Photo: Prof. Dr. Manfred Schartl\Dr. Paolo Franchini
Photo: Prof. Dr. Manfred Schartl\Dr. Paolo Franchini

Neues Geschlechtschromosom

Am 3. Dezember 2018 veröffentlichte das Labor von Axel Meyer, Professor für Evolutionsbiologie an der Universität Konstanz, neue Erkenntnisse aus einem experimentellen 30-jährigen Evolutionsprojekt zu genomischen Mechanismen der Geschlechtsdeterminierung bei „Schwertträgern“ (mexikanische Fische der Gattung Xiphophorus) in „Nature Communications“.

Dr. Paolo Franchini, Evolutionsbiologe an der Universität Konstanz, ist Erstautor dieser Studie, die im Rahmen einer seit 30 Jahren bestehenden Zusammenarbeit mit dem Labor von Prof. Dr. Manfred Schartl von der Universität Würzburg, aktuell veröffentlicht wurde.

Bei Fischen sind die genomischen Mechanismen, die das Geschlecht festlegen, bemerkenswert vielfältig. Bei allen Säugetieren hingegen bestimmt der immer gleiche XX, XY- Geschlechtschromosomen-Mechanismus das Geschlecht. Die jeweils verantwortlichen genomischen Mechanismen und evolutionären Auslöser dieser Vielfalt der Geschlechtsbestimmung bei Fischen werden wiederum noch wenig verstanden. Einen ebensolchen Mechanismus und seine genaue Funktionsweise konnten Dr. Paolo Franchini und seine Kollegen nun in der aktuellen Studie „Long-term experimental hybridisation results in the evolution of a new sex chromosome in swordtail fish“ beschreiben.

Dieses Forschungsprojekt ist Teil eines Experimentes, das bereits vor drei Jahrzehnten von Prof. Dr. Manfred Schartl, Professor für Physiologische Chemie an der Universität Würzburg, initiiert wurde, und bei dem zwei Xiphophorus Fischarten mit verschiedenen Geschlechtschromosom-Systemen immer wieder rückgekreuzt wurden. Hybride Arten, die aus der Kreuzung zweier Arten hervorgegangen sind, kommen bei Fischen gelegentlich vor. „Wir wissen aus der Erforschung der Systeme im natürlichen Lebensraum, dass Hybridisierung für die Evolution neuer Spezies ein entscheidender Mechanismus ist“, erklärt Paolo Franchini. In diesem Experiment konnten die Forscher die Auswirkungen untersuchen, die Hybridisierung auf den genomischen Mechanismus der Geschlechtsbestimmung hat. Rein optisch fällt die Bestimmung des Geschlechts bei diesen Fischen leicht: Der männliche Schwertträger besitzt dem Namen nach eine schwertähnliche Schwanzflosse, das Weibchen hingegen hat keine solche Flosse. Schon 1994 haben Prof. Meyer und Prof. Schartl gezeigt, dass mindestens zwei Schwertträgerarten in freier Natur durch Hybridisierung entstanden sind. Die Auswirkungen, die sie auf das Genom und die Geschlechtsbestimmungsmechanismen hat, konnten nun in der langfristigen Laborstudie genau untersucht werden.

In dem Experiment, wurden Kreuzungen in über 100 Generationen in den letzten 30 Jahren durchgeführt. Zunächst wurde Xiphophorus maculatus, ein weiblicher Fisch, mit dem Xiphophorus hellerii, einem Männchen, gekreuzt, die jeweils unterschiedliche Geschlechts-Chromosomensysteme aufweisen. Danach wurden die so entstandenen Hybride immer wieder, für über 100 Generationen, mit der männlichen Spezies rückgekreuzt. „Wir stellten fest, dass Introgression – die Übertragunge eines Gens von einer Art auf die andere - und Auswahl von Pigmentierungs-Erscheinungsformen zu einer Beibehaltung einer unerwartet großen, von mütterlicher Seite abstammenden genomischen Region führt“, erklärt Paolo Franchini. Während dieses Hybridisierungsprozesses wurde die das Geschlecht bestimmende Region auf dem X-Chromosom der einen Elternart auf ein Autosom der gekreuzten Fische übertragen. Diese Übertragung führte dazu, dass ein gänzlich neues Geschlechterchromosom entstand. „Unsere Ergebnisse zeigen vor allem die Komplexität der Faktoren, die zu Mustern führen, die in den hybriden Genomen beobachtet werden können. Dazu gehören auch so essentielle Punkte wie die Geschlechtsbestimmung“, fasst Paolo Franchini zusammen. Seine Arbeit beweist, dass Hybridisierung die schnelle Entstehung eines neuen Geschlechtschromosoms katalysieren kann und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zu einem tieferen Verständnis der genomischen Mechanismen, die zur Geschlechtsbestimmung beitragen und dem erstaunlichen Entstehen eines neuen Geschlechtschromosome innerhalb von nur 100 Generationen in nur 30 Jahren.

Faktenübersicht:

  • Konstanzer Evolutionsbiologen im Labor von Prof. Dr. Axel Meyer veröffentlichen Ergebnisse über die Entstehung eines neuen Geschlechtschromosoms in Zusammenarbeit mit dem Labor von Prof. Dr. Manfred Schartl, Universität Würzburg.
  • Originalpublikation: Nature Communications: DOI: 10.1038/s41467-018-07648-2, “Long-term experimental hybridisation results in the evolution of a new sex chromosome in swordtail fish“, Paolo Franchini, Julia Jones, Peiwen Xiong, Susanne Kneitz, Zachariah Gompert, Wesley C. Warren, Ronald B. Walter, Axel Meyer, Manfred Schartl.
  • Neue Erkenntnisse genomischer Folgen der Hybridisierung von zwei Xiphophorus Fischarten mit verschiedenen Geschlechtschromosom-Systemen.
  • Experimentelles Evolutionsprojekt lief über 30 Jahre und resultierte in einem neuartigen genomischen Geschlechtsbestimmungs-Mechanismus.
  • Ergebnisse zeigen, dass Hybridisierung die schnelle Entstehung eines neuen Geschlechtschromosoms beeinflussen kann.

Presseinformation: Nr. 121/2018