Strahlenschutz in der Praxis
Strahlenschutzbereiche und Schutzmaßnahmen
Die 3 Grundsätze im Strahlenschutz
Es gibt 3 grundlegende Regeln oder Gebote im Strahlenschutz, die in internationaler Übereinstimmung festgelegt wurden und ins Atomgesetz aufgenommen wurden. Dies sind bekannt als die 3 Grundsätze des Strahlenschutzes:
- Rechtfertigung
- Dosisbegrenzung
- Optimierung
Die Arbeit mit Radioaktivität oder Strahlung muss gerechtfertigt sein. Dies bedeutet, dass unnötige Exposition nicht gerechtfertigt und deshalb praktisch verboten ist. Es darf also nur dann mit Strahlung gearbeitet werden, wenn sich dies nicht vermeiden lässt. Moment mal... Wir erinnern uns an die Maßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung! Falls nicht - bitte lesen: Das STOP-Prinzip. Erste Maßnahme mit der höchsten Priorität heißt Gefahrenquelle ersetzen.
Falls sich die Arbeit mit Strahlung nicht vermeiden lässt, muss dafür gesorgt werden, dass die zu erwartende Dosis begrenzt und idealerweise auf ein Minimum reduziert werden muss. Dabei gilt generell: Soviel wie unbedingt nötig und so wenig wie nur irgendwie möglich.
Der Begriff Optimierung ist etwas uneindeutig, beinhaltet aber praktisch alle Maßnahmen, die notwendig sind, um diese oben genannten Grundsätze zu erreichen. Damit wird das international anerkannte ALARA-Prinzip umgesetzt, was für "As Low As Reasonably Achievable“ steht, also so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar. Dies bezieht sich also nicht nur auf die Dosisbegrenzung, sondern allgemein auf den Umgang mit Strahlung.
Die 3 Grundregeln des Strahlenschutzes
Der Strahlenschutz ist in der Praxis eigentlich sehr einfach. Er folgt den 3 Grundregeln des praktischen Strahlenschutzes (die nicht mit den 3 Grundsätzen verwechselt werden sollten. Die Grundregeln bezeichnen die praktische Umsetzung der Grundsätze, also die organisatorischen Maßnahmen):
- Abstand (halten - und zwar so groß wie möglich)
- Aufenthaltsdauer (so gering wie möglich, so lang wie unbedingt nötig)
- Abschirmung (verwenden, und zwar angemessen und so viel wie nötig)
Auch bekannt als 3-A-Regel. Wenn Sie mitten in der Nacht geweckt werden und nach der 3-A-Regel im Strahlenschutz gefragt werden, müssen Sie das wissen. Und zwar nicht nur, wenn Sie eine Funktion im Strahlenschutz haben wie z.B. Strahlenschutzbeauftragte/r, sondern generell, wenn Sie mit Strahlung umgehen.
Regel 1: Abstand
Woher sollen Sie als Strahlenschutzbeauftragte/r oder als Person, die Umgang mit Strahlung hat, wissen, wie groß der Abstand sein muss?
Festlegung von Strahlenschutzbereichen
Das kann nicht pauschal beantwortet werden, weil das von vielen Faktoren abhängt. In diesem Fall kann man sagen: Zum Glück gibt es rechtliche Vorgaben, an denen man sich orientieren kann. Alles was man zunächst benötigt ist ein Strahlungsmeßgerät. Das wird zur Festlegung von Strahlenschutzbereichen benötigt und diese Einrichtung bzw. Festlegung ist nicht freiwillig!
"Zum Glück" deshalb, weil somit nicht in jedem Einzelfall gemessen werden muss und individuelle Abstände und Schutzmaßnahmen festgelegt werden müssen.
Nun kommen die Werte ins Spiel, die bereits bei der Einstufung der beruflichen Exposition eine Rolle gespielt haben, nämlich eine mögliche Jahresdosis von mehr als 1 mSv und mehr als 6 mSv.
