeinem Strafrecht (bzw. Jugendstrafrecht) informell und formell Sanktionierten.
Verurteilte (nach allgemeinem Strafrecht und nach
Jugendstrafrecht): Formell verurteilte Personen (ohne Entscheidungen gem.
§§ 59, 60 StGB, 27 JGG).
Die Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen nach allgemeinem Strafrecht
und nach Jugendstrafrecht bezogen sich bis 26.2.1923 auf Personen, die zur Zeit
der Tat 12 Jahre und älter waren, ab 27.3.1924 auf Personen von 14 Jahren und
älter.
Gegenstand der Verurteilung:
1882 bis 1936: Hauptstrafen (bei Doppelstrafen nur die jeweils schwerste
Strafe) wegen Verbrechen und Vergehen (1937 bis 1939 insgesamt verhängte Hauptstrafen
einschliesslich Doppelstrafen). Von 1882 bis 1918 ohne die wegen Wehrpflichtverletzung
Verurteilten, von 1914 bis 1936 ohne die Verurteilten wegen Verbrechen und
Vergehen gegen die aus Anlass des Krieges oder der Übergangszeit erlassenen
Strafvorschriften, von 1921 ab ohne die wegen Verstössen gegen das Militärstrafgesetzbuch
Verurteilten. Von 1934 ab auch ohne die Verurteilungen wegen Verbrechen und
Vergehen gegen Reichsgesetze, die zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs
gehörten. Von 1937 bis 1939 Verbrechen und Vergehen überhaupt, aber ohne
Verstösse gegen das Militärstrafgesetzbuch.
Ab 1950: Verbrechen und Vergehen gegen Bundes- und Landesgesetze.
Verweis: Ein Verweis konnte Jugendlichen vor Inkrafttreten des JGG 1923 erteilt werden in besonders leichten Fällen eines Vergehens oder einer Übertretung (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RStGB).
Zuchthaus: Im RStGB 1871 die schwerste, ehrmindernde Freiheitsstrafe mit Arbeitszwang. Zuchthaus war vorgesehen für Verbrechen, ferner bei Vergehen, wenn wegen Rückfalls die Schuld erhöht war oder der Täter als besonders gefährlich angesehen wurde (sog. gefährlicher Gewohnheitsverbrecher). Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.
Zur Bewährung ausgesetzte freiheitsentziehende Sanktionen: 1923 bis 1936: Aussetzung der
Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen gem. § 10 JGG 1923. 1937 bis 1939 wurde in der amtlichen Statistik die Aussetzung
der Freiheitsstrafe bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923)
nicht mehr ausgewiesen. Der Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen ist
deshalb um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt.
Ab 1954: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Aussetzungen zur
Bewährung bei Gefängnis und Haft.
Die gem. § 23 Abs. 1 StGB a.F. mögliche Strafaussetzung bei Einschliessungsstrafe von nicht
mehr als 9 Monaten wurde in der amtlichen Statistik überhaupt nicht, die
Aussetzung von Strafarrest zur Bewährung (§ 14
Wehrstrafgesetz - WStG) bis 1974 nicht nachgewiesen. Quantitativ sind die nicht
nachgewiesenen Aussetzungen bei Einschliessung und Strafarrest bedeutungslos. Seit 1970 Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafe
sowie - seit 1975 - bei Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Strafaussetzung
zur Bewährung bei Jugendstrafe bis einschliesslich 1 Jahr. Durch Art. 11
Nr. 6 des 1. StrRG 1969 wurde zum 1.4.1970 die Strafaussetzung zur Bewährung auch bei
Jugendstrafen von mehr als einem bis einschliesslich zwei Jahren eingeführt. In
der amtlichen Statistik wurden diese "unter besonderen Umständen"
möglichen Aussetzungen erst seit 1975 ausgewiesen.
* * *
Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes vom 30.8.1990 |
|
Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25.6.1969 |
|
Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4.7.1969 |
|
3. StrÄG |
Drittes Strafrechtsänderungsgesetz vom 4.8.1953 |
Zwanzigstes Strafrechtsänderungsgesetz vom 8.12.1981 |
|
Dreiundzwanzigstes Strafrechtsänderungsgesetz - Strafaussetzung zur Bewährung - vom 13.4.1986 |
|
Bewährungshilfestatistik |
|
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite) |
|
BMJ |
Bundesministerium der Justiz |
Drucksache des Deutschen Bundesrates |
|
Drucksache des Deutschen Bundestages (zitiert nach Wahlperiode und Nummer) |
|
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) |
|
Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch |
|
Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch |
|
Jugendgerichtsgesetz |
|
Opferschutzgesetz |
Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) vom 18.12.1986 |
StP/OWi-Statistik |
Justizgeschäftsstatistik Justizgeschäftsstatistik der Strafgerichte |
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten |
|
Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich |
|
Staatsanwaltschaft |
|
Staatsanwaltschaftsstatistik |
|
Strafgesetzbuch |
|
Strafprozessordnung |
|
Strafvollzugsstatistik |
|
Strafverfolgungsstatistik |
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Verbrechens- |
Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafpozessordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28.10.1994 |
1. Die Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat als Folge der Betonung verfassungsrechtlicher und menschenrechtlicher Grenzen des Strafrechts hat nicht nur zu einem Wandel der traditionellen Auffassungen von Strafrecht und Kriminalität geführt, sondern auch zu einer tiefgreifenden Veränderung des Sanktionensystems. Entkriminalisierung, insbesondere auf verfahrensrechtlichem Weg, und der Umbau des klassischen Vergeltungsstrafrechts zu einem präventiv orientierten Strafrecht sind hierfür kennzeichnend.
2. Die Entwicklung der Sanktionierungspraxis in Deutschland ist gekennzeichnet durch die nachhaltige Zurückdrängung der vollstreckbaren, freiheitsentziehenden Sanktionen. 1882 betrug der Anteil der unbedingten freiheitsentziehenden Sanktionen 76,8%, 2004 nur noch 8,3% aller nach Jugend- und Erwachsenenstrafrecht verhängten Sanktionen. Werden auch die Einstellungen gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG berücksichtigt, dann dürften 2004 lediglich noch 3,7% aller sanktionierbaren Personen zu einer unmittelbar mit Freiheitsentziehung verbundenen Sanktion verurteilt worden sein.
