Die Studierenden sitzten in einem italienischen Garten auf roten Stühlen um den Überlebenen Mario Marsili im Halbkreis herum.
Gespräch mit dem Überlebenden Mario Marsili. Copyright: Mark Dölling

Überleben, erzählen, erinnern

80 Jahre nach einem Massaker der SS im italienischen Ort Sant’Anna di Stazzema beschäftigt sich das studentische Projekt „ÜberLeben erzählen“ mit den Erzählungen von Überlebenden. Studierende der Universität Konstanz erarbeiteten vor Ort und im Seminar eine Ausstellung, die vom 11. bis 25. August 2024 in Sant'Anna di Stazzema gezeigt wird. Das Projekt wurde vom forum.konstanz der Universität Konstanz gefördert.

Ein ungesühntes Massaker aus dem zweiten Weltkrieg: Am 12. August 1944 fiel die SS in der italienischen Ortschaft Sant’Anna di Stazzema ein und tötete bis zu 560 Menschen, darunter etwa 130 Kinder. Erst 2004 wurden zehn Täter in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt, jedoch von Deutschland nicht ausgeliefert. Das entsprechende Verfahren wurde 2012 von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft eingestellt, keiner der Täter wurde juristisch zur Rechenschaft gezogen. Wie Gräueltaten verarbeiten? Wie erfahrenes Unrecht erzählen? Wie daran erinnern?

Die multimediale Ausstellung „ÜberLeben erzählen“ wird vom 11. bis 25. August 2024 in Sant’Anna di Stazzema im Gedenken an das Massaker vor 80 Jahren gezeigt. In Stuttgart, wo die Justiz für eine Einstellung des Verfahrens entschied, wird die Ausstellung vom 20. November bis 5. Dezember 2024 im StadtPalais zu sehen sein.

Die Ausstellung wurde in einem interdisziplinären Ausstellungs- und Lehrprojekt an der Universität Konstanz entwickelt – gefördert vom forum.konstanz. Die beiden Dozentinnen, Literaturwissenschaftlerin Sarah Seidel und Ethnologin Maria Lidola, reisten zusammen mit ihren Studierenden im Mai 2024 an den Ort des Geschehens und dokumentierten die Erzählungen der ZeitzeugInnen, deren Nachkommen, sowie juristischer und politischer AkteurInnen in Ton, Bild und Film. In Seminaren in Konstanz setzten sie sich mit dem Erinnern – etwa der Rolle von Gedenkstätten –, mit der Aufarbeitung mittels Kunst, Musik und Literatur und mit dem Schweigen auseinander.

„Zeit ist eine zentrale Kategorie in diesem Projekt: das lässt sich am langen Schweigen der Überlebenden des Massakers, aber auch der Politik und der Justiz zeigen. Diesem Schweigen wollen wir genauso Raum geben wie den Erzählungen“, erklärt Ethnologin Maria Lidola. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist dafür sehr bereichernd, so können wir zentrale Themen aus verschiedenen Perspektiven in Beziehung zueinander setzen.“

Literaturwissenschaftlerin Sarah Seidel betont: „Das Ausstellungsprojekt ,ÜberLeben erzählen‘ ist so wichtig, weil die Grundlagen der kulturwissenschaftlichen Erinnerungs- und Gedächtnistheorie, die ja in Konstanz mitgeprägt wurden, praktische Relevanz entfalten. Die Studierenden erleben in ihrer Projektarbeit die Bedeutung kulturwissenschaftlicher Forschung.“

Faktenübersicht:

Ausstellung „ÜberLeben erzählen“ vom 11. bis 25. August 2024 in Sant’Anna di Stazzema und vom 20. November bis 5. Dezember 2024 im StadtPalais in Stuttgart

Projektleitung: Sarah Seidel, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Konstanz, und Maria Lidola, Ethnologin an der Universität Konstanz, in Zusammenarbeit mit Petra Quintini, Mit-Initiatorin des „Campo della Pace“