- Kann die Jahresdosis 1 mSv überschreiten, muss ein Überwachungsbereich abgegrenzt werden und
- kann die Jahresdosis 6 mSv überschreiten, muss ein Kontrollbereich abgegrenzt werden. Innerhalb eines Kontrollbereichs kann zusätzlich die Abgrenzung eines Sperrbereichs nötig sein, wenn die Dosisleistung 3 mSv / Stunde übersteigt. Das kommt aber an der Universität bei uns nicht vor. Auch zum Glück!
Die Abgrenzung von Überwachungs- und Kontrollbereichen hängt also vom Abstand von der Quelle ab, weil die Strahlungsenergie mit zunehmendem Abstand von der Quelle abnimmt - und zwar zum Quadrat. Zumindest trifft dies auf Gammastrahlung und punktförmige Quellen zu. Bei Betastrahlung gilt dieses Gesetz nicht oder nur bedingt, weil Betastrahlung bereits auf dem Weg durch die Luft Energie verliert. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Betastrahlung sekundäre Gammastrahlung erzeugen kann. Das macht also die Berechnung der Dosisleistung in einem bestimmten Abstand zur Quelle nicht wirklich einfach. Alphastrahlung braucht uns bei der Abgrenzung von Strahlenschutzbereichen nicht zu interessieren.
Dies ist das berühmte Abstand-Quadrat-Gesetz. Das muss man herunterbeten können, wenn man in diesen Bereichen arbeitet oder eine Strahlenschutzfunktion hat.
Dabei geht man davon aus, dass eine Strahlungsquelle punktförmig ist und sich die Strahlung in alle Raumrichtungen gleichmäßig ausbreitet. Die Strahlungsintensität I ist bei einem Abstand r von der Quelle demnach I = 1/r2.
Abgrenzung der Strahlenschutzbereiche
Die Strahlungsintensität bzw. die Energie kann man (unter Umständen oder auch einfach) messen. Das geht entweder über die Aktivität oder die Dosisleistung. Da die Aktivität zur Abgrenzung nicht herangezogen werden kann, muss das über die Dosis gehen. Die Dosis nimmt aber immer nur zu. Das würde bedeuten, dass die bereiche zwangsläufig immer kleiner werden müssten. Außerdem kann man die gesammelte Dosis immer nur nach einer bestimmten Zeit auswerten. Die Abgrenzung der Strahlenschutzbereiche wird aber aufgrund der erreichbaren Dosis innerhalb eines Jahres festgelegt. Wir wollen aber dafür kein ganzes Jahr lang messen. Also müssen die Grenzwerte in eine Dosisleistung umgerechnet werden. Hierfür ist wieder die angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 2000 Stunden pro Jahr Ausschlag gebend (siehe Kapitel Überwachung und Dosimetrie).
Nun kann man mit einem Dosisleistungsmeßgerät langsam auf eine Quelle zugehen und dort die Abgrenzung vornehmen, sobald die Dosisleistungswerte erreicht werden.
Die Abgrenzung erfolgt also nach folgenden Dosisleistungswerten:
- Überwachungsbereich: > 0,5 µSv/h
- Kontrollbereich: > 3 µSv/h
- (Sperrbereich: > 3 mSv/h)
Da dies angenommene Maximalwerte sind, die Strahlenschutzverordnung aber sagt, dass diese Werte erreicht werden können, heißt dies demnach auch für Personen, die in diesen Bereiche arbeiten:
- Arbeit im Überwachungsbereich: Beruflich strahlenexponierte Person der Kategorie B
- Arbeit im Kontrollbereich: Beruflich strahlenexponierte Person der Kategorie A
Wichtig ist dabei jedoch die regelmäßige Arbeit in diesen bereichen, also bezogen auf die o.g. 2000 Stunden. Wenn eine Person nicht regelmäßig, z.B. nur 2 Stunden im Jahr im Kontrollbereich arbeitet, ist sie ggf. nicht einmal in Kategorie B eigestuft.
Es sei denn, die Behörde legt andere Regeln fest. Diese Option besteht zwar, wird aber in der Regel nicht lockerer ausgelegt.