3. Das kriminalpolitische Konzept der Diversion hat sich durchgesetzt, wie der zunehmende Gebrauch der Einstellungsmöglichkeiten der §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG zeigt. Nur noch 45% der Beschuldigten, bei dem Staatsanwaltschaft oder Gericht hinreichenden Tatverdacht bejahen, wird auch tatsächlich verurteilt; bei mehr als jedem zweiten - nach Auffassung von Staatsanwaltschaft oder Gericht hinreichend tatverdächtigem - Beschuldigten wird das Verfahren eingestellt.
Im allgemeinen Strafrecht wird der Anstieg der Fallzahlen vor allem durch vermehrten Gebrauch der folgenlosen Einstellung gem. §§ 153, 153b StPO aufgefangen.
Defizite, wie insbesondere die regional extrem unterschiedliche Handhabung der §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG, die sowohl im allgemeinen Strafrecht als auch - und vor allem - im Jugendstrafrecht bestehen, konnten bislang nicht ausgeräumt werden. Es hängt weitgehend vom Wohnort ab, ob das Verfahren eingestellt oder ob angeklagt und verurteilt wird.
4. Innerhalb der formellen Sanktionen ist die Entwicklung gekennzeichnet
· durch den Bedeutungsverlust der stationären Sanktionen,
· durch die Zunahme fachlicher Betreuung durch Bewährungshilfe sowie
· durch die Erprobung und Institutionalisierung "neuer ambulanter Massnahmen" im Jugendstrafrecht.
Gegenüber den weitaus praktikableren Opportunitätsvorschriften, namentlich des § 153a StPO, konnten sich neue Rechtsinstitute, wie die Verwarnung unter Strafvorbehalt, nicht durchsetzen.
Die praktische Bedeutung von Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung entspricht nicht der straftheoretischen Bedeutung dieser Institute. Soweit die verfügbaren Informationen dies erkennen lassen, ist die quantitative Bedeutung immer noch (zu) gering.
5. Die Geldstrafe ist die Hauptstrafe der Gegenwart. Etwas mehr als 80% aller Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht lauten auf Geldstrafe. Diesen hohen Anteil konnte die Geldstrafe halten trotz des zunehmenden Gebrauchs der §§ 153 ff. StPO.
Die gesetzlichen Möglichkeiten der Geldstrafe werden von der Praxis nur unzulänglich ausgeschöpft; die Mehrzahl aller verhängten Geldstrafen übersteigt 30 Tagessätze nicht. Entsprechendes gilt für die Höhe der Tagessätze, und zwar sowohl für die obere wie die untere Höhe. Der hohe und in den letzten Jahren steigende Anteil der Ersatzfreiheitsstrafe sowie die hinter den Erwartungen zurückbleibende Entlastungswirkung der gemeinnützigen Arbeit signalisieren, dass hier eines der ungelösten Probleme liegt.
6. Die kurze Freiheitsstrafe wurde zwar deutlich zurückgedrängt, zur seltenen "Ausnahme" ist sie indes immer noch nicht geworden. 35,0% aller verhängten Freiheitsstrafen waren 2004 kürzer als 6 Monate. Ebenfalls nicht zur Ausnahme geworden sind die unbedingt verhängten kurzen Freiheitsstrafen; jede vierte (27,6%) nicht ausgesetzte Freiheitsstrafe war 2004 kürzer als 6 Monate. Erst recht nicht zur Ausnahme geworden sind vollstreckte kurze Freiheitsstrafen. Zu den unbedingt verhängten kurzen Freiheitsstrafen kommen noch Ersatzfreiheitsstrafen hinzu, widerrufene ausgesetzte kurze Freiheitsstrafen sowie Freiheitsstrafen, deren Vollstreckungsdauer wegen bedingter Entlassung oder Anrechnung von Untersuchungshaft verkürzt ist.
Die "Krise präventiven Strafdenkens" hat zu keiner Reduzierung der mittel- und langfristigen Freiheitsstrafen geführt. Der Anteil der Freiheitsstrafen von 12 Monaten und mehr ist, auch bei Bezugnahme auf alle (informell oder formell) Sanktionierten, in den letzten Jahren leicht gestiegen.
7. Neben der Geldstrafe ist die Strafaussetzung zur Bewährung zur bedeutsamen Alternative zur vollstreckten Freiheitsstrafe geworden. Der Anteil der Strafaussetzungen gem. § 56 StGB an den Freiheitsstrafen hat sich in den letzten 40 Jahren mehr als verdoppelt. Die Aussetzung ist bei Freiheitsstrafen bis zwei Jahre die Regel; die Praxis macht nicht nur bei Freiheitsstrafen bis 12 Monate, sondern zunehmend auch bei Strafen zwischen 12 und 24 Monaten von der Strafaussetzung zur Bewährung Gebrauch.
Das gesetzgeberische Experiment der Anhebung der Obergrenze der aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe und das Experiment der Praxis, vermehrt vom Institut der Straf- und der Strafrestaussetzung Gebrauch zu machen, ist erfolgreich. Die Ausdehnung der Strafaussetzung ging einher mit einer deutlichen Erhöhung des Anteils der besonders risikobelasteten Probandengruppe und mit einem deutlichen Anstieg der Straferlassquote, namentlich bei den als besonders risikobelastet geltenden Gruppen.
8. Wie das allgemeine Strafrecht, so ist auch das Jugendstrafrecht gekennzeichnet durch einen Bedeutungsgewinn ambulanter Massnahmen, insbesondere der Weisungen bzw. der Auflagen. Allerdings weist die Zahl der erzieherischen Massnahmen seit Anfang der 90er Jahre eine deutlich rückläufige Entwicklung auf zugunsten punitiver Reaktionen, insbesondere zugunsten der Arbeitsauflagen. Auch wenn es sich hierbei um einen Austausch zwischen Arbeitsweisungen und Arbeitsauflagen handeln dürfte, so bleibt die Tatsache, dass sowohl Weisungen, namentlich Betreuungsweisungen, soziale Trainingskurse und Täter-Opfer-Ausgleich, als auch die Auflage der Schadenswiedergutmachung innerhalb der verhängten Sanktionen die seltene Ausnahme sind.
