Bild: Universität Konstanz

Zwei ERC Starting Grants gehen an die Universität Konstanz

Dr. Damien Farine, Principal Investigator am Exzellenzcluster „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour“ der Universität Konstanz und Prof. Dr. George Walkden, Professor für Allgemeine und Anglistische Linguistik am Fachbereich Linguistik der Universität, sind jeweils mit einem renommierten ERC Starting Grant ausgezeichnet worden.

Die bedeutende Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 1.5 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren dotiert und wurde eingerichtet, um Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler sowie Forschende generell in die Lage zu versetzen, eigene Arbeitsgruppen aufzubauen und bahnbrechende Forschungsarbeit auf ihren Gebieten zu leisten. Insgesamt wurden vom Europäischen Forschungsrat (ERC) 408 Grants an 3106 Bewerberinnen und Bewerber aus der ganzen Welt vergeben, wie heute, am 3. September 2019, bekanntgegeben wurde.

Über Dr. Damine Farines ERC Starting Grant

Damien Farine, der auch Principal Investigator am Konstanzer Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie ist, forscht an der Schnittstelle zwischen kollektivem Verhalten und Ökologie. Der ERC Starting Grant ermöglicht ihm, innovative und risikobehaftete Forschungsarbeiten durchzuführen, die wesentlich zu unserem Verständnis davon beitragen werden, wie sich Tiere in komplexen sozialen und physischen Umgebungen zurechtfinden. In Kenia wird Farine das Gruppenleben von Vögeln erforschen, um anhand dessen nachzuvollziehen, wie sich individuell gemachte Erfahrungen im Zusammenspiel mit den Umweltbedingungen auf das Führungsverhalten in Tiergruppen auswirken. Sein vom ERC finanziertes Projekt kombiniert modernste Technologien und wissenschaftliche Methoden, die dazu beitragen werden, die Erforschung von Tieren in freier Wildbahn zu revolutionieren. Außerdem wird im Rahmen des ERC Starting Grants Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern sowie Schülerinnen und Schülern aus Kenia die Möglichkeit geboten, in Farines Team Spitzenforschung zu betreiben.

„Der ERC Starting Grant eröffnet mir fantastische Möglichkeiten“, sagt Farine. „Er ermöglicht mir, Fragen zur Welt der Natur zu beantworten, die wir noch vor wenigen Jahren nur in unseren Träumen überhaupt gewagt haben, zu stellen.“ Farine steht mit seiner Forschung weltweit an der Spitze der Erforschung von sozialem und kollektivem Verhalten bei wilden Tieren. Durch seine Arbeit konnte zum ersten Mal nachgewiesen werden, dass Paviane demokratische Entscheidungen treffen und dass wilde Vögel die spezifischen Vorlieben ihrer Artgenossen nachahmen, wenn sie neue Futtertechniken erlernen – Erfolge, über die in den Journalen Science respektive Nature berichtet wurde. Für seine Forschung wurde Farine außerdem 2018 mit dem Christopher Barnard Award for Outstanding Contributions by a New Investigator ausgezeichnet, der von der Association for the Study of Animal Behaviour vergeben wird.

Farines Labor, das am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz angesiedelt ist, ist weltweit für seine zukunftsweisenden Methoden zur Erforschung des Soziallebens von Tieren bekannt. Typischerweise werden im Farine Lab sehr fein aufgelöste Daten zu sozialem Verhalten gesammelt. Dabei werden die jeweiligen Tiergruppen über den gesamten Lebenszyklus der darin lebenden Individuen beobachtet. Das ermöglicht Farine nachzuvollziehen, wie von Individuen gemachte Erfahrungen sich auf das Leben der Gruppen auswirken, in denen sie leben.

Damien Farine studierte zunächst Mikroelektronik und Informatik in Australien. Nach dem Abschluss wechselte er an die Universität Oxford (Großbritannien) und wurde dort in Zoologie promoviert. Von dort ging er an das Department of Anthropology der University of California, Davis (USA), und etablierte schließlich am ehemaligen Max-Planck-Institut für Ornithologie (jetzt Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie) eine Arbeitsgruppe auf dem Gebiet der Social Evolutionary Ecology.

Das Forschungsvorhaben, das Farine im Rahmen des ERC Starting Grants umsetzen möchte, basiert auf seiner Arbeit am Exzellenzcluster „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour“ der Universität Konstanz. Dort erforscht er, wie sich Gruppen bilden und welche Konsequenzen das Gruppenverhalten für Individuen haben kann. Momentan testet er in transdisziplinärer Zusammenarbeit mit experimentellen Psychologinnen und Psychologen, wie sich Stress in sozialen Gruppen übertragt.

