S. 73
Herr Späth, was ist typisch für
studentische Kultur?
Vincent Späth:
Das ist eine sehr kniff-
lige Frage. Typisch studentische Kultur
ist für mich immer diese philosophisch-
politisch angehauchte, künstlerisch um-
gesetzte Mischung, wie zum Beispiel beim
Poetry Slam und solchen Aktionen, die
als jüngere Kunst und Kultur begriffen
werden. Das sind für mich so richtige Ver-
treter der studentischen Kunst. Sie ist ein
Spiegel dessen, was in der studentischen
Gesellschaft gerade aktuell ist, vom Mei-
nungsbild und von den Interessen her.
Studentische Kultur neigt also zu einem
tendenziell politischen Charakter?
Nicht immer, aber es ist meine Erfah-
rung, dass ein politischer Ton irgendwo
immer mitklingt. Das, finde ich, macht
das Studentische daran aber auch irgend-
wie mit aus. Wir beschäftigen uns sehr
mit politischen Fragen, so findet das Po-
litische eben auch seinen Weg in die stu-
dentische Kultur. Häufig – und das mag
man ambivalent sehen – ist aber eine
Unterhaltungskultur eher studentisch als
das, was gemeinhin als Bildungskultur
charakterisiert wird. Viele schrecken vor
klassischen Kulturangeboten wie Theater
und Philharmonie zurück, weil sie damit
Kunstformen verbinden, die salopp als
elitär eingestuft werden. Diese Grenze
möchte ich auflösen. Wir wollen im AStA
versuchen, einen weit gefassten Kulturbe-
griff zu etablieren.
Was heißt das konkret?
Wir wollen auch Bereiche unterstüt-
zen, die nicht in klassischem Sinne unter
Kultur eingeordnet werden. Wir haben
jüngst das Aufstiegsspiel im Handball un-
terstützt, als Testlauf für eine mögliche
Ausweitung des Kulturtickets. Es waren
466 Studierende dort, die mit dem Kultur-
ticket hingegangen sind. Wir haben vom
Handballverein die Rückmeldung bekom-
men: Wenn das immer so läuft, haben sie
stets ein ausverkauftes Haus und sind da-
von begeistert ohne Ende. So kann’s wei-
terlaufen.
Das Kulturticket wurde 2015 von der
Verfassten Studierendenschaft der Uni-
versität Konstanz etabliert. Sie haben
selbst für die Einführung des Tickets ge-
kämpft.
Tatsächlich war die Idee des Kultur-
tickets für mich einer der wesentlichen
Gründe, AStA-Kulturreferent zu werden.
Die schönste Rückmeldung, die ich be-
kommen habe, kam von einem Physiker.
Er war abends in einer größeren Gruppe
in der Stadt unterwegs. Sie wussten nicht
so recht, was sie machen sollten, Bars
waren ihnen wohl gerade zu langweilig.
Auf irgendwelchen Umwegen hat jemand
vorgeschlagen, Goethes Faust im Thea-
ter anzuschauen, was zunächst als Witz
gemeint war. Dann ist tatsächlich die ge-
samte Gruppe von zehn Leuten spontan
ins Theater gegangen und hat sich Faust
angeschaut – mit dem Kulturticket ist der
Eintritt ja frei. Zwei Tage danach standen
sie gesammelt bei mir im Büro und haben
mir begeistert erzählt, dass sie das Kultur-
ticket ab sofort jede Woche nutzen wer-
den. Das war für mich der Punkt, an dem
ich mir gesagt habe: Das sind die Leute,
die ich auch wirklich erreichen wollte.
Nicht nur Studierende, die sowieso schon
viele Berührungspunkte mit dem Kultur-
leben haben, sondern auch all diejenigen,
die sich eher als „kulturfern“ einstufen
würden. Das scheint zu funktionieren.
Ausgelastet mit Studium, Prüfungen und
Hausarbeiten: Wie schafft man es, sich
neben dem Studium noch kulturell zu
engagieren?
Für mich persönlich hat das kulturelle
Engagement einen sehr hohen Stellen-
wert. Für uns Studierende in unserer Ge-
neration ist es wichtig, dass wir uns nicht
nur auf das konzentrieren, was wir studie-
ren. Sondern dass wir uns auch auf The-
mengebieten informieren, die außerhalb
unseres Studiums liegen. Richtig ist, dass
es natürlich relativ anstrengend ist, sich
neben dem Studium kulturell zu engagie-
ren. Aber trotzdem: Wer sich dafür inter-
essiert, findet immer auch einen Weg, das
durchzuziehen. Für mich persönlich heißt
das: Die Kultur auch mal nach außen zu
tragen und dazu beizutragen, anderen
Studierenden die Möglichkeit zu geben,
sich der Kultur auf ihrem individuellen
Weg zu nähern.
Was sind die Vorteile einer vom AStA
zentral organisierten Kulturarbeit?
Der Vorteil ist tatsächlich die Universi-
tät selbst. Dadurch haben wir die Möglich-
keit, Berührungspunkte zu schaffen und
es zu ermöglichen, studentische kulturelle
Projekte voranzutreiben.
Ist Konstanz für Sie eine Kulturstadt?
Konstanz ist für mich eine interkul-
turelle Stadt, gerade durch die Nähe zur
Schweiz. Ja, es ist auch eine kulturelle
Stadt. Wenn man Konstanz mit den grö-
ßeren Städten vergleicht, gibt es natürlich
einen begrenzteren Raum für Kulturange-
bote, aber für die Größe von Konstanz gibt
es hier ein gutes Angebot. Wir haben eine
eigene Philharmonie, wir haben ein recht
großes Theater, wir haben verschiedenste
Veranstaltungshäuser, die vom Jazz bis zu
moderner Musik alles anbieten. Es gibt die
Nähe zu anderen kulturellen Schauplät-
zen im Umkreis, zum Beispiel das Otto-
Dix-Haus auf der Höri und verschiedenste
Museen gerade auf Schweizer Seite. Wenn
man bereit ist, ein paar Wege in Kauf zu
nehmen, ist das kulturelle Angebot recht
gut
.
»... Kulturleben.«