9. Der Rückgang stationärer Sanktionen im Jugendstrafrecht beruht vor allem auf dem nachhaltigen Rückgang des durch Urteil verhängten Jugendarrestes, ferner auf der vermehrten Strafaussetzung zur Bewährung. Der Anteil der zu Jugendstrafe insgesamt Verurteilten ging, bezogen auf die (informell oder formell) Sanktionierten, leicht zurück, allerdings nur im Bereich der Jugendstrafe unter 12 Monaten. Der Anteil der Jugendstrafen zwischen 12 Monaten und 2 Jahren ist indes leicht gestiegen.
Im Jugendstrafrecht werden - auch bei Berücksichtigung der höheren Diversionsrate im Jugendstrafrecht als im allgemeinen Strafrecht - häufiger freiheitsentziehende Sanktionen verhängt als im allgemeinen Strafrecht. Offenbar vertrauen Jugendrichter in höherem Masse auf die - empirisch allerdings nicht gestützte - Annahme einer rückfallmindernden Wirkung freiheitsentziehender Sanktionen. Durch Art und Schwere der Kriminalität dürfte dieser Unterschied jedenfalls kaum erklärbar sein, ist doch Jugendkriminalität im Schnitt weniger schwer als die Kriminalität von Erwachsenen.
10. Die Untersuchungshaftpraxis ist dysfunktional zu den spezialpräventiven Konzeptionen des Reformgesetzgebers. Dies betrifft sowohl die Häufigkeit der Anordnung von Untersuchungshaft als auch die Anordnung in Verfahren, die mit Verurteilung zu einer ambulanten Sanktion abgeschlossen werden. Jeder zweite nach allgemeinem Strafrecht verurteilte Untersuchungsgefangene erlebt den Freiheitsentzug nur in seiner resozialisierungsfeindlichsten Form, nämlich als Untersuchungshaft.
11. Im europäischen Vergleich nimmt Deutschland bezüglich der Gefangenenraten nur einen Mittelplatz ein. Das eigentliche Ziel der Strafrechtsreform, die nachhaltige Entlastung des Strafvollzugs, ist demnach nicht erreicht worden. Dies beruht auf einem Anstieg der registrierten Kriminalität. Dies beruht ferner darauf, dass die Erwartung, auch die Verhängung mittel- und langfristiger Freiheitsstrafen würde zurückgehen, sich nicht erfüllt hat: Deutschland zählt im europäischen Vergleich zu den Ländern, die eher von Strafen mit langer Dauer Gebrauch machen. Die hohe Gefangenenrate in Deutschland beruht schliesslich auf einem "Vollzug durch die Hintertür": Ein erheblicher, allerdings nicht exakt quantifizierbarer Teil des Freiheitsentzugs erfolgt nicht aufgrund der Verurteilung zu unbedingter Freiheitsstrafe, sondern in Form der Untersuchungshaft, von Ersatzfreiheitsstrafen wegen uneinbringlicher Geldstrafen oder nach Widerruf von Straf- oder Strafrestaussetzung.
Dementsprechend steht im Mittelpunkt der wissenschaftlichen und kriminalpolitischen– sowohl der- internationalen als auch der deutschen - Diskussion die Fortentwicklung des strafrechtlichen Sanktionensystems, insbesondere der weitere Ausbau von Alternativen zu stationären Sanktionen. Grund dafür sind nicht zuletzt die hohen Rückfallraten, wie sie zuletzt durch die Rückfallstatistik (Jehle, Jörg-Martin; Heinz, Wolfgang; Sutterer, Peter (unter Mitarbeit von Sabine Hohmann, Martin Kirchner und Gerhard Spiess): Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen - Eine kommentierte Rückfallstatistik. Mönchengladbach 2003 <http://www.bmj.de/media/archive/443.pdf> auch für Deutschland erneut belegt worden sind. "Das Nachdenken über die Alternativen zur Freiheitsstrafe beherrscht auch deshalb in verstärktem Masse die internationale Diskussion, weil der Strafvollzug die in ihn gesetzten Erwartungen offenbar nicht erfüllt. Rückfallquoten von mehr als 60 Prozent bescheinigen ihm Versagen; Haftschäden und Stigmatisierungswirkungen lassen ihn im Hinblick auf das Ziel der Resozialisierung geradezu als kontraindiziert erscheinen. Kosten-Nutzen-Analysen belegen das krasse Missverhältnis von Aufwand und Erfolg. Selbst der Behandlungsvollzug lässt sich mit dem Anspruch, derartige Mängel zu vermeiden, nur selten verwirklichen und schon gar nicht breitenwirksam anwenden. Es bestehen deshalb Zweifel, ob der Strafvollzug den an ihn gerichteten Anspruch überhaupt erfüllen kann. Ansätze, welche die Institution des Gefängnisses in Frage stellen, haben dort ihren Ausgangspunkt" (Kaiser, Günther: Kriminologie - ein Lehrbuch, 3. Aufl., Heidelberg 1996, S. 1032.)
12. Eine rationale Kriminalpolitik muss die tatsächlichen Grundlagen, die Wirkungen und die (etwaigen) Zielabweichungen rechtlicher Regelungen beobachten. Sie ist deshalb auf statistische Daten als Grundlage folgenorientierten Handelns angewiesen. Dem genügen, wie der Beitrag gezeigt hat, die gegenwärtigen Rechtspflegestatistiken nur begrenzt. Sie erlauben lediglich, die ungefähren Grössenordnungen und die Grobstrukturen der Sanktionierungspraxis von Staatsanwaltschaft und Gericht zu beschreiben. Über die Umsetzung moderner kriminalpolitischer Strömungen, wie Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) oder Diversion, lassen sich den Rechtspflegestatistiken entweder nur die Grössenordnungen (Diversion) oder, wie hinsichtlich des TOA, noch nicht einmal diese entnehmen. Die Täter- bzw. Tatengruppen, auf die diese Sanktionen angewendet werden, bleiben zur Gänze in einem statistischen Dunkelfeld.
