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werden können. Man muss weniger reisen,
um an Medien heranzukommen. Das kann
jedoch gleichzeitig ein Nachteil sein, wie
ein Wissenschaftler einmal scherzhaft
sagte: Seine Forschungsreisen seien we-
niger geworden, da wir ihm das Material
digital auf den Schreibtisch liefern. Zu
Zeiten meiner Abschlussarbeit in Poli-
tikwissenschaft musste ich ein Archiv in
Hamburg besuchen, da das Material di-
gital nicht verfügbar und natürlich auch
nur vor Ort nutzbar war. Als junge Wis-
senschaftlerin vor diesem Material zu
sitzen und den Hauch der Geschichte zu
spüren – das waren erhebende Momente.
Solche Situationen werden mit der Digita-
lisierung natürlich weniger. Dafür sinken
die Kosten für die Studierenden und Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Und was das Lesen selbst betrifft: Früher
lag beim Lesen ein Buch vor einem, sonst
nichts. Sie konnten sich gut auf den In-
halt konzentrieren. Heute sind Sie beim
digitalen Lesen leichter ablenkbar, da die
Geräte in der Regel nicht nur das Lesen
ermöglichen, sondern das weltweite In-
ternet immer neben Ihnen sitzt. Hier ist
Selbstdisziplin und Weiterentwicklung der
Geräte gefragt.
Wie sehen Sie die Rolle der Universitäts
leitung für den Erfolg der Bibliothek?
Die Zusammenarbeit in den 20 Jahren,
in denen ich hier bin, war richtig gut. Die
kurzen Wege in Konstanz sind sehr posi-
tiv. Wenn es schwierig wird, kann ich mit
der Universitätsleitung sprechen, ohne
dass ich Wochen auf einen Termin warten
muss. Die Teilschließung der Bibliothek
wegen der Asbestfunde 2010 war der Prüf-
stein. Von Anfang an war klar: Alle ziehen
an einem Strang, immer in dem Bewusst-
sein, dass es weitergeht. Als Direktorin der
Bibliothek arbeite ich beziehungsweise
habe ich mit zwei Rektoren zusammen-
gearbeitet, Herrn v. Graevenitz und Herrn
Rüdiger. Mit beiden gab und gibt es eine
gute sachliche Ebene und vertrauensvol-
le Zusammenarbeit. Es hilft, miteinander
zu reden. So können Dinge vorangebracht
werden.
Wann wird die Bibliothek der Uni
versität Konstanz wieder zur Bibliothek
des Jahres gewählt?
Das muss meine Nachfolgerin oder
mein Nachfolger übernehmen. Wenn ich
persönlich diese Ehrung nochmal anstre-
ben würde, müsste ich Konstanz verlas-
sen, so sieht es das Regelwerk vor. Das will
ich aber gar nicht. Ich bin sehr gern hier,
nach wie vor
.
Petra Hätscher
ist seit 2007 Direk-
torin der Bibliothek der Universität
Konstanz, seit 2014 Direktorin des
Kommunikations-, Informations-,
Medienzentrum (KIM), das der
Dienstleister für IT- und Bibliotheks-
dienste ist. Zuvor war sie seit 1996
Stellvertretende Direktorin. Vor
ihrer Zeit in Konstanz leitete sie von
1992 an die Stadtbibliothek Berlin-
Kreuzberg. Sie war und ist Mitglied
diverser Gremien, zum Beispiel
von 2010 bis 2016 im für Literatur-
versorgung zuständigen Ausschuss
der DFG. Aktuell ist sie Mitglied im
Bundesvorstand des Deutschen
Bibliotheksverbandes.
Die Bibliothek der
Universität Konstanz
ist eine zentrale Freihandbib
liothek mit einem Bestand
von mehr als zwei Millionen
Bänden und bietet Zugriff
auf zehntausende lizensierter
elektronischer Publikatio-
nen. 2010 wurde sie vom
Deutschen Bibliotheksver-
band und der Zeit-Stiftung
als Bibliothek des Jahres
ausgezeichnet. Im Herbst
2010 musste sie aufgrund
von erhöhten Asbestwerten
in weiten Teilen geschlossen
werden. Seit September
2015 stehen wieder drei
Viertel der sanierten Flächen
zur Verfügung.
»... als
Kommunikations-, Informations-,
Medienzentrum.
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