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Do man zalt von gottes geburt
tusent iar drithalb hundert
jar vnd in dem xxvii iar, da warde
ein kind geborn an dem karfritag.
Nun des kindes muter, die wil vnd
sü das kind trug, das sie sich nit
mocht enthalten: sie trukt sich sel(-)
ber vor fröden, das das von ir
solt geborn werden, man must
ir die hend von ein ander cloessen
von rechter liebe, /die sie het/ zü dem kind, das
man furchten můst, sie tett ir einen
schaden an irem libe von grosser be(-)
girde gegen der geburt. Sie
was in so grosser andacht, das
sie enczeclichen die marter vnsers
herren in irem hertzen truk vnd
bat in mit groszer andacht, das
er die frucht von irem libe nem
tusent iar drithalb hundert
jar vnd in dem xxvii iar, da warde
ein kind geborn an dem karfritag.
Nun des kindes muter, die wil vnd
sü das kind trug, das sie sich nit
mocht enthalten: sie trukt sich sel(-)
ber vor fröden, das das von ir
solt geborn werden, man must
ir die hend von ein ander cloessen
von rechter liebe, /die sie het/ zü dem kind, das
man furchten můst, sie tett ir einen
schaden an irem libe von grosser be(-)
girde gegen der geburt. Sie
was in so grosser andacht, das
sie enczeclichen die marter vnsers
herren in irem hertzen truk vnd
bat in mit groszer andacht, das
er die frucht von irem libe nem
Der waagerechte Strich über dem „o“ ist ein Nasalstrich, der anzeigt,
dass nachfolgend „m“ oder „n“ zu ergänzen ist. Der Nasalstrich kann
auch eine geschwungene bzw. gebogene Form annehmen, sogar an das Ende des
letzten Buchstabens kursiv angebunden sein. Hier: „vo“ „von“. Die
aufgelösten Buchstaben werden immer durch Unterstreichung kenntlich
gemacht. In manchen Fällen steht der Strich nicht ausschließlich
für „m“ und „n“, sondern kann, steht er über dem
ausgeschriebenen Nasal, auch zu „e“ aufgelöst werden.
Für eine detaillierte Erläuterung der Abkürzungszeichen in
mittelaterlichen Handschriften siehe: Schneider, Karin: Paläographie
/ Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung.
Tübingen 1999, S. 84 - 89.
Die Handschrift kennt keine einheitliche Groß- und Kleinschreibung.
Zugunsten des erleichterten Leseflusses wurde für die Transkription die
Entscheidung getroffen, außer Eigennamen und eventuellen neuen
Satzanfängen alle Wörter klein zu schreiben. Siehe auch:
Editionsrichtlinien.
Der hochgestellte Haken, der sowohl über als auch hinter dem
entsprechenden Buchstaben stehen, ja sogar kursiv an den letzten
Buchstaben angebunden werden kann, bedeutet eine „er-Kürzung“. Zu
bemerken ist hier allerdings, dass diese Abkürzung sowohl „er“, „re“ als
auch nur „r“ ersetzen kann, die entsprechende Kombination nach Kontext zu
wählen ist. In diesem Fall wird aus „gebut“ mit Haken über dem „u“:
„geburt"
In der Transkription werden die aufgelösten Abkürzungen durch
Unterstreichung kenntlich gemacht.
dreieinhalb; hier : das dritte (Jahrhundert) zur Hälfte, also 1250
„u“ und „v“ werden im Schriftbild nicht immer unterschieden; an
Wortanfängen wird beides meist orthographisch mit „v“ realisiert.
Das große ‚N’ liest sich wie ein großes ‚R’.
Trennstriche, die in der Handschrift schon vorgegeben sind, werden in der
Transkription in runden Klammern wiedergegeben: (-).
Vermutl. Von „lœsen / lôsen“ = lösen, von eidlicher Verpflichtung los
machen, erlösen, befreien; hier: lösen
Bei Transkriptionen ist es notwendig zu präzisieren, wo genau Nachträge
eingefügt wurden und ob dies von ein und derselben Hand wie die restliche
Handschrift auch oder von unterschiedlichen, d.h. auch nachbearbeitenden
Händen vorgenommen wurde. Hier: am rechten Rand nachgetragen
Es könnte auch „emzeclichen“ heißen; Unterschied in der Wortbedeutung:
„enzeclichen“ = einzig; emzeclichen = emsig, eifrig, beflissen, bemüht
Blutzeugnis (bes. die Passion), Leid, Qual, Pein, Kruzifix, Verfolgung,
Folter; hier: Passion
In der Orthographie wird keine Unterscheidung zwischen dem stimmhaften und
dem stimmlosen Verschlusslaut gemacht; die Schriftsprache orientiert sich
scheinbar an der gesprochenen Sprache, in der ein finales „g“ wie ein „k“
artikuliert wird. Gemeint hier: trug (von tragen)
Die Kombination „sz“ bzw. in der Handschrift auch verschmolzen als „ß“
geschrieben wird in der Transkription immer als "sz" ausgeschrieben. Siehe
"Editionsrichtlinien".