Differenzierte Aussagen zur Sanktionsschwere sind im zeitlichen Längsschnitt nur hinsichtlich der Freiheitsstrafe und der Geldstrafe (seit 1975) möglich. In der StA-Statistik wird bei § 153a StPO nur die Art der Auflage, nicht aber deren Inhalt ausgewiesen, bei § 45 JGG fehlt jeglicher inhaltliche Nachweis. In der StVStat wird nur das Ob der Bewährungsauflage oder -weisung nachgewiesen. Derzeit verbleibt - vorsichtig formuliert - der grösste Teil der Sanktionierungspraxis in einem statistischen Graufeld.
Dringend geboten ist deshalb der Ausbau und die Verfeinerung des Systems der Rechtspflegestatistiken als Planungs- und Kontrollinstrument. Dazu gehört vorrangig der Ausbau solcher Statistiken, in denen die tatsächliche Entscheidungstätigkeit der Staatsanwaltschaft sowie die zahlenmässig dominierenden "informellen" Sanktionen nachgewiesen werden sowie der Auf- und Ausbau von Vollstreckungs- und Vollzugsstatistiken .
Erhebungseinheit der StA-Statistik sind Ermittlungsverfahren, in der Strafverfolgungsstatistik sind es dagegen Personen. Die jeweiligen Ergebnisse beider Statistiken sind für eine ganze Reihe von Berechnungen - z.B. Ermittlung des Anteils der Personen, bei denen das Ermittlungsverfahren gem. §§ 45, 47 JGG, §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden ist, oder des Anteils der zu freiheitsentziehenden Sanktionen Verurteilten an der Gesamtzahl aller (informell oder formell) Sanktionierten - aufeinander zu beziehen. Dies setzt einen vergleichbaren Massstab voraus. Da von einem Ermittlungsverfahren im Schnitt 1,2 Personen betroffen sind (1998 kamen lt. StA-Statistik auf 5.437.241 Beschuldigte 4.583.228 Ermittlungsverfahren), würde die unkorrigierte Gegenüberstellung von Ermittlungsverfahren und Verurteilten zu einer Unterschätzung des Ergebnisses führen. Zur genaueren Bestimmung der Grössenordnung der von den jeweiligen Einstellungen betroffenen Personen konnte der StA-Statistik bis 1997 als Anhaltspunkt lediglich entnommen werden: die Zahl der Personen, bei denen die Verfahrenseinstellung mit Auflagen die schwerste Erledigungsart war. Die Relation der Zahl der mit Auflagen gem. § 153a StPO und § 45 Abs. 1 JGG (a.F.) - bzw. ab 1991 einschliesslich gem. § 37 Abs. 1 BtMG - eingestellten Ermittlungsverfahren zur hiervon betroffenen Zahl der Personen ergab einen ungefähren Umrechnungsfaktor zur Bestimmung der Grössenordnungen des Verhältnisses Ermittlungsverfahren : Person bei Verfahrenseinstellungen. Die unter Verwendung dieses Faktors errechnete Zahl war die beste Schätzmöglichkeit für die (in der StA-Statistik bis 1997 nicht erhobene) Zahl der Personen, deren Ermittlungsverfahren gem. § 45 JGG bzw. §§ 153, 153b, 153a StPO eingestellt worden war.
Erstmals für das Berichtsjahr 1999 wird für die StA-Statistik die Zahl der Personen für die jeweilige Abschlussentscheidung der StA erhoben. Die in den vorläufigen Ergebnissen der StA-Statistik 1998 mitgeteilten Ergebnisse für die alten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz - für Hamburg und für Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Schleswig-Holstein lagen bei Abschluss des Manuskriptes noch keine Ergebnisse für 1998 vor , das Statistische Bundesamt hat deshalb die Ergebnisse aus 1997 verwendet - erlauben es, etwaige, bei dem bisher verwendeten Umrechnungsverfahren aufgetretene, Über-/Unterschätzungen zu bestimmen. Die Ergebnisse sind in Tabelle A1 für die Einstellungen gem. § 45 JGG und in Tabelle A2 für Einstellungen gem. §§ 153, 153a, 153b StPO dargestellt.
Tabelle A1: Informell oder
formell Sanktionierte im JGG.
Gegenüberstellung der Ergebnisse von "umgerechneter" auf
"echte" Personenzählung in der StA-Statistik.
Bundesrepublik Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998
Informell Sanktionierte § 45 JGG |
Angaben StA-Statistik zu
Verfahren, |
Angaben StA-Statistik 1998 zu Personen |
Relative Über-/Unterschätzung (Schätzfehler) |
Baden-Württemberg |
20398 |
22285 |
-8,5% |
Bayern |
19877 |
22271 |
-10,7% |
Berlin |
9469 |
11206 |
-15,5% |
Bremen |
2324 |
2641 |
-12,0% |
Hessen |
11 414 |
12 684 |
-10,0% |
Niedersachsen |
16 160 |
18 713 |
-13,6% |
Nordrhein-Westfalen |
39204 |
45010 |
-12,9% |
Rheinland-Pfalz |
8940 |
9695 |
-7,8% |
Saarland |
2 159 |
2 438 |
-11,4% |
Summe (umgerechnet) |
129 943 |
146 943 |
-11,6% |
|
|||
Umrechnung und Anpassung bei |
Umrechnung |
Anpassung wg. Schätzfehler |
|
Hamburg |
9814 |
11 110 |
|
Schleswig-Holstein |
7172 |
8 079 |
|
Summe (umgerechnet) |
16 986 |
19 188 |
|
Summe Sanktionierte § 45 JGG |
146 929 |
166 131 |
-11,6% |
|
|||
|
Personen |
Personen |
|
Sanktionierte § 47 JGG |
43211 |
43211 |
|
Formell Sanktionierte (Verurt. + § 27 JGG) |
93791 |
93791 |
|
Informell und formell Sanktionierte 1998 |
283 931 |
303 133 |
-6,3% |
Wie Tabelle A1 zeigt, wurde durch das bisher vom Verf. verwendete Umrechnungsverfahren die Zahl der Personen, deren Ermittlungsverfahren gem. § 45 JGG eingestellt worden war, im Schnitt von 9 der 11 alten Bundesländer, für die inzwischen Ergebnisse vorliegen, um gut 11% (bezogen auf die Einstellungen gem. § 45 JGG) unterschätzt.
