Was ist Gemeinsinn?
Die Rede vom 'gesellschaftlichen Zusammenhalt' ist derzeit die meistgebrauchte Formel in der politischen Rhetorik. Indem wir das Wort 'Zusammenhalt' durch 'Gemeinsinn' ersetzen, verschieben wir ein wenig die Perspektive. Wer Zusammenhalt sagt, denkt an etwas, das von oben und außen zusammengehalten werden muss, weil es aus den Fugen gerät. Mit dem Wort Gemeinsinn gehen wir nicht von einem Kollektiv wie der Gesellschaft aus, sondern von den Voraussetzungen der Einzelnen, die etwas einbringen. Die Bewegung kommt also von innen, nicht von außen, sie muss von den Menschen selbst hergestellt und aufgebaut werden. Zusammenhalt richtet sich gegen eine von außen oder innen kommende Gefahr: Wir halten zusammen gegen Spaltendes und Bedrohliches. Beim Gemeinsinn werden Einzel-Interessen zurückgestellt und der Blick auf etwas Übergreifendes gerichtet, das jenseits von Herkunft und Zugehörigkeit verbindet. Gemeinsinn bedeutet nicht vordringlich, sich ein- und unterzuordnen, sondern den Anderen einzubeziehen. Er ist nicht das Gegenteil von Individualismus, sondern von Egoismus und fordert ein Denken in größeren Zusammenhängen und Bindungen.