Lehre und Forschung
(nur Prof. Dr. W. Breu, Projekte)
Lehre und
Forschung bilden in der Konstanzer Slavistik so wie bei allen
anderen Vertretern des Fachbereichs Linguistik (ehedem
Sprachwissenschaft) eine
feste Verbindung getreu dem Motto Lehre aus Forschung.
Das heißt, daß neuere Erkenntnisse aus der eigenen Forschung
in das Lehrangebot eingehen. Im Rahmen der in der
slavistischen Linguistik vorhandenen disziplinären
Schwerpunkte kommt es auch zu einer ständigen
Auseinandersetzung mit allgemein-linguistischen
Fragestellungen.
In sprachlicher Hinsicht spielen neben den Einzelsprachen mit dem Schwerpunkt Russisch und den ebenfalls stärker berücksichtigten Standardsprachen Polnisch, Tschechisch und Bosnisch-Kroatisch-Serbisch und Obersorbisch sprachübergreifende Fragestellungen der kontrastiven Grammatik und der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft eine wichtige Rolle in Forschung und Lehre. Hervorzuheben ist insbesondere die Spezialisierung auf die Problematik des Sprachkontakts slavischer mit nichtslavischen Sprachen. In diesem Bereich werden insbesondere folgende nichtstandardisierte Varietäten (Mikrosprachen) berücksichtigt:
-
Moliseslavisch (naš
jezik, na-našu) in Süditalien (Molise)
-
Resianisch in Nordostitalien (Friaul-Julisch Venezien)
-
Obersorbische Umgangssprache in Deutschland (Lausitz/Sachsen)
-
Burgenlandkroatisch in Österreich (Burgenland)
-
Kärntnerslovenisch in Österreich (Kärnten)
In disziplinärer Hinsicht sind insbesondere die folgenden
Schwerpunkte zu benennen:
-
Aspektologie
-
Tempus-
und Modus
-
Artikelsysteme und Definitheitskategorie
-
Theorie
des Lexikons
Besondere
Berücksichtigung finden bei
Prof. Breu außerdem die Phonologie slavischer Sprachen und
die Entwicklung von Flexionssystemen, bei
Dr. Scholze die Verben der Fortbewegung in gesamtslavischer Sicht, Fragen der Wortstellung, insbesondere im Sorbischen, sowie das
grammatische Gesamtsystem der obersorbischen Umgangssprache.
Dr. Pila
befaßt sich schwerpunktmäßig mit der Grammatik des
Resianischen in der totalen Sprachkontaktsituation sowie mit
slavischer Aspektologie und der Nominalflexion.
J. Berghaus
MA befaßt sich mit dem Verbalaspekt des
Burgenlandkroatischen.
Projekte
Die
Forschung am Lehrstuhl Slavistik war bis zu dessen Auslaufen Ende 2008
in starkem Maße in den Sonderforschungsbereich 471 Variation und Entwicklung im
Lexikon des Fachbereichs Linguistik integriert.
Prof. Walter Breu leitete dort das Projekt A 15 „Totaler Sprachkontakt
von slavischen Mikrosprachen“, in dessen Rahmen
Dr. Lenka Scholze insbesondere für die
obersorbische Umgangssprache zuständig war.
Im Anschluß hieran war am Lehrstuhl das von ANR und DFG finanzierte deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt
EuroSlav2010 "Base de données électronique de variétés slaves menacées dans des pays européens
non slavo-phones – Elektronische Datenbank bedrohter slavischer Varietäten in nichtslavophonen Ländern
Europas" angesiedelt. In diesem Projekt wurde eine elektronische Text-Datenbank für vom Aussterben
bedrohte slavische Sprachvarietäten in nichtslavophonen europäischen Ländern geschaffen.
Im einzelnen ging es um fünf slavische Varietäten in Italien (Moliseslavisch),
Österreich (Burgenlandkroatisch), Deutschland (Obersorbische Umgangssprache) und in Griechenland
(Liti und Hrisa). Die Projektleitung hatten auf deutscher Seite Prof. Walter Breu, auf französischer Seite
Dr.
Evangelia Adamou und Dr. George Drettas
vom LACITO
(Laboratoire de langues et civilisations à tradition orale, Paris). Die Datenbank stellt einen Verbund von Laut und Text (transkribiert, glossiert und übersetzt)
dar, der fortlaufend oder Satz für Satz abgehört werden kann (ca. 1 Stunde pro Varietät). Das Korpus
wurde in das Programm Pangloss
Archivage des Lacito-CNRS
integriert. S. hierzu auch
Einzeldarstellungen des Konstanzer Projektteils in
mehreren Sprachen.
Ein aktuelles Forschungsprojekt der Konstanzer Slavistik unter Leitung von Prof. Breu trägt den Titel
„Der slavische Verbalaspekt in süd- und westslavischen Sprachinseln“. Das Hauptziel des Projekts ist die
Analyse des Verbalaspekts in den vom Aussterben bedrohten süd- und westslavischen Sprachinselvarietäten
im "totalen Sprachkontakt" sowohl in formaler wie funktionaler Hinsicht.