Um zu (vorläufigen) flächendeckenden Angaben für das Bundesgebiet zu kommen, wurden die verfahrensbezogenen Ergebnisse für die zwei (alten) Länder, für die noch keine Ergebnisse aus 1998 vorliegen, wie bisher „umgerechnet“ und sodann aufgrund des durchschnittlichen Schätzfehlers (für die anderen Länder) korrigiert.
Die Zahl der insgesamt (informell oder formell) Sanktionierten dürfte aufgrund des bisherigen Umrechnungsverfahrens damit um rd. 6% unterschätzt sein.
Tabelle A2: Informell oder
formell Sanktionierte im allgemeinen
Strafrecht.
Gegenüberstellung der Ergebnisse von "umgerechneter" auf
"echte" Personenzählung in der StA-Statistik. Bundesrepublik
Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998
Informell Sanktionierte |
Angaben StA-Statistik zu Verfahren, auf Personen umgerechnet |
Angaben StA-Statistik 1998 zu Personen |
Relative Über-/ |
Baden-Württemberg |
63427 |
64660 |
-1,9% |
Bayern |
74030 |
75717 |
-2,2% |
Berlin |
38449 |
41025 |
-6,3% |
Bremen |
8193 |
8433 |
-2,8% |
Hessen |
52 215 |
53 203 |
-1,9% |
Niedersachsen |
63 833 |
67 138 |
-4,9% |
Nordrhein-Westfalen |
148256 |
154744 |
-4,2% |
Rheinland-Pfalz |
31938 |
32836 |
-2,7% |
Saarland |
9 110 |
9 355 |
-2,6% |
Summe (umgerechnet) |
489 450 |
507 111 |
-3,5% |
|
|||
Umrechnung und Anpassung bei |
Umrechnung |
Anpassung wg. Schätzfehler |
|
Hamburg |
19316 |
20 296 |
|
Schleswig-Holstein |
28106 |
29 352 |
|
Summe (umgerechnet) |
47 422 |
49 648 |
|
Summe Sanktionierte (StA) §§ 153, 153a, 153b StPO |
536 872 |
556 759 |
-3,6% |
|
|||
|
Personen |
Personen |
|
Sanktionierte (Gericht) |
95784 |
95784 |
|
Formell Sanktionierte |
705006 |
705006 |
|
Informell und formell Sanktionierte 1998 |
1 337 662 |
1 357 549 |
-1,5% |
Wie Tabelle A2 zeigt, wurde durch das bisher vom Verf. verwendete Umrechnungsverfahren die Zahl der Personen, deren Ermittlungsverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO durch die StA eingestellt worden war, im Schnitt von 9 der 11 alten Bundesländer, für die inzwischen Ergebnisse vorliegen, um 3,5% (bezogen auf die Einstellungen gem. §§ 153, 153a, 153b StPO) unterschätzt. Die Abweichungen liegen ausschliesslich im Bereich von §§ 153, 153b StPO, wo die Unterschätzung 5,8% beträgt. Bei § 153a StPO sind die Ergebnisse durch das Umrechnungsverfahren dagegen geringfügig überschätzt (0,5%).
Um zu (vorläufigen) flächendeckenden Angaben für das Bundesgebiet zu kommen, wurden die verfahrensbezogenen Ergebnisse für die zwei (alten) Länder, für die noch keine Ergebnisse aus 1998 vorliegen, wie bisher „umgerechnet“ und – bezüglich §§ 153, 153b StPO - sodann aufgrund des durchschnittlichen Schätzfehlers (für die anderen Länder) korrigiert.
Die Gesamtzahl der insgesamt (informell oder formell) Sanktionierten dürfte aufgrund des bisherigen Umrechnungsverfahrens damit um rd. 1,5% unterschätzt sein.
Wenn, wie aus Tabellen A1 und A2 ersichtlich ist, in der Vergangenheit die Zahl der informell Sanktionierten unterschätzt wurde, dann führt die Verwendung der aufgrund der „echten“ Personenzählung errechneten Zahl der informell Sanktionierten zu einer Veränderung im Vergleich von 1997 versus 1998, die allein statistisch bedingt ist. Um das Ausmass dieser Veränderung abzuschätzen, werden in Tabellen A3 und A4 Vergleichsberechnungen für einige Bezugsgrössen durchgeführt, die es erlauben, das Mass der rein statistisch bedingten Veränderung zu beurteilen.
Tabelle A3: Berechnungen zur Auswirkung der Umstellung von "umgerechneter" auf "echte" Personenzählung hinsichtlich der Ergebnisse zur Sanktionierungspraxis im Jugendstrafrecht. Bundesrepublik Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998
|
Angaben der |
Angaben StA-Statistik zu Verfahren, |
Angaben in StA- |
Relation: |
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
|
Einstellungen gem. §45 I, II JGG |
|
135 263 |
153 144 |
88,32% |
Einstellungen gem. §45 III JGG |
|
11 597 |
12 988 |
89,29% |
Informell Sanktionierte gem. §45 JGG |
|
146 860 |
166 131 |
88,40% |
Einstellungen gem. §47 JGG |
43211 |
|
||
Informell Sanktionierte gesamt |
|
190 071 |
209 342 |
90,79% |
Formell Sanktionierte |
93791 |
|
||
Informell + Formell Sanktionierte insges. |
|
283 862 |
303 133 |
93,64% |
Auswirkung auf Berechnung der Diversionsrate: |
||||
Diversionsrate 1998 |
|
66,96% |
69,06% |
|
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart |
|
Scheinbarer Anstieg: |
||
zum Vergleich: Diversionsrate 1997 |
|
67,10% |
|
|
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997 |
|
-0,14 |
|
|
|
||||
Auswirkung auf Berechnung der Anteile der zu freiheitsentziehenden Sanktionen (einschliesslich Jugendstrafe zur Bewährung) Verurteilten an Sanktionierten (formell + informell) insgesamt: |
||||
Jugendstrafe zur Bewährung ausges. |
10977 |
3,9% |
3,6% |
|
Jugendstrafe unbedingt |
6243 |
2,2% |
2,1% |
|
Summe: Jugendstrafe insges. |
17220 |
6,1% |
5,7% |
|
Jugendarrest |
16985 |
6,0% |
5,6% |
Scheinbarer Rückgang |
Summe: Jugendstrafe + Jugendarrest 1998 |
34205 |
12,0% |
11,3% |
|
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart |
|
Scheinbarer Rückgang |
||
zum Vergleich: Rate 1997 |
|
11,9% |
|
|
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997 |
|
+0,17 |
-0,6 |
|
Tabelle A3 zeigt, dass der Anstieg der Diversionsrate im Jugendstrafverfahren 1998 vs. 1997 ein nur scheinbarer ist, d.h. ein rein statistisch durch die Umstellung des Berechnungsverfahrens bedingter Tatsächlich dürften die Diversionsraten weitgehend unverändert geblieben sein; die Veränderung um -0,1%-Punkte ist angesichts der weiterhin bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der zwei Länder, für die personenbezogene Ergebnisse aus 1998 fehlen, nicht interpretierbar. Hinsichtlich der freiheitsentziehenden Sanktion zeigt sich, dass der Rückgang des Anteils freiheitsentziehender Sanktion an den insgesamt Sanktionierten ebenfalls ein nur scheinbarer ist. Die Anteile liegen 1998 auf praktisch demselben Niveau wie 1997; geringfügige Unterschiede sind wegen der Ungenauigkeiten, die mit dem derzeit noch notwendigen Anpassungsverfahrens verbunden sind, nicht interpretierbar.
