Strukturen und Rahmenbedingungen, die Ideen ent-
fachen und Wirklichkeit werden lassen, den Zeitum-
ständen optimal angepasst? Rahmenbedingungen än-
dern sich ja ständig. Ob das die Studierendenzahlen,
das Selbstverständnis der Kolleginnen und Kollegen,
ob das die Forschungsschwerpunkte, Förderprogram-
me oder das allgemeine Vorgehen von externen Gut-
achtern sind. Das alles ist permanent im Fluss, und
dem muss man sich immer wieder neu anpassen. Der
Begriff Reformuniversität steht für mich dafür, dazu
in der Lage zu sein. Mir ist es fast lieber, statt von
Reformuniversität von einer modernen Universität
zu sprechen und zu fragen: Wie leben wir, wie entwi-
ckeln wir eine moderne Universität weiter?
Bei der Gründung 1966 haben allerdings noch
andere Vorstellungen eine Rolle gespielt. Die
Universität Konstanz sollte als Reformuniversität
eine kleine, feine Forschungsuniversität werden.
Ja, dieser Gedanke wurde bei der Tagung in Berlin
auch angesprochen. In Konstanz, anders als etwa in
Bochum, hieß es: Wir wollen eine forschungsstarke
Universität kreieren, wo Forschung und Lehre ganz
eng miteinander verknüpft sind. Und wir wollen in
ganz kleinen Gruppen sehr konzentriert arbeiten.
Das wurde damals von außen auch kritisch gesehen.
Immer mehr junge Menschen strömten an Universi-
täten, die Studierendenzahlen nahmen immens zu,
es mussten Studienplätze geschaffen werden. Da gab
es schon einige, die sagten: Wir sollen Studienplät-
ze schaffen, für Kapazität sorgen, und in Konstanz
sprechen sie von Reformuniversität. Die wollen quasi
separiert von uns anderen ihr eigenes Reich schaffen.
Das wäre auch nicht mein Verständnis einer Refor-
muniversität.
Wie Sie eine moderne Universität beschreiben,
klingt das, als sei eine mittelgroße Universität dazu
wesentlich geeigneter als eine große Volluniversität.
Ist das so?
Davon bin ich sehr überzeugt. Sich immer zu hin-
terfragen, ob man das Richtige tut und die Dinge
gegebenenfalls neu ausrichtet, das geht mit einem
kleinen, überschaubaren System besser. Unser Rek-
torat-Team ist in der Lage, die relevanten Vorgänge
in allen Geschäftsbereichen zu erfassen beziehungs-
weise zu überschauen. Das ist an großen Universitä-
ten schwieriger. Wir leben hier auf dem Campus al-
lein schon aufgrund der Architektur eng zusammen.
Durch das Foyer zum Beispiel muss jeder mehrmals
am Tag – von den Studierenden bis zu den Professo-
rinnen und Professoren. Ich nutze die Gelegenheit,
bei Begegnungen mit bestimmten Personen die eine
oder andere Sache anzusprechen. Dieses persönliche
Miteinander, auch das Ausbalancieren von bottom-up
und top-down bewirkt Dynamik. Andererseits ist klar,
dass solche kleineren Strukturen Kompromisse erfor-
derlich machen. Im Fachbereich Physik ist zum Bei-
spiel die Elementarteilchenphysik, ein fundamentaler
Zweig der Physik, nicht vertreten. Mit zwölf, dreizehn
Professuren lässt sich nicht das gesamte Spektrum
der Physik abdecken. Wir konzentrieren uns auf die
Festkörperphysik. Die ist als Einheit tatsächlich in-
ternational sichtbar.
Was wünschen Sie der Universität Konstanz?
Immer hellwach, immer beweglich und selbst-
kritisch zu sein. Wir haben es in Konstanz über die
50 Jahre hinweg immer geschafft, uns weiterzuent-
wickeln, attraktiv zu bleiben für die Personen, die wir
ansprechen wollen. Immer nach dem Motto: Nach
dem Spiel ist vor dem Spiel
.
Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Rüdiger
ist seit 2009 Rektor der Universität
Konstanz. Zuvor war er von 2007 an
Prorektor für Forschung. In diesen
Funktionen hat er maßgeblich dazu
beigetragen, dass die Universität Kon-
stanz in beiden Phasen der Exzellen-
zinitiative – 2006/ 2007 sowie 2012
– erfolgreich war. Im Jahr 2002 trat
er die Professur für Experimentalphysik
an der Universität Konstanz an.
»Damals wie heute«
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