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Kim-Claude Meyer

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KollegiatInnen
Koordinator
HochschullehrerInnen




Ereignis und epidemische Kommunikation.
Eine Soziologie des Gerüchts 


Projektskizze

Vor zwei Jahren schrieb der französische Philosoph Michel Serres in seinem Buch Le Mal propre ganz nebenbei folgenden Satz: „Die Soziologen untersuchen das Gerücht als ein Phänomen der normalerweise verleumderischen Weitergabe einer Ahnung in einer Gruppe“. Diese Feststellung hat durchaus einen kritischen Unterton. Hier setzt auch das vorliegende Projekt an: Das Gerücht wird nicht als zu behebende Störung des Kommunikationsprozesses betrachtet, sondern als notwendiger Parasit, der den sozialen Kommunikationsprozess vor einem Stillstand bewahrt. Aus einer konstruktivistischen Perspektive führen Gerüchte somit nicht zu einer Verzerrung sozialer Wirklichkeit und Wahrheit, sondern sie sind oftmals die erstmögliche Maßnahme, um die Irritation der alltäglichen Beständigkeit und das Versagen der Signifikanten peu à peu kommunikativ wieder anschlussfähig zu machen; sie sind ein Modus zur Herstellung von Latenz. Gerüchte schließen sich an die bestehenden kulturellen Narrative an, führen zu einer Verstärkung gleichläufiger Bewusstseinszustände (Solidarität) und leisten einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Dass trotz aller Relevanz - schon Luhmann fasst die Grundlage unseres ganzen Wissens über die Gesellschaft und die Geschichte mit einem lapidaren „man hat davon gehört“ zusammen - das Thema Gerücht derart von der soziologischen Forschung übergangen wird, scheint mehr als verwunderlich. Das vorliegende Projekt will einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke leisten.
Als empirische Fallstudie wird eine Untersuchung der narrativen Rahmung der Attentate vom 11. September in ausgewählten Zeitungen und Internetseiten angestrebt. Im Fokus steht dabei die Forschungsfrage, wie dieses Schockerlebnis, das eine bedrohliche Realität hinter dem Alltag offenbart, von den Zeitschriften und Internetusern kommunikativ angeschlossen wird? Die Plötzlichkeit der Geschehnisse und die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Informationsverbreitung führen zu einer - noch provisorisch titulierten - „epidemischen Kommunikation“.