uni’kon: Sie sind die beiden bekanntes
ten Holzköpfe unserer Universität, aus
Wawa-Holz geschnitzt. Man sieht Sie
nur zu zweit, tagein tagaus beieinander.
Seit Jahren schon beobachten Sie das
Treppenhaus unseres Foyers, sehen die
Generationen an Studierenden kommen
und gehen, haben sicherlich so einiges
zu tuscheln. Heute wollen wir es nun
wissen: Sind Sie eigentlich ein Paar?
Er:
Aber ja doch.
Sie:
Nein, keineswegs.
Er:
Zugegeben, da müssen wir etwas
ausholen, um die besondere Art unserer
Beziehung zu erklären. Es ist nämlich kei-
nesfalls so, dass wir schon immer beiein-
ander waren.
Sie:
Zu Anfang gab es hier im Trep-
penhaus nur einen Holzkopf, nämlich den
männlichen. Das war zu Zeiten noch lan-
ge vor unserem Gender-Kodex, als Studie-
rende noch Studenten hießen, ganz gleich
welchen Geschlechts. Da sind wir heute
ein gutes Stück weiter. In der Tat sind wir
beide als Ensemble eine der ersten Gleich-
stellungsmaßnahmen unserer Universität:
Ein Männerholzkopf ist nicht genug, das
lag damals schon in der Luft – es braucht
ein weibliches Pendant.
Er:
Fünf Jahre später kam also die
weibliche Gegenperspektive ins Treppen-
haus. Das war anno ‘98. Von trauter Einig-
keit kann da zunächst keine Rede sein.
Sehen Sie sich nur ihre Haltung an: Sehr
bestimmt schaut sie an mir vorbei, aber
unsere Blicke kreuzten sich schon damals.
Sie blieben also zunächst auf Distanz.
Trotzdem scheint es mir nicht so, als lä
gen sie über Kreuz. Was hat Sie vereint?
Er:
Wenn Sie nach einem Kuppler
fragen, dann würde ich sagen: Es brauch-
te ein Gewächshaus, um uns zusammen
zuführen.
Ein Gewächshaus?
Sie:
Ja, das Gewächshaus des Botani-
schen Gartens – nordwestlich von hier,
mitten im Wald neben dem Heizwerk. Das
wurde im zweiten Bauabschnitt der Uni-
versität gebaut. Und da gibt es diese staat-
liche Selbstverpflichtung…
Er:
… Kunst am Bau…
Sie:
… die besagt, dass ein Prozent der
Baukosten von öffentlichen Gebäuden für
Kunst zu verwenden ist.
Er:
Ich glaube nun zwar nicht, dass es
zweihundert Baumstämme gebraucht hat,
um das Gewächshaus zu errichten – bei all
dem Glas dort, Metall und Beton. Aber das
eine Prozent des Baubetrags lief zumin-
dest auf exakt zwei gut gewachsene Stäm-
me aus bestem Wawa-Holz hinaus, kunst-
voll behauen von Stephan Balkenhol. Falls
der Wink mit dem Zaunpfahl nicht deut-
lich genug ist: Gemeint sind sie und ich,
Frau und Mann, Triplochiton scleroxylon
und Wawa, Kopf und Kopf. Wir verkörpern
also genau genommen die Kunst am Bau
des Gewächshauses, nur dass wir eben
nicht im Botanischen Garten platziert
S. 76
H
Ein Interviewmit den
beiden Kopfsäulen
von Stephan Balkenhol
olzköpfe