Leitlinie für den Umgang mit Mehrsprachigkeit an der Universität Konstanz

1. Präambel

Sprachliche Vielfalt ist in der Charta der Grundrechte der EU verankert. Die Europäische Kommission unterstreicht den Wert der sprachlichen Vielfalt in der EU und ihre Bedeutung für die Beschäftigungsfähigkeit, den sozialen Zusammenhalt und die Mobilität.

An der Universität Konstanz, einem sprachlich vielfältigen Ort, spiegeln die regelmäßigen Umfragen eine beeindruckende Diversität wider: Es werden 14 verschiedene Sprachen für Studium und Forschung sowie viele weitere Sprachen im täglichen Leben auf dem Campus verwendet. Diese sprachliche Vielfalt ist ein zentrales Element unseres "Konstanzer Spirits": sie schafft ein Bewusstsein für andere Kulturen und ist eine Chance für die Zusammenarbeit entsprechend des gemeinsamen Mottos „creative.together“.

Die Fähigkeit zu wertschätzender und effektiver Kommunikation ist grundlegend, um exzellente Bedingungen in lokalen, nationalen und internationalen Kontexten für Forschung, Lehre, Lernen und Arbeiten zu schaffen. Englisch spielt als führende Wissenschaftssprache eine zentrale Rolle und ist für die Universität Konstanz ein wichtiges Mittel, um international vernetzt und relevant zu bleiben. Gleichzeitig ist es unerlässlich, den Charakter der Universität zu bewahren und ihre Verankerung in regionale und nationale Kontexte zu respektieren, indem die sprachliche Realität Deutschlands (mit der deutschen Sprache, ihren Dialekten und den verschiedenen Herkunftssprachen seiner Bürger*innen) an der Universität abgebildet wird. Die deutsche Sprache ist dabei grundlegend für die Teilhabe am universitären Leben und dient als Basis für Wissenschaftskommunikation und Transfer in die Gesellschaft.

Unsere Leitlinie für den Umgang mit Mehrsprachigkeit an der Universität Konstanz hat das Ziel, Ideale für ein gelungenes sprachliches Miteinander zu formulieren, um für alle Mitglieder eine wertschätzende Umgebung zu schaffen. Sie ist eine Sammlung von Empfehlungen, die darauf abzielen, die Arbeitsweise der Universität zu erleichtern, Spannungen zu vermeiden und eine kollaborative akademische Umgebung zu fördern. Dabei sollen Mitglieder der Universität die Möglichkeit haben, sich auf Deutsch, Englisch oder, wo angemessen, auch in anderen Sprachen auszutauschen, ohne andere Kommunikationsteilnehmer*innen zu diskriminieren oder selbst diskriminiert zu werden. Dieser Ansatz stärkt unser Bemühen um einen respektvollen Umgang miteinander, wie bereits in der Leitlinie "fair sprechen – fair schreiben" verankert.

Mithilfe der Leitlinie möchten wir

  • die Interessen verschiedener Interessengruppen berücksichtigen, indem wir die Notwendigkeit anerkennen, sowohl globale als auch lokale Perspektiven zu integrieren.
  • die Mehrsprachigkeit der deutschen Gesellschaft würdigen und die Bedeutung der Erhaltung nicht dominanter Sprachen und Dialekte unterstreichen.
  • die Mitglieder der Universitätsgemeinschaft bestärken, sprachliche Vielfalt am Arbeitspatz als Bereicherung zu empfinden.
  • flexible Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen und einen inklusiven Ansatz fördern, der die Herausforderungen und das potenzielle Gefühl der Ausgrenzung für diejenigen berücksichtigt, die möglicherweise begrenzte Kenntnisse in den vorherrschenden Sprachen haben.
  • das passive Verständnis der beiden Arbeitssprachen Deutsch und Englisch als vorrangiges Ziel fördern, während wir die Bedeutung anderer Sprachen im wissenschaftlichen Diskurs anerkennen, wo dies sinnvoll und zielführend ist.
  • für vorhandene Ressourcen und Unterstützungsangebote sensibilisieren und die Mitglieder der Universitätsgemeinschaft ermutigen, diese Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer sprachlichen Fähigkeiten zu nutzen.

