Die Jugoslawienkriege in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

In aktuellen literarischen Arbeiten rücken mehr und mehr die Kriege, die den Zerfall Jugoslawiens begleiteten, und die Erlebnisse von Flucht und Fremdheit, die ihnen folgten, in den Blick. Autorinnen und Autoren schreiben sich ein in eine Debatte über das Verhältnis von Ethik, Ästhetik und Politik, die nicht zuletzt im Zuge der Verleihungen des Literaturnobelpreises an Peter Handke und des Deutschen Buchpreises an Saša Stanišić verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist.

Die den Beiträgen und der Diskussion zugrundeliegenden Texte werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorab zur Verfügung gestellt. Um Zugang zu erhalten, melden Sie sich bitte bei marie.gunreben@uni-konstanz.de oder maria.kuberg@uni-konstanz.de.

Wann
Dienstag, 18. Februar 2020
10:00 – 19:00 Uhr

Wo
Bischofsvilla, Otto-Adam-Str. 5, 78467 Konstanz

Es diskutieren:   Insa Braun (Berlin); Marie Gunreben (Konstanz); Albrecht Koschorke (Konstanz); Anita Martin (Bern); Michael Neumann (Konstanz); Thomas Traupmann (Zürich)

17:30 Uhr: Vortrag von Vahidin Preljević (Sarajevo): Der Balkanismus als Identitätsfalle: Zu Handkes Jugoslawien-Texten

Anlässlich der jüngsten Verleihungen des Literaturnobelpreises an Peter Handke und des Deutschen Buchpreises an Saša Stanišić sollen im Rahmen eines eintägigen Workshops literarische Auseinandersetzungen mit den Jugoslawienkriegen diskutiert werden. Dabei wird es zum einen um das Verhältnis von Ästhetik, Ethik und Politik gehen, das mit dem „Fall Handke“ wieder verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist, sowie um die (literatur-)politischen Dynamiken der öffentlichen Auseinandersetzung mit diesem Fall. Die Diskussion im Workshop soll sich allerdings nicht auf Handke beschränken, sondern weitere Autorinnen und Autoren miteinbeziehen, die sich ebenfalls aus einer externen (deutschen, österreichischen) Perspektive mit den Kriegen der 1990er Jahre und der postjugoslawischen Nachkriegszeit befasst und dabei andere ästhetische und politische Strategien im Umgang mit ihrem Gegenstand gewählt haben – zu nennen wären hier etwa Juli Zeh mit Die Stille ist ein Geräusch (2002) oder Norbert Gstrein mit Das Handwerk des Tötens (2003) und Wem gehört eine Geschichte? (2004).

Einen zweiten Schwerpunkt des Workshops bilden aktuelle Romane von Autorinnen und Autoren, die, häufig vor einem autobiographischen Hintergrund, aus interner Perspektive von den jugoslawischen Kriegen erzählen. Romane wie Saša Stanišićs Wie der Soldat das Grammofon repariert (2006) und Herkunft (2019) oder Tijan Silas Tierchen Unlimited (2017) lassen sich ihrerseits danach befragen, welche Diagnosen zum Zerfall Jugoslawiens und welche Formen der Darstellung von Krieg und Verfolgung sie entwickeln. Zugleich handeln viele dieser Romane von der Flucht aus der Heimat und dem Ankommen in der Fremde, die im Fall von Stanišić und Sila Deutschland heißt. Die Perspektive, die diese Texte auf Deutschland und seinen Umgang mit Geflüchteten werfen, kann die seit 2015 konstant erhitzten Debatten um Integration, Multikulturalität und Heimat vielleicht um eine informierte Sichtweise ergänzen.

 

Programm:

10:00–10:15 Uhr:   Begrüßung, Einführung (Marie Gunreben, Maria Kuberg)

10:15–13:00 Uhr:   Impulse und Diskussion

Albrecht Koschorke (Konstanz): Bürgerkriege erzählen

Thomas Traupmann (Zürich): Anders erzählen? Sprache, Krieg und Peter Handkes Winterliche Reise
- Textvorlage: Peter Handke: Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien    
            Auszüge)

Insa Braun (Berlin): Krachende Ohrfeigen für politische (Un-)Korrektheit: Handke und Stanišić
- Textvorlage: Peter Handke: Die Geborgenheit unter der Schädeldecke; Saša Stanišić: Herkunft (Auszüge)

13:00­­–14:30 Uhr:   Mittagspause

14:30–17:00 Uhr:   Impulse und Diskussion

Marie Gunreben (Konstanz): Gegen die Balkanhelden. Norbert Gstreins und Marko Dinićs Nachkriegsromane
- Textvorlage: Norbert Gstrein: Das Handwerk des Tötens; Marko Dinić: Die guten Tage (Auszüge)

Michael Neumann (Konstanz): Vakanz und Empathie. Über die Erzeugung von Zuständigkeit
- Textvorlage: Susan Sontag: Das Leiden anderer betrachten (Auszug); Benjamin Moser: Sontag in Sarajevo

Anita Martin (Bern): »They don’t have two narratives, but six.« Yael Ronens Common Ground
-
Vorlage: Yael Ronen: Common Ground

17:30 Uhr:   Vortrag von Vahidin Preljević (Sarajevo): Der Balkanismus als Identitätsfalle: Zu Handkes Jugoslawien-Texten
- Textvorlage: Maria Todorova: Die Erfindung des Balkans. Europas bequemes Vorurteil (Auszug)

19:00 Uhr:    Abendessen