Regel 2: Aufenthaltsdauer
Man könnte nun auf die Idee kommen und ausrechnen, wie lange man im Strahlenschutzbereich arbeiten kann, wenn dort eine bestimmte Dosisleistung gemessen wurde und sich sozusagen die maximal erlaubte Zeit lassen. Es ist zwar immer eine gute Idee, etwas auszurechnen, wenn man Daten hat. Aber daraus zu folgern, dass man deshalb "Zeit hat", ist nicht gewollt und widerspricht dem Grundsatz der Rechtfertigung sowie der Dosisbegrenzung. Man begibt sich schließlich nicht in einen Strahlenschutzbereich, um Dosis zu sammeln.
Auch ohne zu rechnen gilt: So kurz wie möglich und so lange wie unbedingt nötig. Und zwar immer. So einfach ist das.
Gerechnet werden muss dann zusätzlich, wenn erwartet werden kann oder muss, dass eine Dosis bzw. genauer: Ein Grenzwert während der gesamten benötigten Aufenthaltsdauer oder sogar über ein ganzes Projekt hinweg überschritten werden kann. Sollte dies der Fall sein, würde das zum Ausschluss von den Arbeiten ab dem erreichten Wert führen und würde außerdem ganz sicher unangenehme Fragen der Behörde mit sich bringen.
Allein in die Nähe von erlaubten Grenzwerten zu kommen, wäre kaum noch zu rechtfertigen.
Regel 3: Abschirmung
Die Grundregel sagt zwar "Abschirmung verwenden", aber nicht welche und wieviel davon. Einfach nur eine Abschirmung, vielleicht aus Blei, weil man das halt so kennt, zu verwenden, kann sogar kontraproduktiv sein.
Eine Abschirmung muss immer auf den jeweiligen Strahler abgestimmt sein. Verwendet man die falsche Abschirmung bzw. das falsche Material und zu wenig davon, dann kann sogar unerwünschte Sekundärstrahlung erzeugt werden. Stichtwort "Bremsstrahlung". Je nach Strahlenquelle könne in einem Abschirmungsmaterial Wechselwirkungen mit den Elektronen des Abschirmungsmaterials zur Erzeugung von indiskreter Röntgestrahlung führen, die womöglich schädlicher ist, als die ursprüngliche Strahlung, die von der Quelle ausgeht.
Strahlenschutzbeauftragte haben hier die Aufgabe, die Abschirmung genau auf die verwendeten Quellen abzustimmen und sowohl Material (und Kombinationen daraus) sowie deren Dicke zu berechnen. Hierfür gibt es aber zahreiche Tabellen in der einschägigen Literatur zum praktischen Strahlenschutz wie z.B. "Grundzüge des praktiscvhen Strahlenschutzes" (Vogt & Vahlbruch), die hier nicht im Einzelnen zitiert werden müssen.
Viele der offenen radioaktiven Chemikalien, die an der universität zum Einsatz kommen, werden in Behältern angeliefert, die eine innere Schicht aus Plexiglas haben und darum einen Behälter aus Blei. Um das Blei selbst wiederum zu schützen bzw. vor dem Blei zu schützen, befindet sich das Enseble in einem Kunststoffbehälter. Dabei dienen die Schicht aus Plexiglas innen und Blei außen als Abschirmung und haben genau in dieser Reihenfolge und kombination die beste Wirkung.
Warum in dieser Reihenfolge und nicht anders herum?
Wäre Blei die innere Schicht, würde durch die Quelle Brensstrahlung erzeugt, dim vom Plexiglas außen nicht mehr abgeschirmt werden könnte. Das Plexiglas innen verhindert aber die Bildung von Bremsstrahlung wegen der geringen Dichte und schirmt gut gegen Beta-Strahlung ab. Das Blei schirmt die übrige Gammastrahlung ab. Logisch, oder?
Die Bestimmung der wirksamsten Abschirmung bei möglichst geringem (Material-)Aufwand ist beim Strahlenschutz sicherlich der komplexere Teil der Aufgabe der Strahlenschutzbeauftragten.
Quizfrage: Macht diese Kombination auch bei Alphastrahlern und (fast) reinen Gammastrahlern Sinn? Unter Gammastrahlern sind hier der Einfachheit halber alle elektromagnetischen Strahlen gemeint, also auch Röntgenstrahlung.