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Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit der zeitgenössischen Geometrie des 19. Jahrhunderts in ihrer Relevanz für die Darstellungs- und Strukturierungsverfahren in der Literatur des poetischen Realismus. Ausgehend von einer enormen Popularität ihrer praktischen Anwendungsbereiche zu Beginn des Jahrhunderts, katalysiert durch Industrialisierungsprozesse und die einhergehende metrische Verdatung des empirischen Raums, erfährt die Geometrie im Laufe des Jahrhunderts eine zunehmende Abstrahierung von ihrer Orientierung am dreidimensionalen Raum des Realen. Als Ausgangsfrage dient dem Projekt diejenige nach einer Poetik der geometrischen Figur: Die Darstellung mittels geometrischer Idealfiguren und damit verbundene Prozesse der Reduktion und Abstraktion von der aisthetischen Mannigfaltigkeit empirischer Phänomene zeigen sich als populäre Verfahrensweisen des 19. Jahrhunderts, die nicht nur der Literatur eignen; die Suche nach sich in räumlich codierbaren Strukturen und Mustern manifestierenden Gesetzmäßigkeiten ist ein Bestreben, das sich ästhetische wie naturwissenschaftliche Projekte des 19. Jahrhunderts mit Texten des poetischen Realismus teilen. Mit besonderem Fokus auf diese Verfahren der ‚geometrischen Verklärung‘ setzt sich das Dissertationsprojekt mit der Ambiguität der geometrischen Figur in realistischen Texten auseinander, die sich dort insbesondere hinsichtlich ihrer epistemologischen Leistung zeigt. Mit der Popularisierung nichteuklidischer und n-dimensionaler Geometrien und der damit verbundenen Diskussion des Raumbegriffes in Geometrie, Naturwissenschaft und Philosophie ergibt sich eine weitere Perspektive, die der Arbeit Gelegenheit gibt, über die Grenzen der Figur hinaus zu gehen und deren Einbettung in geometrisch wie textuell konstruierte Räumlichkeit zu untersuchen. Diese weist in der zweiten Jahrhunderthälfte einen der idealistischen Verklärung gegenläufigen Grundzug auf, der sich als Versuch zur Empirisierung des Transzendentalen verstehen lässt. Das Projekt stellt der detaillierten Nachzeichnung zeitgenössischer geometrischer Praktiken als literarisch Verfahren in Texten des poetischen Realismus (von Stifter bis Storm) diskursanalytische Beobachtungen etwa zu Naturwissenschaft, Ästhetik, Architekturtheorie und Sinnesphysiologie zur Seite. Der dezidiert epistemologische Anspruch realistischer Texte kann so im allgemeinen Kontext der Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts wie der Geometriegeschichte im Speziellen diskutiert werden. Zur Person Studium der deutschen Literaturwissenschaft, Romanistik und Medienwissenschaft in Freiburg i. Br., Basel und Konstanz; November 2014 M.A. Deutsche Literatur an der Universität Konstanz. Seit Sommer 2015 Promotion am FB Literaturwissenschaft der Universität Konstanz. Von August 2015 bis Mai 2017 Stipendiatin der LGFG Baden-Württemberg. Seit Juni 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am DFG-Graduiertenkolleg „Das Reale in der Kultur der Moderne“, Universität Konstanz. Publikationen: Geometrie, in: Stifter-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung, hg. v. Christian Begemann u. Davide Giuriato, Stuttgart: Metzler 2017, S. 242-245.
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