Über Prof. Dr. George Walkdens ERC Starting Grant

Zu George Walkdens besonderen Forschungsinteressen gehören die historische Linguistik und der Sprachwandel, insbesondere der morphosyntaktische Wandel. Ein spezielles Studienobjekt sind dabei die germanischen Sprachen. Er möchte mehr darüber erfahren, wie sich Sprachen verändern, wenn sie aufeinander treffen. Insbesondere interessiert er sich dafür, welchen Einfluss dies auf die Grammatik und auf die Struktur von Satzteilen oder ganzen Sätzen hat. „Der ERC Starting Grant erlaubt mir, Sprachwandel unter sehr breit gefächerten Gesichtspunkten zu erforschen“, erklärt Walkden. „Im Kern möchte ich verstehen, wie verschiedene Situationen, in denen Sprachen aufeinander treffen, deren Syntax über den Lauf ihrer Geschichte hinweg beeinflusst haben. Das Ziel ist, so viele Sprachen wie möglich zu untersuchen, um die Theorie ausgiebig zu testen. Darunter werden auch Sprachen sein, die außerhalb Europas gesprochen werden.“

George Walkden wurde an der Universität Cambridge ausgebildet und ist seit 2017 Professor für Allgemeine und Anglistische Linguistik am Fachbereich Linguistik der Universität Konstanz.

Seine Theorie zum Sprachwandel basiert auf der Beobachtung, dass Menschen, die eine zweite Sprache lernen, einfach deshalb dazu neigen, „Fehler“ zu machen, weil es viel schwerer ist, zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Sprache zu erlernen, als beispielweise im Babyalter. Er möchte nicht nur verstehen, warum es so schwer ist, eine zweite Sprache zu lernen, er ist insbesondere auch an den Langzeitfolgen interessiert: „Nimmt man etwa eine Bevölkerung an, in der viele Individuen dieselbe Sprache als Fremdsprache erlernt haben, dann ist anzunehmen, dass die ‚Fehler‘, die sie begehen, irgendwann Einzug in die Grammatik dieser Sprache halten. Menschen, die beispielsweise Deutsch als Fremdsprache lernen, kann es schwerfallen, die verschiedenen Wortendungen richtig anzuwenden. Wenn es genug Menschen gibt, die dieselben Schwierigkeiten beim Erlernen einer Sprache haben, dann ist es nach der Theorie wahrscheinlich, dass sich dies auch auf den Sprachgebrauch im weiteren Sinne auswirkt.“

Syntax erklärt Walkden als eine Kombination von Worten oder Einheiten zu Satzgliedern oder ganzen Sätzen. Es wird generell angenommen, dass die Mechanismen, die angewendet werden, um Worte zu Einheiten zu formen, mehr oder weniger angeboren, also Teil des Menschseins, sind. „Die einzelnen Elemente, die zusammengefügt werden, sind allerdings nicht angeboren. Wir alle müssen sie erst erlernen“, sagt er. Diese Elemente bestehen aus syntaktischen Merkmalen, die darüber entscheiden, wie genau Sätze zusammengefügt werden. Diese Merkmale können entweder sinnvoll oder sinnlos sein, was in der Fachsprache der generativen Syntaxtheorie mit den Begriffen interpretierbar oder nicht interpretierbar betitelt wird. „Ein klassisches Beispiel eines Merkmals, dass semantisch nicht interpretierbar ist, ist das Geschlecht im Deutschen. Nichts am deutschen Wort für Auge ist in besonderem Maße geschlechtslos, obwohl der entsprechende Artikel dafür verwendet wird, genauso wenig wie der weibliche Artikel, der für das Wort Nase verwendet wird, etwas über das Geschlecht der Nase aussagt. In diesem Fall ist das Geschlechts-Merkmal nicht interpretierbar.“

Die Forschung legt nahe, dass genau diese nicht interpretierbaren Merkmale besonders anfällig sind, wenn Menschen eine Fremdsprache erlernen. Walkdens Hypothese ist, dass diese Merkmale mit der Zeit sogar ganz verschwinden, wenn eine ausreichende Anzahl von Lernenden involviert ist: „Seit Chomskys früher Arbeit zur Syntax wird oft angenommen, dass syntaktische Struktur dem Menschen größtenteils angeboren ist. Unter anderem aus diesem Grund wurde auch in der jüngeren Linguistik bislang kein Zusammenhang zwischen individuellen Arten von Sprachen auf struktureller Ebene und dem historischen Kontext, aus dem sie hervorgegangen sind, postuliert. Die bisherige Forschung lässt vermuten, dass die Annahme des Angeborenseins korrekt ist. Ich frage mich jedoch, was mit den Teilen der Syntax ist, die nicht angeboren sind, sondern erlernt werden. Was mich daran interessiert ist, ob auch hier Muster vorliegen, nach denen sich Sprachwandel vollzieht.“

Faktenübersicht:

  • Doppelerfolg für die Universität Konstanz: Dr. Damien Farine vom Exzellenzcluster „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour“ und Prof. Dr. George Walkden vom Fachbereich Linguistik sind jeweils mit einem renommierten ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) ausgezeichnet worden
  • Insgesamt wurden 408 Grants an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 50 Ländern vergeben, sie wurden aus einem Pool von 3106 Bewerbungen ausgewählt
  • Förderdauer: fünf Jahre
  • Fördersumme: je ca. 1,5 Millionen Euro
  • Damien Farine ist Principal Investigator am neuen Exzellenzcluster „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour“ der Universität Konstanz sowie Principal Investigator am Konstanzer Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie
  • George Walkden ist seit 2017 Professor für Allgemeine und Anglistische Linguistik am Fachbereich Linguistik der Universität Konstanz