Sanierung der Bibliothek der Universität Konstanz | Stellungnahme Betriebsarzt
Zu allererst sollte gesagt werden, dass für die Studenten und Mitarbeiter der Bibliothek Konstanz keine akute Gesundheitsgefährdung besteht. Niemand muss seinen Arzt aufsuchen!
Die Beurteilung der Entstehung chronischer Gesundheitsschäden ist schwieriger. Hier möchte ich zunächst auf die Frage eingehen, wie wahrscheinlich es überhaupt zu irgendeiner Gesundheitsschädigung kommen kann, bevor ich auf die möglichen Erkrankungen selbst eingehe.
Asbest wird über die Atmung in die Lungen aufgenommen und muss – um potenziell in den Körper zu gelangen – in der Raumluft vorhanden sein. Die durchgeführten Messungen in der Bibliothek konnten in der Raumluft erfreulicherweise keine Fasern nachweisen, nur an Einrichtungsgegenständen. Die Risikoabschätzung kann daher natürlich nur eine subjektive Bewertung sein, da wir nicht wissen, wann und in welcher Konzentration die Asbestfasern in der Bibliothek verteilt wurden.
In Deutschland gibt das Bundesamt für Bauwesen eine Hintergrundbelastung mit Asbestfasern von 100 – 150 Fasern/m3 (F/m3) Aussenluft an. Unter 300 F/m3 sind Asbestfasern in der Luft nicht nachweisbar. Da in der Raumluft der Bibliothek keine Fasern nachgewiesen werden konnten, ließe sich vorsichtig daraus schließen, dass die Belastung im Durchschnitt unterhalb der allgemeinen Hintergrundbelastung in Deutschland liegt.
Leider können keine Schwellenwerte oder Dosis-Wirkungsbeziehungen für Asbest angegeben werden. D.h., es gibt keine definierten Werte, ab wann es zu einer Gesundheitsschädigung kommen kann. Daher behilft man sich mit der Definition von Wahrscheinlichkeiten, mit denen ein Gesundheitsschaden bei einer bekannten Einwirkungsdauer und Stoffkonzentration eintreten kann.
Da die hauptsächliche Asbestexposition durch beruflichen Kontakt zustande kommt, stammen Angaben natürlich aus dem Arbeitsschutz. Der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) am Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Mitte 2008 risikobasierte Grenzwerte für den (beruflichen) Umgang mit Asbest definiert.
Das sog. Akzeptanzrisiko, unterhalb dessen man eine Exposition hinnehmen kann, ist definiert als Wahrscheinlichkeit des Entstehens eines Gesundheitsschadens bei 4 von 100.000 über 40 Berufsjahre Exponierter. Im Vergleich liegt das Risiko für einen tödlichen Verkehrsunfall bei 2 von 10.000 Exponierten. Bei Asbest besteht dieses Akzeptanzrisiko bis zu einer Raumluftkonzentration von 10.000 F/m3 (arbeitstäglich über 40 Jahre). Einen weiteren Begriff, den man zur Risikoabschätzung in der Medizin verwendet sind die sog. Faserjahre. Ein Faserjahr entspricht einer arbeitstäglichen Exposition von 1 Million Asbestfasern über ein Jahr.
Die häufigste Erkrankung bei Asbestexposition ist Lungenkrebs und bösartiger Rippenfellkrebs, gefolgt von einer Lungenfibrose und einer Rippenfellfibrose, beides eine Bindegewebsversteifung, sowie Kehlkopfkrebs. Das Risiko einen asbesterzeugten Lungen- oder Kehlkopfkrebs zu entwickeln, verdoppelt sich nach 25 Faserjahren. Für die bösartigen Rippenfelltumore reicht wahrscheinlich schon weniger als ein Faserjahr. Die Hintergrundbelastung in Deutschland entspricht etwa 0,06 Faserjahre.
Zusammengefasst neige ich bei der subjektiven Betrachtung der vorliegenden Tatsachen und Ungewissheiten zu der Ansicht, dass wir es auch auf lange Sicht mit einem eher unbedeutendem Erkrankungsrisiko zu tun haben.
Dr. med. Manuel Fritz
Betriebsarzt Universität Konstanz