Der Umgang mit kolonialen Objekten im Museum
30 Studierende aus verschiedenen Studiengängen der Universität Kon-stanz nahmen an dem von der Konstanzer Historikerin Prof. Dr. Anne Kwaschik initiierten Workshop „Objektgeschichten des Kolonialismus“ im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen teil.
In Vorträgen und Gesprächen mit Restauratorin Sabina Carraro, Sammlungsleiter sowie Vizedirektor Achim Schäfer und Provenienzforscher Peter Müller thematisierten die Studierenden von den Studiengängen Geschichte, Ethnologie, Literatur-Kultur-Medien, Politik- und Verwaltungswissenschaften und Kulturelle Grundlagen Europas den Umgang mit kolonialen Ausstellungsobjekten. Dazu gehörte auch die Geschichte des 1921 gegründeten Museums, die eng mit der des „Weltstädtchens“ St. Gallen verbunden ist. Im 19. Jahrhundert stieg St. Gallen allmählich zur Stickereimetropole mit globaler Vernetzung auf. Dies stellte eine ideale Voraussetzung dar, um ethnographische Objekte zu sammeln. In diesem Zusammenhang beteiligten sich auch viele OstschweizerInnen an der kolonialen Expansion Europas. Viele seiner Objekte, so Schäfer, verdankt das Historische und Völkerkundemuseum diesen kolonialen AkteurInnen.
In der 2016 eröffneten Dauerausstellung „Welten sammeln“, die die Studierenden zu Beginn eingehend einem kritischen Blick unterziehen durften, werden neben den ethnographischen Objekten vom Beginn des 20. Jahrhunderts auch die AkteurInnen ins Blickfeld genommen, die diese nach St. Gallen brachten. Wie auch andere Museen sieht sich das Museum in St. Gallen mit der Problematik konfrontiert, Gegenstände zu repräsentieren, die ursprünglich auch gesammelt worden sind, um die „Überlegenheit des Europäers“ zu veranschaulichen und deren Herkunft beziehungsweise Provenienz teils ungeklärt ist. Diese Problematik wurde zuvor intensiv in der Vorbereitung des Workshops diskutiert. Sie wird zudem anhand der Architektur des Museumsgebäudes deutlich: Es ist in eine historische Sektion für „europäische“ Geschichte und eine Abteilung für Völkerkunde untergliedert.
Achim Schäfer hob hervor, dass die Architektur des Raumes der Ausstellung „Welten sammeln“ im Kolonialstil gestaltet sei und dass man mit diesem Erbe umgehen müsse. Das Gebäude könne gar selbst als museales Objekt angesehen werden. Es gelte selbstverständlich, koloniale Kategorien aufzubrechen und nicht alte Narrative zu erneuern. Darum habe man sich in der Ausstellung „Welten sammeln“ für ein Museumskonzept entschieden, in dem vielmehr Fragen an die Objekte gestellt werden. Damit hebe man sich ab von den ersten Völkerkundeausstellungen, die in kolonialen Denktraditionen standen und sich als Tempel der Weisheit mit universellem Wissen verstanden. In „Welten sammeln“ würden Wissenslücken über die Objekte ausdrücklich in den Objektbeschreibungen benannt.
Der Provenienzforscher Peter Müller betonte die Bedeutung einer Objektbiographie sowie die Veränderung des Museumswesens. Was repräsentabel sei, habe sich stark verändert. Heute hätten die Besucher andere Ansprüche als zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts. Das Museum bezeichnete er als „einen Weltbaukasten, den man immer wieder neu zusammensetzen kann“.
Sabina Carraro erläuterte anschaulich, wie RestauratorInnen arbeiten. Dabei spiele nicht nur der Schutz der Objekte selbst, sondern auch der Selbstschutz vor den teils mit giftigen Chemikalien behandelten Gegenständen eine Rolle. Vor allem gelte jedoch für RestauratorInnen, dass die Prävention wichtiger sei als die Restauration. Dies machte sie anhand eines Elefantenschweifs deutlich, der als Fächer genutzt wurde, und einem Babykrokodil, welches als Schwertscheide diente. Carraro stellte heraus, dass man sich im Kolonialismus sowohl Mensch als auch Tier zu eigen gemacht habe.
Achim Schäfer als Vizedirektor des Museums verdeutlichte, er sehe sich „nicht als Besitzer, sondern als Sachwalter und Treuhänder der Sammlung für einen begrenzten Zeitraum. Wir müssen verantwortungsvoll und vorsichtig mit den Objekten umgehen.“ Dabei spiele vor allem die Provenienzforschung eine wichtige Rolle.
In einer abschließenden Diskussion hatten auch sehr kritische Fragen seitens der Studierenden aus verschiedenen Disziplinen mit unterschiedlichen Perspektiven Raum. Dies ermöglichte einen Transfer von wissenschaftlichen Fragestellungen in die Praxis. So konnten die Studierenden mit zahlreichen Impulsen für Masterarbeitsthemen im Gepäck den Heimweg antreten.
Faktenübersicht:
- Workshop „Objektgeschichten des Kolonialismus“ im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen mit 30 Studierenden der Universität Konstanz
- Diskutiert wurde über den Umgang mit kolonialen Ausstellungsobjekten
- Initiiert von der Konstanzer Historikerin Prof. Dr. Anne Kwaschik
- Vorträge und Gespräche mit Restauratorin Sabina Carraro, Sammlungsleiter sowie Vizedirektor Achim Schäfer und Provenienzforscher Peter Müller