Tabelle A4: Berechnungen zur Auswirkung der Umstellung von "umgerechneter" auf "echte" Personenzählung hinsichtlich der Ergebnisse zur Sanktionierungspraxis im allgemeinen Strafrecht. Bundesrepublik Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998
|
Angaben der |
Angaben StA-Statistik zu Verfahren, |
Angaben in StA-Statistik 1998 zu Personen |
Relation: |
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
|
Einstellungen gem. §153,153b StPO |
|
338 147 |
359 104 |
94,16% |
Einstellungen gem. |
|
198 725 |
197 655 |
100,54% |
Informell Sanktionierte gem. §§ 153, 153a, 153b StPO |
|
536 872 |
556 759 |
96,43% |
Einstellungen gem. |
95784 |
|
||
Informell Sanktionierte gesamt |
|
632 656 |
652 543 |
96,95% |
Formell Sanktionierte (Verurteilte zzgl. Personen mit Entscheidungen
gem. |
705006 |
|
||
Informell + Formell Sanktionierte insgesamt |
|
1 337 662 |
1 357 549 |
98,54% |
|
||||
Auswirkung auf Berechnung der Diversionsrate: |
||||
Diversionsrate 1998 |
|
47,30% |
48,07% |
|
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart |
|
Scheinbarer Anstieg |
||
zum Vergleich: Diversionsrate 1997 |
|
47,67% |
|
|
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997 |
|
-0,37 |
|
|
|
||||
Auswirkung auf Berechnung der Anteile der zu bedingter oder unbedingter Freiheitsstrafe Verurteilten an Sanktionierten (formell + informell) insgesamt: |
||||
Freiheitsstrafe zur Bewährung ausges. |
88271 |
6,6% |
6,5% |
|
Freiheitsstrafe unbedingt |
41751 |
3,1% |
3,1% |
|
Summe: |
130022 |
9,7% |
9,6% |
|
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart |
|
Scheinbarer Rückgang |
||
Zum Vergleich: Rate Freiheitsstr. 1997 |
|
9,5% |
|
|
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997 |
|
+0,2 |
+0,1 |
|
Tabelle A4 zeigt, dass auch der Anstieg der Diversionsrate im allgemeinen Strafrecht 1998 vs. 1997 ein nur scheinbarer ist, d.h. ein rein statistisch durch die Umstellung des Berechnungsverfahrens bedingter. Tatsächlich dürften die Diversionsraten weitgehend unverändert geblieben sein; der Rückgang (bei Verwendung des bisherigen Umrechnungsverfahrens) 1998 versus 1997 um -0,4%-Punkte ist angesichts der weiterhin bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der zwei Länder, für die personenbezogene Ergebnisse aus 1998 fehlen, nicht interpretierbar. Hinsichtlich der freiheitsentziehenden Sanktion zeigt sich, dass der Anstieg des Anteils freiheitsentziehender Sanktion an den insgesamt Sanktionierten möglicherweise geringfügig unterschätzt ist. Aber auch hier sind die minimalen Unterschiede nicht interpretierbar.
* * *
Heinz, Wolfgang: Entwicklung, Stand und Struktur der Strafzumessungspraxis. Eine Übersicht über die nach allgemeinem Strafrecht verhängten Hauptstrafen von 1882 - 1979. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 64, 1981, 148-173.
Heinz, Wolfgang: Strafrechtsreform und Sanktionsentwicklung. Auswirkungen der sanktionenrechtlichen Regelungen des 1. und 2. StrRG 1969 sowie des EGStGB 1974 auf die Sanktionspraxis. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 94, 1982, 632-668.
Heinz, Wolfgang: Strafrechtliche Sozialkontrolle. Beständigkeit im Wandel? Bewährungshilfe 31, 1984, 13-37.
Heinz, Wolfgang: Ambulante Massnahmen. Kriminologische Überlegungen und Ausblick. In: Kury, Helmut (Hrsg.): Ambulante Massnahmen zwischen Hilfe und Kontrolle. Interdisziplinäre Beiträge zur kriminologischen Forschung. Bd. 7. Köln u.a. 1984, 439-594.
Heinz, Wolfgang: Strategien der Diversion in der Jugendgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland. Recht der Jugend und des Bildungswesens 32, 1984, 291-308.
Heinz, Wolfgang: Neue Formen der Bewährung in Freiheit in der Sanktionspraxis der Bundesrepublik Deutschland. In: Festschrift für H.-H. Jescheck. Berlin 1985, 955-976.
Heinz, Wolfgang: Junge Menschen in Untersuchungshaft. Kriminologische und kriminalpolitische Überlegungen zu einem der "trübsten Kapitel des deutschen Jugendstrafrechts". In: Landesgruppe Baden-Württemberg in der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (Hrsg.): INFO 1/1986, 3-31.
