‚Welt im Wandel‛ und ‚Zumutung Antropozän‛
urban – europäisch – global
In den Veranstaltungsreihen fragen wir, welchen Beitrag die sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen bezogen auf die drei Aktionsräume von Gemeinsinn (Gesellschaft – Stadt – Schule) leisten können, um die Krisen unserer Zeit zu erfassen, einzuordnen und Handlungsoptionen zu entwickeln.
Eine Krise jagt die andere: Artensterben, Klimawandel, Corona, Krieg, Hunger, Massenflucht: „Die Krisen sind so eng verzahnt, dass es kein Zurück zur Normalität gibt“, konstatiert Bernd Ulrich (ZEIT, 24.03.22). Die Welt verändert sich: lokal und global, auf dem Land und in der Stadt, in Deutschland, in Europa, auf der Welt. Das Überleben der Menschheit unter den Rahmenbedingungen des „Anthropozän“ hängt auch daran, ob sie einen „gemeinsamer Sinn“, eine gemeinsame Verantwortung für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit entwickelt. Chancen und Herausforderungen des „Gemeinsinns“ für das Zusammenleben in der Stadt, in Europa und auf der einen gemeinsame Erde wurden in der Veranstaltungsreihe diskutiert.
Vergangene Veranstaltungen
28.04.2022, Prof. Dr. Ingolfur Blühdorn, Prof. Dr. Hedwig Richter, Prof. Dr. Kirsten Mahlke: Kapital, Kolonien und Kohle – Wie erklärt sich die „nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit“? Das Dialogforum ist die erste der dreiteiligen Veranstaltungsreihe "Zumutung Antropozän" und beleuchtet das Thema aus einer soziologischen, historischen und politischen Perspektive. Aus drei verschiedenen Blickwinkeln und in drei verschiedenen zeitlichen Ebenen - Gegenwart, 18.-20. Jahrhundert und frühneuzeitliche Kolonialzeit - versuchen Prof. Dr. Ingolfur Blühdorn, Soziologe und Professor für soziale Nachhaltigkeit, die Historikerin Prof. Dr. Hedwig Richter und die Romanistin Prof. Dr. Kirsten Mahlke, Professorin für Kulturtheorie und Aktivistin zu den Themen des Klimawandels, eine Antwort auf die Frage nach den Ursachen der "nachhaltigen Nicht-Nachhaltigkeit" zu finden. Moderation: Jun.-Prof. Dr. Christiane Bertram |
02.06.2022, Lea Dohm (Psychotherapeutin), Carel Carlowitz Mohn (Chefredakteur klimafakten.de) & Nora Oehmichen (Teachers for Future), „Don’t look up“ – Wie kann die „unbequeme Wahrheit“ erzählt werden?
Das zweite Dialogforum stellte die kommunikative und psychologische Perspektive in den Mittelpunkt der Diskussion. Die „umbequeme Wahrheit“, dass die Menschheit auf eine Klima- und Umweltkatastrophe zurast, ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Mit den Extremwetterereignissen auch in Deutschland und Europa in den letzten Jahren müsste die Dringlichkeit des Themas – eigentlich – allen klar sein. Welche psychologischen Barrieren es gibt und wie die Klima-Kommunikation so gestaltet werden kann, dass sie zu einem gemeinsamen und konstruktiven Handeln führt, wurde von ausgewiesenen Expert:innen gemeinsam mit einer Aktivistin von Teachers for Future diskutiert. Moderation: Jun.-Prof. Dr. Christiane Bertram Moderation: Jun.-Prof. Dr. Christiane Bertram |
Wie sollen wir einander begegnen? Dr. Thomas Senkbeil & Dr. Petra Rogge im Gespräch über den Takt als zwanglos fürsorgliche Umgangskunst. Wie geht das noch, das einander Begegnen? Sofern wir in einer individualisierten, kulturell vielfältigen Gesellschaft leben können, begegnen wir uns als lauter Heterogene in einem gemeinsamen, Freiheit und Würde formenden Geist. Im Umgang miteinander sind wir dann an weltoffenen Umgangsordnungen orientiert, über die wir uns situativ aufeinander einstimmen und hierfür methodisch ungefähr bleibende Erfahrungen wie dem individuell graduierten Erfahrungstakt (Helmuth Plessner) heranziehen. Im besten Fall. Im schlechtesten Fall wird der Umgang einstimmig gemacht und der Takt für den Einklang in die Umgangsordnung herangezogen. Am Beispiel einzelner Szenen aus der ambulanten und stationären sozialpädagogischen Praxis wollen wir über den Takt als in Freiheit und Würde aufeinander einstimmende, zwanglos fürsorgliche Umgangskunst im Spannungsfeld realer Begegnungen sprechen. |
23.06.2022, Dr. Kathrin Golda Pongratz, Dr. Paula Tesche, & Dr. Carolina Aguilera: Memory, cities and communal sense: Latin American perspectives Diese Veranstaltung brachte Perspektiven aus Lateinamerika zusammen, die sich mit Erinnerung, Städten und Gemeinsinn auseinandersetzen. Von einer Diskussion über Denkmäler der Diktatur im geteilten Chile bis hin zur Erinnerung an den kommunalen Bau von informellen Siedlungen in Peru erweiterte die Diskussion unser Verständnis von Gemeinsinn und spiegelte soziale Prozesse in der dynamischen lateinamerikanischen Region wider. Moderation: Dr. Gruia Bădescu |
