Weiterentwicklung | Polina Zimmerman, pexels.com

Digitalen Unterricht weiterentwickeln

Weitermachen wie bisher oder lieber weiterentwickeln? Und wenn ja, wie? – Diese Fragen stellen sich viele Lehrkräfte nun im Hinblick auf die Planung ihres Unterrichts für das kommende Schuljahr. Zwei aktuelle wissenschaftliche Beiträge bieten hierzu Ansätze.

Mehr oder minder aus dem Stegreif entwarfen Lehrkräfte zu Beginn der Corona-Pandemie digitale Formate für ihren Unterricht. Mit dem Ende der Schulschließungen wurde nun wieder Präsenzunterricht möglich, wenngleich nur in den seltensten Fällen die ganze Schülerschaft regulär unterrichtet werden kann. Die Situation wird noch für viele Monate schwer kalkulierbar bleiben, weshalb damit gerechnet werden muss, dass Unterricht weiterhin hybrid oder womöglich zeitweise wieder vollständig digital stattfinden muss. Vielen Lehrkräften stellt sich nun die Frage, wie sie aufbauend auf die Erfahrungen der vergangenen Monate ihr digitales Unterrichtsangebot nach den Sommerferien weiterentwickeln können. Auf zwei wissenschaftliche Beiträge, welche die Beobachtungen und Erkenntnisse der Lehrkräfte in den letzten Monaten aufgreifen, möchte ich an dieser Stelle verweisen und habe für Sie einige zentrale Aussagen zusammengefasst.

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Auf einen Blick

  • klare Strukturierung des digitalen Unterrichts
  • anspruchsvolle Inhalte nicht wegfallen lassen; lieber Bandbreite der Themen reduzieren
  • Unterstützung bei Lernzeiten und –prozessen; Anregung zur Reflexion über Lernprozesse
  • formative Diagnostik und regelmäßiges Feedback
  • Einsatz kooperativer Lernformen

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Prof. Eckhard Klieme vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation leitet in seinem Artikel im aktuellen Beiheft der DDS aus der Forschung zur Qualität von Unterricht Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte ab. 

Prof. Olaf Köller, Dr. Johanna Fleckenstein, Dr. Karin Guill und Dr. Jennifer Mayer  vom Leibniz-Institut für fassen in ihrem Artikel im selben Beiheft Erkenntnisse aus der Hausaufgabenforschung für die momentane Situation zusammen.

Besondere Bedeutung messen die Autoren beider Beiträge der klaren Strukturierung des digitalen Unterrichts bei. Dabei geht es nicht nur um die sinnvolle Verknüpfung der Aufgaben in Präsenz und Heimarbeit, sondern auch um die Unterstützung bei der Gestaltung der Lernzeiten und -prozesse. Insbesondere für SchülerInnen, die von zuhause weniger Unterstützung erfahren, sei die klare Strukturierung des Lernprozesses etwa über gemeinsam abgesprochene Wochen- oder Tagespläne oder von den Schülern geführte Lerntagebücher ein wichtiges Instrument für den Erfolg des Unterrichts. Die SchülerInnen sollten idealerweise möglichst stark in die Überlegungen mit einbezogen und zur Reflexion über den eigenen Lernprozess sowie das Unterrichtsgeschehen angeregt werden.

Der Einsatz kooperativer Lernformen, denen die lernpsychologische Forschung positive Effekte auf die Lernergebnisse der SchülerInnen zuspricht, spielen laut Klieme im digitalen Unterricht, bei dem die SchülerInnen alleine von zuhause arbeiten, eine besonders wichtige Rolle. Klieme nennt hier beispielweise die Nutzung von break-out-rooms der Videokonferenz-Tools, in denen etwa Gruppenpuzzle auch online umgesetzt werden können.

Klieme sowie Köller et al. verweisen darauf, dass aus der Forschung die große Bedeutung von formativer Diagnostik und regelmäßigem Feedback bekannt ist. Synchrone Treffen mit den SchülerInnen, im Klassenverband oder in einzelnen Gruppen, bieten den Lehrkräften die Gelegenheit, sich ein Bild vom Lernstand und -prozess der SchülerInnen zu machen sowie individuell Rückmeldungen zu geben. Neben schriftlichem Feedback über die schul-spezifischen Kanäle und Plattformen, bieten sich für Feedback auch Lerntools an, welche den Schülern automatisiert Rückmeldungen geben, oder Umfragetools, mit denen Lehrkräfte sich einen schnellen Überblick über das Verständnis der Klasse verschaffen können.

Aus der Erkenntnis, dass Lernzuwächse mit der Qualität und insbesondere der Tiefe von Lerninhalten zusammenhängen, leitet Klieme ab, dass im digitalen Unterricht anspruchsvolle Inhalte nicht wegfallen dürfen, sondern diese im Gegenteil weiterhin wichtiger Bestandteil des digitalen Unterrichts sein sollten. Da sich inhaltliche Tiefe nur durch eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsstoff erreichen lässt, spricht sich Klieme dafür aus, eher die Bandbreite der Themen zu verringern als Stoff in reduzierter Tiefe zu behandeln. Um das entsprechende fachliche Verständnis zu fördern, sollten Lehrkräfte also nicht nur auf die Lehrbuchtexte und wiederholendes Lernen zurückgreifen, sondern gezielt jene exemplarischen Inhalte auswählen, welche die Anforderungen im entsprechenden Fach am besten erfüllen können – und damit nach dem Prinzip „Weniger ist mehr“ handeln.

Den Erkenntnissen und Gedanken der Autoren folgend, stellen sich Reduktion des Stoffes und die möglichst zielführende Strukturierung von Unterricht als Ansatz für die Weiterentwicklung des Unterrichts dar. Ausgehend davon könnten Gelegenheiten für den engen Austausch mit den SchülerInnen sowie für Reflexionsphasen, die angeleitete Gestaltung von Lernprozessen und –zeiten, die Bearbeitung von kollaborativen Aufgaben und regelmäßiges Feedback ausgebaut werden.

Die Artikel:

Klieme, E. (2020). Guter Unterricht – auch und besonders unter Einschränkungen der Pandemie? In Fickermann, D., Edelstein, B. (Hrsg.), „Langsam vermisse ich die Schule…“ – Schule während und nach der Corona-Pandemie (S. 117 – 135). Münster: Waxmann. (Die Deutsche Schule : Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und pädagogische Praxis. Beiheft; 16)

Köller, O., Fleckenstein, J., Guill, K., Meyer, J (2020). Pädagogische und didaktische Anforderungen an die häusliche Aufgabenbearbeitung. In Fickermann, D., Edelstein, B. (Hrsg.), „Langsam vermisse ich die Schule…“ – Schule während und nach der Corona-Pandemie (S. 163 - 174). Münster: Waxmann. (Die Deutsche Schule : Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und pädagogische Praxis. Beiheft; 16)

Tools für den Unterricht

Kennen Sie schon unser Angebot Media4Teachers? In ihm werden nützliche Tools für den Unterricht und deren Einsatz präsentiert, wobei die Teilnehmer diese im Anschluss an den Input selbstständig erproben können.  Am 13.10.20 wird es um das Thema "Kollaboratives Arbeiten in der Onlinelehre – Aktivierend unterrichten mittels digitaler Tools" gehen. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie auf der Seite des U-Labors.

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