Heinz, Wolfgang: Jugendgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland. In: Kerner, Hans-Jürgen; Galaway, Burt; Janssen, Helmut (Hrsg.): Jugendgerichtsbarkeit in Europa und Nordamerika - Aspekte und Tendenzen. Schriftenreihe der DVJJ. Heft 16. München 1986, 527-641.
Heinz, Wolfgang: Recht und Praxis der Untersuchungshaft in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Disfunktionalität der Untersuchungshaft gegenüber dem Reformprogramm im materiellen Strafrecht. Bewährungshilfe 34, 1987, 5-31.
Heinz, Wolfgang: Implementation von Sanktionsentscheidungen der Strafjustiz. In: Blankenburg, Erhard; Voigt, Rüdiger (Hrsg.): Implementation von Gerichtsentscheidungen. Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie. Bd. 11, 1987, 221-250.
Heinz, Wolfgang: Jugendkriminalität und Jugendgerichtsbarkeit. Probleme und Entwicklung der Jugendkriminalität sowie ihre Behandlung durch die Jugendgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland. In: Eser, A.; Kaiser, G. (Hrsg.): Drittes deutsch-sowjetisches Kolloquium über Strafrecht und Kriminologie. Baden-Baden 1987, 187-262.
Heinz, Wolfgang: Neue ambulante Massnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz. Empirische Bestandsaufnahme und kriminalpolitische Perspektiven. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 70, 1987, 129-154.
Heinz, Wolfgang: Ursachen der Gefängnisüberfüllung - oder: Ist die Reform des Sanktionenrechts gescheitert? In: Jung, Heike (Hrsg.): Fälle zum Wahlfach Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug. Beck, München, 2. Aufl., 1988, 42-84.
Heinz, Wolfgang: Jugendgerichtshilfe in den 90er Jahren. Notwendigkeit einer neuen Konzeption für die ermittelnden, berichtenden, beratenden und betreuenden Aufgaben? Bewährungshilfe 35, 1988, 261-307.
Heinz, Wolfgang: Rechtsgleichheit und Rechtsrichtigkeit in der jugendstrafrechtlichen Sanktionspraxis. In: Mäding, Heinrich (Hrsg.): Grenzen der Sozialwissenschaften. Konstanz 1988, 114-130.
Heinz, Wolfgang: Das Jugendgericht in der Bundesrepublik Deutschland und die Vorbeugung der Jugenddelinquenz einschliesslich Selektion und Diversion. In: Eser, Albin; Kaiser, Günther; Weigend, Ewa (Hrsg.): Täterschaft und ihre Erscheinungsformen, Vorverschulden, Jugendkriminalität und Jugendgerichtsbarkeit. Drittes deutsch-polnisches Kolloquium über Strafrecht und Kriminologie. Baden-Baden 1988, 377-442.
Heinz, Wolfgang: The problems of imprisonment including strategies that might be employed to minimise the use of custody. In: Hood, Roger (ed.): Crime and criminal policy in Europe. Proceedings of a European colloquium. Oxford 1989, 186-219.
Heinz, Wolfgang: Jugendstrafrechtsreform durch die Praxis - eine Bestandsaufnahme. In: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Jugendstrafrechtsreform durch die Praxis. Informelle Reaktionen und neue ambulante Massnahmen auf dem Prüfstand. Konstanzer Symposium. Bonn 1989, 13-44.
Heinz, Wolfgang: Diversion im Jugendstrafverfahren. Aktuelle kriminalpolitische Bestrebungen im Spiegel empirischer Untersuchungen. Zeitschrift für Rechtspolitik 23, 1990, 7-11.
Heinz, Wolfgang: Jugendgerichtsbarkeit und Jugendstrafvollzug. In: Speck, Otto; Martin, Klaus-Rainer (Hrsg.): Handbuch der Sonderpädagogik. Bd. 10. Sonderpädagogik und Sozialarbeit. Berlin 1990, 487-527.
Heinz, Wolfgang: Die Jugendstrafrechtspflege im Spiegel der Rechtspflegestatistiken. Ausgewählte Daten für den Zeitraum 1955-1988. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 73, 1990, 210-226.
Heinz, Wolfgang: La diversion (déjudiciarisation) dans le droit pénal des mineurs en République Fédérale d'Allemagne. Résultats de recherches empiriques. Revue internationale de Criminologie et de police technique 1991, 485-510.
Heinz, Wolfgang: Strafzumessungspraxis im Spiegel der empirischen Strafzumessungsforschung. In: Jehle, Jörg-Martin (Hrsg.): Individualprävention und Strafzumessung. Ein Gespräch zwischen Strafjustiz und Kriminologie. Wiesbaden 1992, 85-150.
Heinz, Wolfgang: Diversion im Jugendstrafverfahren der Bundesrepublik Deutschland. Gesetzgeberische Zielvorstellungen, kriminologische Grundlagen, Umsetzung in der Praxis, kriminalpolitische Folgerungen. In: Heinz, Wolfgang; Storz, Renate: Diversion im Jugendstrafverfahren der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1992, 1-130.
Heinz, Wolfgang: Diversion im Jugendstrafverfahren. Praxis, Chancen, Risiken und rechtsstaatliche Grenzen. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 104, 1992, 591-638.
Heinz, Wolfgang: Neues zur Diversion im Jugendstrafverfahren. Kooperation, Rolle und Rechtsstellung der Beteiligten. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 76, 1993, 355-375.
Heinz, Wolfgang: Verfahrensrechtliche Entkriminalisierung (Diversion) im Jugendstrafrecht: Zielsetzungen, Implementation und Evaluation. Neue Kriminalpolitik 6, 1994, H. 1, 29-36.
Heinz, Wolfgang: Sanktionspraxis im Jugendstrafrecht. Die Jugendstrafrechtspflege im Spiegel der Rechtspflegestatistiken. Ausgewählte Informationen für den Zeitraum 1955-1993. DVJJ-Journal 7, 1996, H. 2, 105-119.