2. Inklusive Kommunikation

An der Universität Konstanz schätzen wir die sprachliche Vielfalt als einen Eckpfeiler unserer akademischen Gemeinschaft und als eine Chance für die kreative Zusammenarbeit. In Anerkennung der Bedeutung inklusiver Kommunikation streben wir eine Kultur an, die jeden ermutigt, sich aktiv zu beteiligen und die die folgenden Grundsätze verkörpert:

  1. Kommunikation für die Universitätsgemeinschaft: Wichtige Ankündigungen, Formulare und Webseiten auf Deutsch und Englisch zu verfassen, ist ein Ideal, das wir verfolgen, um sicherzustellen, dass jedes Mitglied unserer Gemeinschaft gleichermaßen informiert und eingebunden ist.
  2. Gremiensitzungen: Wir befürworten einen flexiblen Sprachgebrauch, der die Teilnahme aller Mitglieder in Diskussionen fördert, indem rezeptive Sprachkenntnisse und Code-Switching - also das flexible Umschalten zwischen Englisch, Deutsch und anderen Sprachen in Gesprächen oder Diskussionen - ermutigt werden, um Inklusion und Verständnis zu gewährleisten. In Gremien schlagen wir vor, den Sprachgebrauch regelmäßig gemeinsam zu reflektieren.
  3. Digitale und gedruckte Informationen: Die Bereitstellung wichtiger Informationsmaterialien in sowohl Deutsch als auch Englisch bleibt eine Priorität.
  4. Stellenausschreibungen: Die Veröffentlichung in verschiedenen relevanten Sprachen fördert die internationale Reichweite und Vielfalt unserer Gemeinschaft.
  5. Campus-Ausschilderung: Zukünftige Überlegungen könnten die Einführung mehrsprachiger oder sprachneutraler Schilder beinhalten, um eine noch einladendere Campusumgebung zu schaffen.
  6. Alltagskommunikation: In unserer Universität fördern wir eine Atmosphäre der Akzeptanz und des Respekts, in der Mitglieder der Universität, die sich miteinander unterhalten, nicht wegen der von ihnen gemeinsam verwendeten Sprache diskriminiert werden. Dabei unterstützen wir Mitglieder der Universität dabei, (unbewusste) Sprachdiskriminierungen zu erkennen und aktiv zu vermeiden.

Diese Bestrebungen dienen als Wegweiser für unsere kontinuierlichen Bemühungen, eine integrative, respektvolle und weltweit vernetzte akademische Umgebung zu pflegen.

3. Anwendungsbereiche: Unterstützung und Empfehlungen

Forschende

Wie die Universität Sie unterstützen möchte

  • Wir ermöglichen Forschung auch ohne Deutschkenntnisse, um internationale Talente für die Universität zu gewinnen.
  • Wir möchten dafür sorgen, dass Forschende Verwaltungsvorgänge auch ohne Deutschkenntnisse verstehen und erledigen können.
  • Wir ermöglichen interne Anträge auf Forschungs- und Transferförderung auf Englisch oder Deutsch, um administrative Barrieren zu reduzieren.
  • Wir bieten Deutschkurse für Forschende an, um Integration und Karrieremöglichkeiten in Deutschland zu verbessern. Die Vorgesetzten fördern und ermöglichen Mitarbeitenden Sprachkompetenz zu erwerben, auch während der Arbeitszeit.
  • Wir bieten beim akademischen Schreiben auf Englisch und Deutsch Unterstützung an, um die Textqualität zu sichern.
  • Wir bieten Übersetzungs- und Korrekturlesedienste an, um wissenschaftliche Kommunikation zu erleichtern.
  • Wir bieten Veranstaltungen, Trainings und Materialien an, um eine Reflektion über Mehrsprachigkeit im Forschungskontext anzuregen.
  • Wir setzen uns im Hinblick auf Sprachenvielfalt für eine diskriminierungsfreie Kommunikationskultur in Forschungsgruppen ein.

