Konstanzer „Fridays for Future“-Schulstreik. Copyright: Universität Konstanz
Konstanzer „Fridays for Future“-Schulstreik. Copyright: Universität Konstanz

Fridays for Future: Zwischen friedlicher Radikalisierung und klassischem politischem Engagement

In einer Befragung von Fridays for Future-Demonstrierenden in Konstanz spricht sich eine Mehrheit für die Weiterführung der Proteste mit friedlichen Mitteln aus – Fallstudie des Soziologen Sebastian Koos an der Universität Konstanz

Im Mai 2019 waren es um die Tausend Demonstrierende, im darauffolgenden September bereits zehnmal so viele: Die Fridays for Future-Bewegung hat in Konstanz großen Zulauf erfahren. Der Soziologe und Organisationsforscher Juniorprofessor Dr. Sebastian Koos hat mit der Wissenschaftlerin an seiner Professur, Franziska Lauth, und einem Team von Studierenden Teilnehmende beider Demonstrationen befragt. Die Ergebnisse bestätigen, dass aus der ursprünglichen Jugendbewegung eine breite gesellschaftliche Bewegung geworden ist. Die Zukunft der Bewegung sieht eine Mehrheit nicht in einer Radikalisierung, sondern in einer stärkeren Mitarbeit in klassischen politischen Organisationen. 

Die Ergebnisse der Fallstudie „Die Entwicklung und Zukunft der Fridays for Future-Bewegung“ zeigen, dass die Bewegung sich längst nicht mehr nur aus den Schulen und Hochschulen rekrutiert. Zahlreiche Berufstätige sowie Rentnerinnen und Rentner haben sich mittlerweile der Bewegung angeschlossen. Insofern hat eine Transformation von einer ursprünglichen Jugendbewegung zu einer breiteren gesellschaftlichen Bewegung stattgefunden – „zumindest in der Konstanzer Fallstudie“, so Sebastian Koos, der auch Mitglied im Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz ist. Waren bei der Mai-Demonstration nach 61 Prozent der Teilnehmenden unter 20 Jahre alt, machte diese Altersgruppe im September nur noch 19 Prozent aus. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden nahm zum ersten Mal an einer Freitagsdemonstration teil.

Unterstützung von Erwachsenen
Zu Anfang der Bewegung gingen in Konstanz vor allem Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien auf die Straße, die nun von Erwachsenen mit zumeist hohen Bildungsabschlüssen und gehobenen Berufen unterstützt werden. Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen sind bei den Freitagsprotesten in Konstanz unterrepräsentiert. Mehr als jeder Dritte der teilnehmenden Berufstätigen wurde für die Teilnahme an der Demonstration vom Arbeitgeber freigestellt. Jeder Fünfte hat Urlaub genommen.

Radikalisierung im Sinne zivilen Ungehorsams ist umstritten
Was die zukünftige Entwicklung der Bewegung betrifft, hält eine deutliche Mehrheit der Befragten die Fortführung regelmäßiger Schulstreiks für notwendig. Allerdings fordert mit 80 Prozent eine große Mehrheit der befragten Demonstrierenden auch, dass sich die Bewegung etwa über die Mitarbeit in politischen Parteien oder Nichtregierungsorganisationen stärker in klassische politische Prozesse einbringt. Eine Radikalisierung der Bewegung im Sinne zivilen Ungehorsams ist unter den Teilnehmenden sehr umstritten. Sie findet keine mehrheitliche Unterstützung. Jedoch würde etwas mehr als ein Drittel der Befragten eine friedliche Radikalisierung im Sinne zivilen Ungehorsams unterstützen. Ein gewalttätiger Protest wird hingegen von den Befragten fast universell abgelehnt. 

Wichtig ist sozialverträgliche Umsetzung
Darüber hinaus haben Teilnehmende der Fridays for Future-Demonstrationen unter dem Einfluss der Bewegung ihren eigenen Lebensstil verändert. So gaben sie beispielsweise an, weniger Fleisch zu essen und auf Flugreisen zu verzichten. Was die Unterstützung politischer Klimaschutz-Maßnahmen anbelangt, spielt für die Befragten die mögliche Zunahme sozialer Ungleichheit durchaus eine Rolle: Eine hypothetische CO2-Steuer in Höhe von 180 Euro pro ausgestoßener Tonne würde eine höhere Zustimmung erfahren, wenn sie sozialverträglich umgesetzt werden würde und beispielweise mit einem Umverteilungsmechanismus verbunden wäre.

„Unseren Ergebnissen entsprechend scheint es durchaus eine Basis für eine ‘friedliche Radikalisierung‘ zu geben“, sagt Sebastian Koos. Das zeige sich auch in den zunehmenden Aktionen zivilen Ungehorsams der Gruppe Extinction Rebellion in den letzten Wochen. Franziska Lauth, die Koautorin der Studie, sieht gleichzeitig, dass die junge Klimabewegung angesichts der klimapolitischen Beschlüsse und der nicht abnehmenden kritischen Stimmen gegenüber der Fridays for Future-Bewegung vor neuen Herausforderungen steht.

Die Ergebnisse des Berichts basieren auf Befragungen am 24. Mai 2019 und am 20. September 2019 in Konstanz. Bei beiden Befragungen handelte es sich um globale Freitagsproteste. Ein Team aus jeweils fünf bis sechs Studierenden befragten die Demonstrierenden – im Mai waren es 147 Personen, im September 184 Personen.

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