30.06.2022, Prof. Dr. Dag Nilokaus Hasse (Würzburg): Warum wir nicht eine europäische Identität suchen sollten Gerade heute in Zeiten der Konfrontation mit Russland kann die Besinnung auf eine europäische Identität auch zu Ausgrenzung und Arroganz führen. Prof. Hasse erläuterte, wie die Geschichte kultureller Europa-Begriffe zeigt, dass Europa für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet ist. Es lohne sich, Europa offener zu denken. Moderation: Dr. Dr. Gret Haller |
07.07.2022, Prof. Dr. Manuela Boatcă (Freiburg): Europa als Prozess, Projekt und Problem Entgegen gängiger Konzepte von Europa, in denen nur der Westen des Kontinents gemeint ist, dessen geografische und historische Definitionen aber ungenau bleiben, schlägt der Vortrag eine umfassendere Vorstellung von Europa als kreolisiertem Raum vor, der aufgrund seiner Geschichte von der Karibik bis Siebenbürgen reicht. Diese Perspektive berücksichtigt die regionalen Verflechtungen, die der europäische Kolonialismus und Imperialismus seit dem 16. Jahrhundert hervorgebracht haben und denkt Europa von seinen unbestätigten Grenzen im Atlantik und im karibischen Meer neu. Moderation: Dr. Gruia Bădescu |
14.07.2022, Prof. Dr. Martin Zebracki (Leeds): Queerness in the City? – LGBTQ+ Monuments for Civic Inclusivity Verschiedene Städte auf der ganzen Welt, die sich für LGBTQ+-Menschen einsetzen, haben eine wachsende Zahl öffentlicher Denkmäler errichtet, die an deren Leben und Erfahrungen erinnern. Dieser Vortrag diskutierte den kritischen Platz solcher LGBTQ+-Denkmäler und ihr öffentliches Gedenken im städtischen öffentlichen Raum: Wo und in welchen unterschiedlichen materiellen, räumlichen und zeitlichen Formen entstehen sie? Was sind die kulturpolitischen Voraussetzungen ihrer Entstehung und alltäglichen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen? Der Vortrag endete mit einer Diskussion über Mechanismen zur Gestaltung öffentlicher LGBTQ+-Denkmäler zur Förderung der bürgerlichen Inklusion. Moderation: Dr. Gruia Bădescu |
21.07.2022, Prof. Dr. Philipp Mittnik, Markus Szaguhn & Pauline Menghini: Mut durch Handeln? Wissenschaft und (Zivil-)Gesellschaft als Motor für Veränderung? Bei dieser dritten Veranstaltung der Reihe „Zumutung Anthropozän“ diskutierte der Transformationsforscher Markus Szaguhn (KIT-Zentrum Mensch und Technik, Karlsruhe), der zum CO2-Footprint-Gap gearbeitet hat, mit dem Politik- und Geschichtsdidaktiker Philipp Mittnik (Universität Wien), der sich für eine klare Positionierung von Lehrkräften einsetzt („Positioniert euch! Was politische Bildung darf“, 2020) und der Aktivistin Pauline Menghini (netzwerk medien.vielfalt) über Möglichkeiten der aktiven Einbindung der Zivilgesellschaft bei der notwendigen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Transformation der Gesellschaft. Moderation: Jun.-Prof. Dr. Christiane Bertram |
Zumutung Anthropozän - „Eigentum verpflichtet“ – Perspektiven auf die Rolle des Grundgesetzes in der sozial-ökologischen Transformation Die Veranstaltungsreihe "Zumutung Antropozän" ist Teil der Veranstaltungsreihe "Welt im Wandel" im Sommersemester 2022. Im Zeitalter des Anthropozän verändern sich die Fragen an die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wie wird die Geschichte von Industrialisierung und Modernisierung heute erzählt? Wie kann eine (beängstigende) Gegenwart und Zukunft kommuniziert werden? Können Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine „Große Transformation“ anstoßen? In diesem Vortrag diskutiert Luca Finn Thomas, der als Teil der Gruppe „Aufstand Letzte Generation“ für die Einführung eines Lebensmittelgesetzes an Protestaktionen teilgenommen hat, mit dem Soziologen Klaus Dörre, Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs „Postwachstumsökonomie“, und mit Monika Oberle, Sprecherin des Berufsverbands der Politikdidaktiker:innen in Deutschland, welche Rolle das Grundgesetz in einer von der Politik, Wissenschaft, Schule und Zivilgesellschaft getragenen sozial-ökologischen Transformation spielen kann. Einen Mitschnitt der Veranstaltung finden Sie hier. |