Was wir Ihnen empfehlen

  • Wir empfehlen Mitgliedern der Universität die Weiterentwicklung wissenschaftssprachlicher Kompetenzen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch, um in der globalen akademischen Welt konkurrenzfähig zu bleiben.
  • Wir raten Mitgliedern der Universität, ihre Forschungsarbeit international sichtbar zu machen, indem sie Publikationen zumindest mit einem Abstract auf Englisch versehen und soweit möglich auch Forschungsarbeiten selbst regelmäßig auf Englisch publizieren, um eine breitere globale Reichweite und Vielfalt in der Wissensverbreitung zu gewährleisten.
  • In Forschungskontexten, in denen Englisch die dominante Sprache ist, könnte es möglicherweise sinnvoll sein, ab und an auch in anderen relevanten Sprachen zu publizieren (z.B. um die Vielfalt der Wissenschaftssprachen, einschließlich der deutschen Sprache, zu erhalten; oder um einschlägige Forschende, die sich am englischsprachigen Forschungsdialog nicht beteiligen, zu erreichen), und wir möchten Forschende zur Reflexion über die mögliche Relevanz dieser Überlegungen im Hinblick auf ihren eigenen Forschungskontext ermutigen.
  • Für diejenigen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, empfehlen wir den Erwerb von mindestens alltagssprachlichen Kompetenzen in der deutschen Sprache, um die allgemeine Kommunikation und Integration zu erleichtern.
  • Forschenden mit Arbeitsverträgen von drei Jahren oder mehr wird der Ausbau der rezeptiven Deutschkenntnisse nahegelegt, beispielsweise zur effektiveren Mitarbeit in Gremien und zur besseren Navigation im akademischen Umfeld.
  • Wir ermutigen den Transfer von Forschungsergebnissen auf lokaler Ebene in den Sprachen der Gesellschaft, das heißt auf Deutsch und gegebenenfalls in anderen weit verbreiteten Sprachen, um die lokale Relevanz und den Zugang zu Forschung zu verbessern.
  • Wir empfehlen regelmäßig über die Kommunikationssprache(n) in Arbeitsgruppentreffen, Forschungskolloquien, Tagungen und Workshops, die an der Universität stattfinden, zu reflektieren.

Studierende und Lehrende

Wie die Universität Sie unterstützen möchte

  • Wir möchten es Austauschstudierenden ermöglichen, fremdsprachige (vorzugsweise englische) Lehrveranstaltungen in allen Fachbereichen belegen zu können, um die internationale Bildungserfahrung zu bereichern.
  • Wir bieten Studiengänge an, die auch ohne Deutschkenntnisse absolviert werden können, um internationalen Studierenden Zugang zu unseren Studienangeboten zu ermöglichen.
  • Wir unterstützen das Angebot von spezialisierten Intensiv-Deutschkursen (Berufsdeutsch) für internationale Lehrende, um ihre Integration zu verbessern und sie dabei zu unterstützen, zukünftig Lehre auch auf Deutsch anbieten zu können.
  • Wir möchten dafür sorgen, dass Studierende und Lehrkräfte Verwaltungsvorgänge auch ohne Deutschkenntnisse verstehen und erledigen können, um die Organisation von Studium und Lehre zu vereinfachen.
  • Wir ermutigen Studierende und Lehrkräfte, ihre eigene Mehrsprachigkeit aktiv in den Unterricht einzubringen, um das Lernumfeld über Deutsch und Englisch hinaus zu erweitern.
  • Wir fördern Veranstaltungen, Workshops und Trainings für Lehrkräfte zur Mehrsprachigkeitsdidaktik.
  • Um sprachliche Vielfalt zu fördern, ermöglichen wir das Erlernen von Fremdsprachen, die nicht die Hauptunterrichtssprachen sind, wo sinnvoll auch curricular integriert als Teil von Bachelor- und Masterstudiengängen.

