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Carolin Piotrowski
[Carolin.Piotrowski@uni-konstanz.de]

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KollegiatInnen
Koordinator
HochschullehrerInnen



Wanyamwezi. Biographie eines Gesangs, 1900-1914

Projektskizze

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts lässt sich ein reges wissenschaftliches Interesse an der Erforschung sogenannter Naturvölker mithilfe des Phonographen beobachten. Dabei ist die Vorstellung eines objektiven Mediums handlungsleitend, das die Kulturen interventionslos in ihrer Mündlichkeit aufzuzeichnen erlaubt (Werkmeister 2010). Der Bestand des Berliner Phonogramm-Archivs, der am Ende der Walzenzeit ca. 15.000 Tonaufnahmen umfasst, legt hiervon beredtes Zeugnis ab. Diese Tonwalzen wurden in der Regel galvanisiert, in europäische Notenschrift transkribiert und zuweilen in diagrammatische Darstellungen übersetzt, um auf dieser Grundlage Hypothesen über Kulturzusammenhänge zu formulieren. Hierin trafen sich die Interessen der vergleichenden Musikwissenschaft, der frühen Ethnologie und der experimentellen Tonpsychologie. Ein interessanter Befund ist jedoch, dass die musikethnographische Praxis bei diesen durchaus prominent geführten Diskussionen (u.a. Stumpf, Hornbostel, Graebner, Frobenius) häufig in den Status von Fußnoten rückt.
Das Projekt möchte daher bei der ethnographischen Feldforschung ansetzen und die zur Verhandlung stehenden Kulturbegriffe (u.a. Kulturkreislehre, Kulturrelativismus) auf ihre Wirklichkeitsreferenz hin befragen. Unter Verwendung eines praxeologischen Ansatzes (Latour 1997; Daston 2000; Rheinberger 2007) und auf der Basis von Tonaufnahmen und deren Kommentierung sowie Korrespondenzen, Reiseberichten, Materialsammlungen und Systematisierungsversuchen von Ethnographen und Experimentalpsychologen soll der Weg dieser Musikaufnahmen vom Feld ins Labor nachgezeichnet werden. Nicht das Ende sondern den Ursprung in den Blick nehmend, fragt das Projekt, ausgehend von musikethnographischen Quellen, nach den einzelnen Übersetzungsschritten, die die Gesänge auf diesem Weg durchlaufen. Das Projekt möchte die ,Biographie‘ solcher Gesänge schreiben, die zwischen den Wissenschaften – Musikologie, Ethnologie und Experimentalpsychologie – zirkulieren und in diesen Grenzbereichen eine besondere Produktivität entfalten.