Etappen der Projektarbeit sind die Bestimmung der Aspektsysteme insbesondere des Moliseslavischen,
Burgenlandkroatischen, Resianischen, Kärntnerslovenischen sowie der Obersorbischen Umgangssprache,
sowie zusätzlich auch der slavischen Varietäten in Albanien und Griechenland, einschließlich ihrer
synchronen und diachronen Gegenüberstellung zu der ihnen jeweils am nächsten stehenden Standardsprache
(v.a. BKS, Slovenisch, Bulgarisch-Makedonisch, Obersorbisch).
Die Ergebnisse werden mit den spezifischen Kontaktkonstellationen korreliert, wobei der gegenwärtige Erkenntnisstand
in vergleichenden Studien publiziert wird. Die jeweiligen Dominanzsprachen zeigen sehr unterschiedliche
Aspektstrukturen von der Abwesenheit aspektueller Differenzierungen (Deutsch), über tempusbezogene Einschränkungen
(Italienisch, partiell Albanisch) bis zu voll ausgebauten Aspektsystemen (Griechisch).
In theoretischer Hinsicht wird das den Untersuchungen zugrunde gelegte ILA-Modell der Interaktion von Lexik und Aspekt
im Projektverlauf weiterentwickelt, mit dem Ziel, den Einfluß dominanzsprachlicher Strukturen auf die Aspektsysteme
von Replikasprachen adäquat zu erfassen. Insgesamt versteht sich das Projekt als wichtiger Baustein für eine
allgemeine Theorie zur Rolle des Sprachkontakts beim Wandel von Aspektsystemen und dient auch der Dokumentation
der durchwegs vom Sprachtod bedrohten slavischen Varietäten in nichtslavophoner Umgebung.
Konzentrierte sich die bisherige Projektarbeit vornehmlich auf den Indikativ Aktiv im Präsens und Präteritum, so ist nun eine Schwerpunktsetzung auf die übrigen Tempora und Modi sowie auf die mannigfaltigen Infinitivkonstruktionen geplant. Ein besonderer Schwerpunkt soll allerdings auf dem Aspektgebrauch im Passiv liegen, das nach Sondierungen im Moliseslavischen ein besonders ergiebiges Feld für aspektuelle Sprachkontakteinflüsse zu sein scheint.
Aktuelle Mitarbeiterinnen am Projekt „Der slavische Verbalaspekt in süd- und westslavischen Sprachinseln“:
Jasmin Berghaus, MA und
Dr. Malinka Pila
Für eine Vielzahl von Arbeiten, die aus diesen
Forschungsprojekten hervorgegangen sind vgl. die Publikationsverzeichnisse
von Prof.
Dr. Walter Breu,
Dr. Malinka Pila und
Dr. Lenka Scholze.
Besondere Initiativen
Der
Lehrstuhl für Slavistik am Fachbereich Linguistik der
Universität Konstanz hat schon mehrfach das „Konstanzer
Linguistische Arbeitstreffen“ organisiert, das seit seiner
Gründung in Konstanz in den 70er Jahren alljährlich an
verschiedenen deutschen Universitäten veranstaltet wurde. An
diesem Lehrstuhl wurde auch die Arbeitsgemeinschaft
"Europäische Slavistische Linguistik“; (POLYSLAV)
gegründet (Gründungstagung unter dem Titel „Slavistische
Linguistik am Bodensee“ vom 9.-11.10.1997).
Am Lehrstuhl wurden
aber auch von diesen periodischen Veranstaltungen unabhängige
Tagungen und Workshops organisiert, zuletzt zur „Aspektualität
im Sprachkontakt" (2019), zum „grammatischen
Sprachkontakt in Süditalien“ (2003 und 2008) und zu
„Grammatikalisierung vs. Lexikalisierung“ (2001).
Kooperationen
Zwischen
der Konstanzer Slavistik und den slavischen Seminaren der
Universitäten
Tübingen und
Zürich besteht in Form eines regelmäßigen
Dozentenaustauschs und von gemeinsamen Veranstaltungen zum
Süd- und Westslavischen eine Kooperation in der Lehre.
Der
Lehrstuhl Slavistik/Sprachwissenschaft der Universität
Konstanz steht ferner in wissenschaftlicher Kooperation mit
Kollegen italienischer Universitäten, insbesondere von den
Universitäten in
Cosenza,
Palermo,
Cagliari und
Padova (italienisch-albanischer und italienisch-slavischer
Sprachkontakt) und mit der Moskauer
MGU (insbesondere Aspektologie).
Die
Erforschung der sorbischen Sprachen und ihrer Varietäten
findet in Zusammenarbeit mit dem
Sorbischen Institut in Bautzen/Budyšin statt.
Außerdem
bestehen wissenschaftliche Kontakte zum slavischsprachigen
Ausland nach St. Petersburg, Zagreb und Belgrad.
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