Wie sprachliche Ausdrucksweise unsere Meinung beeinflussen kann
Wird Sprache eingesetzt, um Emotionen zu wecken oder Meinungen zu beeinflussen, spricht man von „Framing“. Am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz untersuchen Forschende das sprachliche Framing dreier großer deutscher Tageszeitungen über geflüchtete Menschen.
Die BILD-Zeitung spricht von „Straftätern“ und „Tatverdächtigen“, die Süddeutsche Zeitung (SZ) von „Rettungsmission“ und „Schutzstatus“, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) befindet sich irgendwo dazwischen. Wird in großen deutschen Tageszeitungen über geflüchtete Menschen in Deutschland berichtet, kommen sehr unterschiedliche sprachliche Stilmittel zum Einsatz. Diese Mittel, sei es lediglich zur inhaltlichen Betonung eines Sachverhalts oder aber auch gezielt eingesetzt, um etwa Assoziationen zu wecken, nennt man Framing. Mit diesen Frames beschäftigen sich LinguistInnen und PolitikwissenschaftlerInnen des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz.
Im Projekt „Framing Inequalities“ untersuchen die DoktorandInnen Qi Yu und Anselm Fliethmann, welche Framing-Strategien Printmedien bezüglich des Themas Flüchtlingskrise benutzen. Sie ergründen zudem, inwiefern diese Strategien mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) automatisch erkenn- und analysierbar sind. Dazu haben Sie Synonyme rund um den Begriff „Flüchtling“ identifiziert und sich anschließend, mit Hilfe von „Natural Language Processing“-Algorithmen (maschinelle Sprachverarbeitung), angeschaut, wie Geflüchtete in den Tageszeitungen BILD, SZ und FAZ üblicherweise porträtiert, sprich geframt werden. In der Analyse zeigt sich, dass die BILD-Zeitung üblicherweise mehr kriminalitätsbezogene Wörter nutzt, in der SZ dagegen Wörter gebräuchlicher sind, die einen humanitären Kontext andeuten, und die FAZ sich zwischen diesen beiden Polen bewegt.
Um diese großen Textmengen und den Mangel an im Vorfeld codierten Daten (wie für überwachtes maschinelles Lernen benötigt) zu bewältigen, nutzen Qi Yu und Anselm Fliethmann die Methode des Word Embeddings (Worteinbettungen), durch die sie herausfinden können, wie nahe die Bedeutung einzelner Wörter beieinanderliegt. Ob Künstliche Intelligenz aber tatsächlich bereits sensibel genug ist, um die Analyse von Framing-Strategien automatisiert durchzuführen, erläutern die Forschenden in ihrem Artikel „Den Feinheiten der Sprache auf der Spur“ in der neusten Ausgabe des In_equality magazins „Information, Sprache, Macht“.
In_equality magazin No. 5: „Information, Sprache, Macht“
Das In_equality magazin ist das halbjährlich erscheinende Forschungsmagazin des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz. Die aktuelle Ausgabe befasst sich mit Aspekten sprachlicher Ungleichheit und der Frage, warum sozialwissenschaftliche Forschung eine linguistische Perspektive benötigt, denn: Sprache ist mehr als ein Medium der alltäglichen Kommunikation. Sprache ist Ausdruck von Identität und Zugehörigkeit, ein Instrument im politischen Wettbewerb und ein Stilmittel, das charismatische Reputation erzeugen kann.
Die vollständige Ausgabe des In_equality magazins als PDF zum Download oder als E-Reader.
Faktenübersicht
- Das In_equality magazin ist das Forschungsmagazin des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz.
- Herausgebende sind Marius R. Busemeyer, Sprecher des Exzellenzclusters, sowie die beiden Co-Sprecherinnen Claudia Diehl und Gabriele Spilker.
- Ausgabe No. 5 widmet sich den linguistischen Projekten des Exzellenzclusters und geht der Frage nach, warum sozialwissenschaftliche Forschung eine linguistische Perspektive benötigt.
- Qi Yu und Anselm Fliethmann untersuchen im Clusterprojekt „Framing Inequalities“ das Framing „Geflüchteter“ in drei deutschen Tageszeitungen (BILD, FAZ und SZ) und inwieweit Künstliche Intelligenz sprachliche Feinheiten erkennt. Im In_equality magazin Nr. 5 „Information, Sprache, Macht“ haben sie dazu einen Beitrag verfasst: Den Feinheiten der Sprache auf der Spur. Künstliche Intelligenz hilft der „Framing“-Forschung, ist aber noch lange nicht perfekt“.
- Weitere Beiträge sind:
- „Sprache und Ungleichheit. Zum Verhältnis von Linguistik und Sozialwissenschaften“, von M. Butt und R. Eckardt.
- „Wie Sprache den Status prägt. Ungleichheitserfahrungen von SamInnen in Norwegen und Schweden“ von T. Kupisch, A. Lloyd-Smith, F. Bergmann und R. Yasar.
- „Die WählerInnen im Blick. Wie italienische Parteien an Identitäten appellieren“ von S. Zanotto.
- „Sprache und Macht. Computergestützte Analysen machen Ungleichheiten in der Kommunikation sichtbar“ von S. Eckhard, I. Espinoza, S. Frenzel, A. Hautli-Janisz, W. Siskou.
- „All You Need is Love? Emotionalität und politisches Charisma” von J. Vári.
- „Nation, Sprache und Identität. Wie Vorstellungen von Muttersprache Gemeinschaften prägen“ von J. Errington.