Koselleck-Projekt für Konstanzer Chemiker
Der Konstanzer Chemiker Prof. Dr. Andreas Marx wird mit einem Reinhart Koselleck-Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von einer Million Euro zuzüglich Programmpauschale ausgezeichnet. Dies ermöglicht ihm die Erforschung der strukturellen Grundlagen des Schreibens und Lesens von synthetischen genetischen Polymeren, sogenannten Xeno-Nukleinsäuren (XNA).
Prof. Dr. Andreas Marx ist Professor für Organische Chemie/Zelluläre Chemie an der Universität Konstanz, Sprecher der Konstanzer Graduiertenschule Chemische Biologie und Mitgründer des Unternehmens myPOLS Biotec, einer Ausgründung der Universität Konstanz zur Weiterentwicklung und zum Vertrieb anwendungsoptimierter DNA-Polymerasen. Er arbeitet an der Schnittstelle zwischen Biologie und Chemie und beschäftigt sich primär mit der zielgerichteten Synthese von Biomolekülen mit maßgeschneiderten Eigenschaften und Funktionen, deren Anwendung Einblicke in komplexe biologische Prozesse ermöglicht.
Desoxyribonukleinsäure (DNA) vs. Xeno-Nukleinsäure (XNA)
Im Rahmen seines gerade von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligten Reinhart Koselleck-Projektes wird Marx seine Forschung auf dem Gebiet der Synthetischen Genetik vertiefen, insbesondere in Hinblick auf nicht-natürliche genetische Polymere, sogenannte Xeno-Nukleinsäuren (XNA). Es ist bekannt, dass sich natürliche Nukleinsäuren wie die Desoxyribonukleinsäure (DNA) hervorragend zur Speicherung und Übermittlung von Informationen eignen. „DNA speichert bis zu 200 Petabyte an Informationen pro Gramm, und das bei hoher chemischer Stabilität“, so der Wissenschaftler. Im Gegensatz dazu haben andere herkömmliche Speichermedien – CDs, Kassetten, die Festplatte eines Computers – eine eher geringe Lebensdauer.
In der Synthetischen Genetik werden seit einiger Zeit mit Blick auf die Speicherung, Übermittlung und Entstehung von Informationen alternative synthetische oder Xeno-Nukleinsäuren erforscht: „XNA hat dasselbe Potenzial wie DNA was das Speichern und Abrufen von Informationen oder die Faltung in funktionale Einheiten angeht. Xeno-Nukleinsäuren haben gegenüber ihren natürlichen Gegenstücken aber den großen Vorteil, dass sie noch einmal um Einiges stabiler sind. Sie sind daher insbesondere für Anwendungsgebiete wie die Datenspeicherung, Biotechnologie oder Molekularmedizin interessant“, erklärt Marx.
XNA-Enzyme: „Maschinen“ zum Lesen und Schreiben von XNA
Der Schlüssel zur Erforschung und Entwicklung von Xeno-Nukleinsäuren sind bestimmte Enzyme, die XNA schreiben (XNA-Polymerasen) und lesen (XNA-Reverse Transkriptasen). Obwohl bereits Fortschritte bei der Entwicklung solcher XNA-Enzyme gemacht wurden, besteht eine große Herausforderung nach wie vor in der geringen Effizienz und Genauigkeit der bisher mit Xenosubstraten entwickelten Enzyme. „Einen strukturellen Einblick in die Grundlagen für das Schreiben und Lesen von XNA durch XNA-Enzyme zu erhalten, wäre ein großer Gewinn für die Synthetische Genetik“, so Marx. Langfristig sollen die so gewonnenen Erkenntnisse in die chemischen Randbedingungen von genetischen Transaktionen nämlich die Entwicklung von hocheffizienten XNA-Enzymen ermöglichen.
In Zusammenarbeit mit den auf diesem Gebiet weltweit anerkannten Kapazitäten Philip Holliger vom Medical Research Council (MRC) Laboratory of Molecular Biology (LMB) in Cambridge, Piet Herdewyn von der Katholieke Universiteit Leuven und Kay Diederichs an der Universität Konstanz wird Andreas Marx im Rahmen seines Koselleck-Projektes zum ersten Mal überhaupt systematisch die Interaktionen von XNA-Polymerasen und XNA-Transkriptasen mit ihren Substraten strukturell untersuchen. Dazu werden die Wissenschaftlerteams die Enzyme exprimieren und reinigen, entsprechende Substrate synthetisieren und dann mittels Kristallisation abbilden und auswerten.
Mit dem Koselleck-Projekt möchten die Wissenschaftler langfristig eine Wissenslücke schließen und neue Anwendungsbereichen in der Medizin und Biotechnologie erschließen. „Aktuell ist noch nicht absehbar, ob wir überhaupt geeignete Bedingungen für die Kristallisation dieser künstlichen Systeme auffinden werden“, kommentiert Marx sein aus wissenschaftlicher Sicht im positiven Sinn risikobehaftetes Forschungsvorhaben. „Aufgrund unserer bereits an der Universität Konstanz geleisteten Pionierarbeit zur Interaktion von DNA-Polymerasen und unnatürlichen Substraten bin ich jedoch sehr optimistisch.“
Zu den Reinhart Koselleck-Projekten der DFG
Reinhart Koselleck-Projekte ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich durch ihre besonderen wissenschaftlichen Leistungen empfohlen haben, besonders innovative und im positiven Sinne risikobehaftete Forschung durchzuführen. Die Förderdauer beträgt typischerweise fünf Jahre bei einer Fördersumme zwischen 500.000 und 1,25 Millionen Euro.
Andreas Marx erhält von der DFG für sein Projekt Förderung in Höhe von einer Million Euro zuzüglich einer Programmpauschale in Höhe von 220.000 Euro. Förderbeginn ist vermutlich November 2020.