Was wir Ihnen empfehlen

  • Wir empfehlen die kontinuierliche Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Sprachkompetenzen, insbesondere auf Deutsch und Englisch, um die Sprachqualität in Studium, Forschung und Lehre zu optimieren.
  • Für diejenigen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ist es ratsam, zumindest alltagssprachliche Deutschkenntnisse zu erwerben, um die tägliche Kommunikation und soziale Integration am Arbeitsplatz zu erleichtern.
  • Für internationale Lehrkräfte ist es empfehlenswert, spätestens drei Jahre nach Beginn ihrer Tätigkeit an der Universität in der Lage zu sein, auf Deutsch zu unterrichten, um die volle Partizipation an allen Aspekten des akademischen Lebens zu gewährleisten.
  • Zusätzlich sehen wir es als wünschenswert an, dass Fähigkeiten in weiteren Sprachen entwickelt werden, um die kulturelle Vielfalt und Verständigung innerhalb der akademischen Gemeinschaft zu fördern.
  • Wir empfehlen allen Studierenden und Lehrenden über ihre eigenen sprachlichen Voraussetzungen (z.B. durch den Besuch von entsprechenden Veranstaltungen, Workshops oder Trainings) zu reflektieren.

Wissenschaftsunterstützende Mitarbeiter*innen

Wie die Universität Sie unterstützen möchte

  • Wir setzen technische Lösungen und Schulungen kontextabhängig und sinnvoll ein, um sprachliche Barrieren effizient zu überwinden und den Arbeitsablauf zu erleichtern.
  • Wir fördern die Sichtbarkeit von Sprachkompetenzen, beispielsweise durch Kennzeichnungen an Bürotüren und mehrsprachige E-Mailsignaturen, um die Mehrsprachigkeit im Arbeitsumfeld hervorzuheben.
  • Wir fördern das Angebot von Trainings zur Sprachkompetenzentwicklung, besonders zur Verbesserung des rezeptiven Sprachgebrauchs. Die Vorgesetzten fördern und ermöglichen Mitarbeitenden Sprachkompetenz zu erwerben, auch während der Arbeitszeit.
  • Wir möchten momentan schon bestehende und sich möglicherweise verändernde Sprachanforderungen an Mitarbeitende in den verschiedenen Arbeitskontexten akkurat und sorgfältig erfassen, um Fairness und Machbarkeit zu gewährleisten.
  • Wir erkennen den Zeit- und Ressourcenaufwand der Mitarbeitenden bei der Nutzung von Sprachtrainingsangeboten an und berücksichtigen diesen Aufwand in unseren Erwartungen zu deren Nutzung.
  • Bei Bedarf bieten wir Übersetzungsdienste, um die Kommunikation und Zugänglichkeit von Informationen zu unterstützen.
  • Wir unterstützen eine regelmäßige Reflektion darüber, wie eine im Hinblick auf Sprachkenntnisse diskriminierungsfreie Kommunikationskultur an unserer Universität weiter gefördert werden kann.

Was wir Ihnen empfehlen

  • Wir befürworten das Code-Switching, also das flexible Umschalten zwischen Englisch, Deutsch und anderen Sprachen in Gesprächen oder Diskussionen, wenn dies zur Verbesserung der Kommunikation beiträgt und situationsspezifisch angemessen ist.
  • Um Code-Switching zu ermöglichen, ermutigen wir Mitglieder der Universität, passive Sprachkenntnisse zu verbessern, um effektive Kommunikation und tieferes Verständnis in multilingualen Kontexten zu fördern.
  • Wir ermutigen den Gebrauch von spontanen, mobilen technischen Lösungen sowohl in der schriftlichen als auch in der mündlichen Kommunikation.