Heinz, Wolfgang: Die Wechselwirkungen zwischen Sanktionen und Rückfall bzw. Kriminalitätsentwicklung. In: Strafrechtliche Probleme der Gegenwart. 23. Strafrechtliches Seminar 1995. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Justiz. Wien 1996, 1-163.
Heinz, Wolfgang: Diversion im Jugendstrafrecht und im allgemeinen Strafrecht - Teil 1, DVJJ-Journal 9, 1998, 245-257, Teil 2, DVJJ-Journal 10, 1999, 11-19, Teil 3, DVJJ-Journal 10, 1999, 131-148, Teil 4, DVJJ-Journal 10, 1999, 261-267.
Heinz, Wolfgang: Die Staatsanwaltschaft - Selektions- und Sanktionsinstanz im statistischen Graufeld, in: Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht. Festschrift für Günther Kaiser zum 70. Geburtstag, Berlin 1998, 85-125.
Heinz, Wolfgang: Sanktionierungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland im Spiegel der Rechtspflegestatistiken. Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft 111, 1999, 461-503.
Heinz, Wolfgang: Die Abschlussentscheidung des Staatsanwalts aus rechtstatsächlicher Sicht. In: Geisler, Claudius (Hrsg.): Das Ermittlungsverhalten der Polizei und die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften - Bestandsaufnahme, Erfahrungen und Perspektiven. Wiesbaden 1999, 125-206.
Heinz, Wolfgang: Milde zahlt sich aus - stimmt die These noch? in: DVJJ (Hrsg.): Kinder und Jugendliche als Täter und Opfer - Prävention und Reaktion. Dokumentation des 24. Deutschen Jugendgerichtstages vom 18. bis 22 September 1998 in Hamburg. Mönchengladbach 1999, 400-426.
Heinz, Wolfgang: Jugendstrafrechtliche Sanktionierungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland im Spiegel der Rechtspflegestatistiken. In: Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Massnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ (Hrsg.): Neue ambulante Massnahmen. Grundlagen – Hintergründe – Praxis. Schriftenreihe der DVJJ, Bd. 31. Mönchengladbach 2000, 160-201.
Heinz, Wolfgang: Der Strafbefehl in der Rechtswirklichkeit. In: Festschrift für Heinz Müller-Dietz, München 2001, 271-313.
Heinz, Wolfgang: Die jugendstrafrechtliche Sanktionierungspraxis im Ländervergleich. In: Dölling, Dieter (Hrsg.): Das Jugendstrafrecht an der Wende zum 21. Jahrhundert. Symposium zum 80. Geburtstag von Dr. Rudolf Brunner. Berlin/New York, 2001, 63-97.
Heinz, Wolfgang: Entlastung durch Beschleunigung und Vereinfachung – zur Krise des Strafprozesses. In: Festschrift für Winfried Brohm, München 2002, 351-374.
Heinz, Wolfgang: Die Strafverfahrenswirklichkeit im Spiegel der Justizgeschäftsstatistiken. In: Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter, Köln u.a. 2002, 691-726.
Heinz, Wolfgang: El procedimiento penal alemán: fundamentos, innovaciones jurídicas, desarrollo histórico y tendencias actuales. In: Universidad Santo Tomás (Hrsg.): Seminario internacional de derecho alemán. Bogotá 2003, 29-81.
Heinz, Wolfgang: Das deutsche Strafverfahren. Rechtliche
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Internet-Veröffentlichung: <www.uni-konstanz.de/rtf/kis/strafverfahren.htm>,
Konstanz 2004
Heinz, Wolfgang: Kriminalprävention auf justitieller Ebene: Hilft
weniger mehr? Alternativen zu ”klassischen” Sanktionen –
Erfahrungen aus Deutschland
Vortrag auf der internationalen Konferenz „Kriminalität und
Kriminalprävention in Ländern des Umbruchs“ vom 9.-14. April 2005 in Baku,
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<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/Heinz_Alternativen_zu_klassischen_Sanktionen.htm>
Heinz, Wolfgang: Ambulante Sanktionen im Jugendstrafverfahren -
aktuelle Konzeptionen und empirische Befunde. 14 Thesen
Vortrag, gehalten auf der Fortbildungsveranstaltung des Justizministeriums
Nordrhein-Westfalen „Sanktionieren im Jugendstrafverfahren – ambulante
Sanktionen" am 7. November 2005 in Düsseldorf.
< www.uni-konstanz.de/rtf/kis/HeinzAmbulanteSanktionenimJugendstrafverfahrenThesen.htm
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Heinz, Wolfgang: Zahlt sich Milde wirklich aus? Diversion und ihre Bedeutung für die Sanktionspraxis, Teil 1, ZJJ 2005,166-178, 302-312; Teil 2, ZJJ 2005, 302-312.
Zitierhinweis:
Heinz, Wolfgang: Das strafrechtliche Sanktionensystem und die
Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 - 2004
Internet-Publikation: Konstanzer Inventar Sanktionsforschung (KIS)
<www.uni-konstanz.de/rtf/kis/sanks04.htm>
Version 1/2006
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Unter dem Titel "Konstanzer Inventar" <www.uni-konstanz.de/rtf/ki> ist in den vergangenen Jahren eine grössere Zahl von Sonderauswertungen veröffentlichter und unveröffentlichter Daten zur Struktur und Entwicklung der registrierten Kriminalität und der Sanktionspraxis in der Bundesrepublik Deutschland entstanden, die im Rahmen verschiedener Einzel- und Übersichtsdarstellungen graphisch aufbereitet und veröffentlicht wurden.
Neben dem "Konstanzer Inventar Sanktionsforschung (KIS)" <http://www.uni-konstanz.de/rtf/kis> mit Befunden zur Entwicklung der Sanktionspraxis stellt das "Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung (KIK)" <www.uni-konstanz.de/rtf/kik> statistisch und graphisch aufbereitete Daten zur Entwicklung der amtlich registrierten Kriminalität auf Basis der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik und der gerichtlichen Verurteiltenstatistik (Strafverfolgungsstatistik) bereit.
Unter www.uni-konstanz.de/rtf/ki/ finden sich ergänzende Materialen, Tabellen und Schaubilder sowie Nachweise weiterer kriminologischer Informationsquellen im Internet.
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Zuletzt bearbeitet: 31.7.2006 GS
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